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Zertifizierte Kasuistik "Marathonläufer mit pathologischer Glukose-Toleranz und abnormer Nüchternglukose"

Weiterführende Informationen und Differentialdiagnostik zur Zertifizierten Kasuistik "Marathonläufer mit pathologischer Glukose-Toleranz und abnormer Nüchternglukose"

 

von Cornelia Jaursch-Hancke

Inhalt

Erläuterungen zur Kasuistik

LADA-Kriterien

Literaturverzeichnis


Erläuterungen zur Kasuistik

In der vorliegenden Kasuistik wurde die Diagnose eines Latent Autoimmune Diabetes in Adults (LADA) gestellt. Ein weiterer Hinweis für ein autoimmunologisches Geschehen war die Erhöhung der TPO-Antikörper bei normaler Schilddrüsenfunktion.

LADA-Kriterien

  1. Nachweis von diabetesspezifischen Antikörpern.
  2. Primär nicht insulinpflichtig.
  3. Klinisch symptomarm, keine Ketoazidose.
  4. Auftreten im Erwachsenenalter.

Neben diesen Hauptkriterien ist bekannt, dass Patienten mit GAD-Autoantikörpern häufig auch Schilddrüsen- und Nebennieren-Antikörper aufweisen (6).

Epidemiologische Daten zeigen, dass 2-12 Prozent aller Diabetiker einem „Latent Autoimmune Diabetes in Adults (LADA) zuzuordnen sind (1, 2, 3). Es ist nicht klar, ob LADA eine späte Manifestation eines Typ 1-Diabetes darstellt oder ob es sich um ein eigenständiges Krankheitsbild handelt (4). Entsprechend den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft wird der LADA formal einem Typ 1 Diabetes zugeordnet.

Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft

LADA-Patienten weisen häufig Inselzell-Antikörper auf und/oder GAD-Antikörper wie bei der klassischen Form des Typ 1-Diabetes. Auch die HLA-Genetik ist ähnlich mit einem hohen Prozentsatz von HLA-DR3 und -DR4. Mit Typ 2-Diabetikern haben sie die Insulinresistenz gemeinsam (5).

Klinisch werden die Patienten meist zunächst als Typ 2-Diabetiker klassifiziert, da typische Symptome fehlen, die Diagnose im Erwachsenenalter gestellt wird und zunächst keine Insulinbehandlung notwendig ist.

LADA ist zu unterscheiden von MODY Diabetes (maturity-onset diabetes in the young), ein dominat vererbbarer Defekt der ß-Zell Funktion. Meistens sind mehrere Familienmitglieder betroffen, Antikörper sind nicht nachweisbar. Durch molekulagenetische Diagnostik können  verschiedene Mutationstypen nachgewiesen werden.

In der vorliegenden Kasuistik zeigten sich unter einer ausgewogenen Mischkost ohne diätetische Restriktionen in den folgenden Wochen ausnahmslos Normalwerte bei Selbstkontrollen. Der Patient wurde mit der Empfehlung, den Blutzucker gelegentlich zu kontrollieren, entlassen.

Er konnte wieder als Pilot im Langstreckenflug eingesetzt werden. Ein Jahr später im Januar 2008 bei der routinemäßigen Kontrolle lag der HbA1c-Wert bei 5,8 %, es fanden sich maximale Nüchternblutzuckerwerte bei Selbstkontrollen von 106 mg/dl.

Im November 2008 beobachtete der Patient selbst leicht ansteigende Blutzuckerwerte, der HbA1c-Wert hatte sich bei regelmäßigen fliegerärztlichen Kontrollen auf 6,7 % verschlechtert, die Blutzuckerwerte nüchtern lagen bei maximal 136 mg/dl.

Eingeleitet wurde jetzt eine Kombinationstherapie mit Sitagliptin und Metformin (Janumet 50/850) 1 Tablette zur Nacht.

Unmittelbar nach Beginn der Therapie fanden sich normale Blutzuckerwerte im Tagesprofil, maximale Nüchternblutzuckerwerte bis 88 mg/dl.

In welchem Ausmaß ein metabolisches Syndrom bei Patienten mit LADA und Typ 1-Diabetes im Vergleich zu klassischen Typ 2-Diabetikern auftritt, ist kürzlich publiziert worden (7). Untersucht wurden 1.247 Typ 2-Diabetiker ohne Nachweis von GAD-Antikörpern, 117 nicht insulinpflichtige Patienten mit Nachweis von GAD-Antikörpern (LADA) sowie 288 klassische Typ 1-Diabetiker. 88,8 % der Typ 2-Diabetiker wiesen ein metabolisches Syndrom auf, hingegen nur 41,9 % der LADA-Patienten und 31,9 % der Patienten mit klassischem Typ 1-Diabetes.

Zusammenfassend zeigte die Studie, dass die Prävalenz des metabolischen Syndroms bei Patienten mit Typ 2-Diabetes signifikant höher ist als bei Patienten mit Autoimmun-Diabetes; Patienten mit LADA aber häufiger ein metabolisches Syndrom aufweisen als Patienten mit klassischem Typ 1-Diabetes mellitus.

Ob eine frühzeitige Insulintherapie bei Patienten mit LADA Betazell-protektiv sein könnte, ist in kontrollierten Studien noch nicht untersucht. Aktuell ist deshalb jede Therapie gerechtfertigt, die zu einer normoglykämischen Blutzuckereinstellung führt. Der Zeitpunkt, wann Patienten mit LADA insulinpflichtig werden, ist individuell sehr unterschiedlich. Eine letztes Jahr publizierte Multicenter-Studie (8) konnte zeigen, dass in manchen Zentren der Zeitraum bis zur Insulintherapie zwischen 6,7 bis 25,5 Monaten lag (Median 16,15), in anderen Zentren zwischen 29,5 bis 61,8 Monate (Median 45,6).

Da orale Antidiabetika dieser Substanzklassen keine Hypoglykämien verursachen können, ist der Patient in der vorliegenden Kasuistik drei Jahre nach erstmaliger Feststellung einer Glukosurie weiter flugtauglich. Eine klinische Symptomatik bestand zu keinem Zeitpunkt, der Patient ist leistungsfähig und weiter sportlich aktiv.

In der Leitlinien der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG) vom 3. Mai 2004 (Ausschuss Soziales, Anhang 3, S. 106) wird zu beruflichen Einschränkungen, hinsichtlich Hypoglykämie wie folgt Stellung bezogen:

„Keine Hypogykämiegefährdung bei diätetisch eingestelltem Diabetes mellitus, auch mit oralen Antidiabetika ohne Hypoglykämiegefährdung (Alpha-Glucosidase Hemmer, Biguanide, Glitazon-Präparate)“.

Der geschilderte Patient hat Metformin( Biguanid) und Sitaglipin, ein Präparat, was in den Leitlinien von 2004 nicht aufgeführt ist, da es zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugelassen war. Es handelt sich um eine neue Substanzklasse, die ebenfalls keine Hypoglykämien verursacht.

Für die Berufsfähigkeit sind prinzipiell Hypoglykämien und Folgekrankheiten entscheidend. Beides entfällt für den vorgestellten Patienten.

Es ist bei dem hier vorgestellten Fall allerdings sehr wahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren eine Insulintherapie begonnen werden muss, was auch mit dem Patienten besprochen wurde. Bis dahin kann er aber weiter seinem Beruf als aktiver Pilot nachgehen, eine Ausbildung im Bereich Flugsicherheit wurde berufsbegleitend begonnen.

Literaturverzeichnis

  1. Turner R, Stratton I, Horton V, Manley S, Zimmet P, Mackay I, Shattock M, Bottazzo GF, Holman R, UKPDS 25: Autoantibodies to islet-cell cytoplasma and glutamic acid decarboxylase for prediction of insulin requirement in typ 2 diabetes. Lancet 350:1288-1293, 1997
  2. Bosi, E, Garancini MP, Poggiali F, Bonifacio E, Gallus G: Low prevalence of islet autommunity in adult diabetes and low predictive value of islet autoantibodies in the general adult population of northern italy. Diabetologia 42:840-844, 1999
  3. Pietropaolo M, Barinas-Mitchel E, Pietropaolo  SL, Kuller FL, Trucco M: Evidence of islet cell autoimmunity in elderly patients with type 2 Diabetes. Diabetes 49:32-38. 2000
  4. Tuomi R, Carlsson A, Li H, Isomaa B, Miettinen A, Nilsson A, Nissén M, Ehrnström BO, Forsén B, Snickars B, Lahti K, Forsblom C, Sarolanta C, Taskinen MR, Groop LC: Clinical and genetic characteristics of type 2 diabetes with and without GAD antibodies. Diabetes 48:150-157, 1999
  5. Carlsson A et al: J Clin Endocrinol Metab 85:76-80, 2000
  6. Gambelunghe, G, Forini F, Laureti S, Murdolo G, Toraldo G, Santeusanio F, Brunetti P, Sanjeevi CB, Falorni A: Increased risk for endocrine autoimmunity in Italian type 2 diabetic patients with GAD 65 autoantibodies. Clin Endocrinol 52:565-573, 2000
  7. Hawa, Mohammed I et al: Metabolic Syndrome and Autoimmune Diabetes: Action LADA 3. Diabetes Care, Volume 32(1), January 2009:160-164
  8. Brophy, Sinead et al: Diabetes Care, Volume 31(3): March 2008:439-441