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Aktueller Jahresbericht der Ethik-Kommission


Klinische Forschung mit neuen Arzneimitteln oder Medizinprodukten oder sonstigen berufsrechtlich zu beratenden Studien dient in erster Linie dem allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und dem Fortschritt in der Medizin. Eine humane medizinische Forschung ist dem Wohl des einzelnen Menschen verpflichtet. ZumSchutz der Versuchsteilnehmer muss daher jede Studie vor ihrem Beginn einer Ethik-Kommission (EK) vorgelegt werden.

Übersicht zu Antragszahlen 2019 - 2022

Antragszahlen2019202020212022
Clinical Trails Regulation (CTR) neu ab 2/2022
Reporting Member State (RMS)   0
Nachträgliche Änderung   0
Member State Concerned (MSC)   7
Nachträgliche Änderung   1
Tranitionstudien (Überführungspflicht laufender Studien in CTIS bis 2025)   1
Annual Safety Report (ASR)   1
 
Arzneimittelgesetz  (Neuanträge bis 1/2023)
Übergangsregelung: Nachträgliche Änderungen bis 1/2025
Monozentrisch23121119
Inhaltliche nachträgliche Änderung21242127
Prüfstellen-Änderung0016
Federführung19272123
Inhaltliche nachträgliche Änderung9589111112
Prüfstellen-Änderung / Prüfstellen-Nachmeldung51627962
Mitberatung185156160128
Inhaltliche nachträgliche Änderung1111
Prüfstellen-Änderung / Prüfstellen-Nachmeldung151132129163
 
Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG) / Medical Device Regulation (MDR) / In vitro diagnostic Medical Device Regulation (IVDR: neu ab 5/2022)
Zuständige Ethik-Kommission - Monozentrisch (Erstbewertung)2032
Wesentliche Änderung0664
Zuständige Ethik-Kommission - Federführung (Erstbewertung)1324
Wesentliche Änderung6131110
Beteiligte Ethik-Kommission (Erstbewertung)10111831
Wesentliche Änderung59814
 
§ 15 Berufsordnung
Erstbewertung197239262211
Nachträgliche Änderung170191198178
 
Transfusionsgesetz
Erstbewertung0001
Nachträgliche Änderung0000
 
Gesamtzahl der Erstanträge437448484425
 
Formale Prüfungen1867101
 

Berufsrechtliche Beratung

Die Ethik-Kommission (EK) der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) berät Kammermitglieder nach § 15 Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (BO) vor der Durchführung biomedizinischer Forschung am Menschen über die mit ihrem Vorhaben verbundenen berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen. Grundlage für die ethische Beratung sind insbesondere die ethischen Grundsätze medizinischer Forschung nach der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes. Nicht beratungspflichtig sind ausschließlich retrospektive epidemiologische Forschungsvorhaben.

Im Vordergrund der Beratung stehen

  • die Freiwilligkeit der Entscheidung zur Versuchsteilnahme nach Aufklärung (informed consent),
  • das Überwiegen des Nutzens gegenüber einem potenziellen Schaden,
  • die angemessene Auswahl der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer und
  • der Schutz vulnerabler Gruppen.

Datenschutzrechtliche Belange der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind ebenso zu beachten wie Interessenlagen forschender Ärztinnen und Ärzte. Auf Basis wissenschaftlicher Leitlinien prüft die EK, ob der Studienplan definierten wissenschaftlichen Kriterien genügt.

Bei Beratungen der Kommission nach der Berufsordnung können Ärztinnen und Ärzte auch bei einer ablehnenden Entscheidung der Kommission mit der Studie beginnen – im Gegensatz zu klinischen Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) sowie dem Medizinproduktegesetz (MPG). Der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (AKEK) hat mit einer Testphase zur Harmonisierung der Beratung multizentrischer Studien begonnen, die weder dem AMG noch dem MPG unterliegen. Die EK der ÄkNo nimmt an diesem koordinierten Verfahren bei multizentrischen Prüfungen teil.

Klinische Prüfungen gemäß Arzneimittelgesetz

Der Sponsor darf mit einer klinischen Studie nach dem AMG erst beginnen, wenn die zuständige EK diese zustimmend bewertet und die zuständige Bundesoberbehörde (BOB) diese genehmigt hat. Bei multizentrischen klinischen Prüfungen, die zugleich in mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt werden (multinationale multizentrische klinische Prüfung), muss jeder betroffene Mitgliedsstaat jeweils eine einzige Stellungnahme abgeben. Diese Vorgabe wird in Deutschland durch die Stellungnahme der federführenden EK erfüllt.

Die EU-Verordnung 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln gilt seit dem 1. Februar 2022. Mit der neuen Verordnung wurden die Rechtsvorschriften für die Durchführung klinischer Prüfungen sowie Bewertungs- und Überwachungsverfahren in der gesamten Europäischen Union (EU) harmonisiert. Insbesondere das Genehmigungsverfahren von multinationalen klinischen Prüfungen ist wesentlich geändert worden. Durch ein einziges Antrags- und Zulassungsverfahren und eine parallele Bewertung durch alle betroffenen Mitgliedstaaten mit der Einbeziehung nationaler EKen ist das Verfahren – aus der Sicht des Antragsstellers – vereinfacht und beschleunigt geworden. Die gesamte Kommunikation zwischen Antragstellern und Behörden sowie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten erfolgt elektronisch über das EU-Portal CTIS. Für die interne Kommunikation mit den Bundesbehörden ist eine weitere Datenbank, das PANDA (parallele nationale Datenbank) entwickelt worden.

Der Aufwand der täglichen Arbeit in der Geschäftsstelle der EK hat sich durch das neue Verfahren erhöht: Die neue Verordnung geht mit einem erhöhten Kommunikationsbedarf einher, Abstimmungen mit den teilnehmenden Bundesbehörden und Rücksprachen mit den Kommissionsmitgliedern. Das Verfahren ist komplizierter geworden. Es gibt viele interne Fristen, die in den beiden Datenbanken verfolgt werden müssen. Die Eintragungen in der CTIS Datenbank, die gesamte Kommunikation sowie die Bewertungsberichte der EK erfolgen auf Englisch.

Die EU-Verordnung 536/2014 löst unmittelbar die vorherige EU-Richtlinie über klinische Studien (EG) Nr. 2001/20/EG ab. Für einen Zeitraum von drei Jahren gelten allerdings  Übergangsvorschriften für die Beantragung und Durchführung von klinischen Prüfungen. Vom 31. Januar 2022 bis zum 31. Januar 2023 können Sponsoren von klinischen Prüfungen ihre Anträge auf Genehmigung gemäß dem Arzneimittelgesetz über nationale Einreichungsverfahren oder gemäß der Verordnung über klinische Prüfungen über das CTIS einreichen. Ab dem 31. Januar 2023 müssen alle Anträge auf neue klinische Prüfungen in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gemäß der Verordnung über klinische Prüfungen über das CTIS eingereicht werden. Bis zum 31. Januar 2025 müssen Studien, die nach dem AMG bereits genehmigt und noch durchgeführt werden, in die Verordnung über klinische Prüfungen und in die CTIS übertragen werden.

Bis Anfang Juni 2022 haben die Sponsoren nur eine sehr begrenzte Anzahl von Neuanträgen (circa 30 für Deutschland) über die elektronische Datenbank (CTR) eingereicht. Die EK der ÄkNo war einmal als beteiligte Kommission zuständig. Es war eine multinationale Studie. Berichterstattender Mitgliedstaat im Verfahren war Österreich. Der Antrag wurde Ende Juni 2022 von allen teilnehmenden Mitgliedstaaten bis auf Spanien genehmigt. In Spanien wurde der Antrag während des Verfahrens zurückgezogen.

Klinische Prüfungen mit Medizinprodukten

Der Sponsor darf mit einer klinischen Prüfung mit Medizinprodukten erst beginnen, wenn die zuständige EK diese zustimmend bewertet und die zuständige BOB diese genehmigt hat oder eine Anzeige der klinischen Prüfung bei der BOB erfolgt ist. Im April 2017 hat das Europäische Parlament eine neue europäische Medizinprodukteverordnung verabschiedet (Medical Device Regulation, MDR). Die MDR ist am 26. Mai 2021 in Kraft getreten. Ergänzende Regelungen enthält das Medizinprodukterecht-DurchDurchführungsgesetz, das ebenfalls am 26. Mai 2021 in Kraft getreten ist. Für Leistungsstudien mit In-vitro-Diagnostika gilt seit dem 26. Mai 2022 die neue EU-Verordnung 2017/746. Zu dieser Verordnung finden sich ebenfalls ergänzende Regelungen im Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz.

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse oder Verdachtsfälle unerwarteter schwerwiegender Nebenwirkungen

Mit Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 ändert sich auch das Verfahren der Meldung von mutmaßlich unerwarteten schwerwiegenden Nebenwirkungen („suspected unexpected serious adverse reaction“, SUSAR) in den Arzneimittelstudien. Diese sind zukünftig durch den Sponsor direkt an die europäische EudraVigilance-Datenbank zu melden. Die zuständige EK muss nicht mehr unterrichtet werden. Die beteiligten Mitgliedstaaten sind angehalten, die eingehenden SUSAR-Meldungen sowie die jährlich einzureichenden Sicherheitsberichte in einem gemeinsamen Assessment zu bewerten. Dafür stellt ein für die Substanz festgelegter, sicherheitsbewertender Mitgliedsstaat (Safety Assessing Member State, SAMS) den anderen Mitgliedsstaaten einen Bericht zur Verfügung. In Deutschland wird die zuständige Ethik-Kommission in den Bewertungsprozess miteinbezogen.