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Gesundheits- und Sozialpolitik

Disease Management Programme – von Nordrhein lernen

20.03.2023 Seite 25
RAE Ausgabe 4/2023

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 4/2023

Seite 25

Wissenschaftlicher Besuch im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf: (v.l.) Dr. Carsten König, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVNO, Professor Dr. Sukil Kim, Arum Choi (beide Catholic University of Korea), Dr. Bernd Hagen (Zi). © Armbruster/KVNO
Nachdem bereits vor ein paar Jahren eine Delegation mit Vertreterinnen und Vertretern der südkoreanischen Gesundheitsbehörde im Haus der Ärzteschaft zu Gast war, um sich über das System der ambulanten Versorgung in Deutschland zu informieren, bekam die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) nun erneut Besuch aus Ostasien. 

von Thomas Lillig

Professor Dr. Sukil Kim von der Katholischen Universität Korea war direkt aus Seoul an den Rhein gereist und ließ sich im Gespräch mit dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der KVNO, Dr. Carsten König, und Dr. Bernd Hagen vom Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (Zi) aus erster Hand über Disease Management Programme (DMP) ins Bild setzen. 
Kim ist in Seoul Professor am College of Medicine und außerdem Vorsitzender der Korean Medical Association (KMA), einer führenden nationalen Ärztevereinigung in Südkorea. Darüber hinaus ist er wissenschaftliches Mitglied des Health Insurance Review & Assessment Service (HIRA), einer staatlichen Agentur in Südkorea, die für die Überwachung und Bewertung der Krankenversicherung und der Kosteneffizienz in der Gesundheitsversorgung zuständig ist. Die HIRA spielt in Südkorea eine wichtige Rolle bei der Umsetzung von DMPs.
Ähnlich wie in Deutschland gibt es Behandlungsprogramme für chronisch Kranke in Südkorea seit den frühen 2000er-Jahren, etwa zur Behandlung von Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs. Obwohl diese Programme dort eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Gesundheit und Lebensqualität von Menschen mit chronischen Erkrankungen spielen, gibt es auch einige Herausforderungen und Probleme, die sich im Laufe der Zeit ergeben haben. Einige DMPs erfordern zum Beispiel, dass die Teilnehmenden eine jährliche Teilnahmegebühr zahlen, was den Zugang insbesondere für Menschen mit begrenztem Einkommen einschränkt. Unterschiede zu den DMPs in Deutschland gibt es auch in Fragen der Evidenzbasierung, bei der Koordination und Qualitätssicherung. 

Weniger stationäre Behandlungen

KVNO-Vize König erläuterte anhand ausgewählter Programme das DMP-Verfahren in Deutschland – von den Teilnahmebedingungen über regelmäßige Kontrollen und Gesundheits-Checks, die intensive und strukturierte Kooperation zwischen Ärztinnen und Ärzten sowie Spezialistinnen und Spezialisten bis hin zur Dokumentation. Wie die DMP die Lebensqualität der teilnehmenden Patientinnen und Patienten über die Zeit verbessern konnten, stellte Bernd Hagen anhand von Evaluationsdaten vor. So sei etwa die stationäre Notfallbehandlung für DMP-Teilnehmende substanziell zurückgegangen – im DMP Diabetes Typ 2 sogar zu fast 100 Prozent. „Das sah zu Anfang des Programms noch ganz anders aus“, bemerkte König dazu. Die bisherigen Erfolge der DMP hätten außerdem auch einen deutlichen ökonomischen Effekt für das Gesundheitssystem, ergänzte Dr. Monika Mund von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die von Berlin aus zugeschaltet war. 
Allerdings, räumte Dr. Carsten König ein, gebe es auch in Deutschland nicht nur Licht, sondern auch Schattenseiten beim Thema DMP. So lägen derzeit mehrere bereits vorbereitete neue Programme auf Eis, weil es keine Finanzierung durch die Krankenkassen dafür gebe. Mit Blick auf die älter werdende Gesellschaft sei auch ein DMP für multimorbide Patientinnen und Patienten dringend nötig. 
Im Anschluss an den Austausch im Haus der Ärzteschaft besuchte Professor Sukil Kim noch zwei Hausarztpraxen, um sich darüber zu informieren, wie DMP vor Ort konkret gehandhabt werden. 

Thomas Lillig ist Redakteur im Bereich Kommunikation und Veranstaltung bei der KV Nordrhein.