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Thema - 127. Deutscher Ärztetag

Ärztetag in Nordrhein: Freiberuflichkeit als höchstes Gut

21.06.2023 Seite 16
RAE Ausgabe 7/2023

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 7/2023

Seite 16

Die Ärztekammer Nordrhein war Gastgeberin des 127. Deutschen Ärztetages. Im Herzen des Ruhrgebietes trafen die Delegierten der 17 Landesärztekammern zusammen, um im Schwerpunkt über Freiberuflichkeit, Gesundheitskompetenz, Klimaschutz und Digitalisierung zu diskutieren. Wie die nordrheinischen Delegierten den heimischen Ärztetag in Essen ganz persönlich erlebt haben, schilderten sie dem Rheinischen Ärzteblatt.
 

Unsere nordrheinischen Delegierten waren ausgesprochen gut vorbereitet und haben eine sehr ökologische Diskussions-Kultur an den Tag gelegt: weniger Anträge, kurze Diskussionsbeiträge und keine Verwaltungsschleifen, die von unserer Kammer ausgelöst wurden. Mir persönlich waren in diesem Jahr zwei Themen sehr wichtig. Zum einen die Fachkräfteversorgung in Krankenhäusern und Arztpraxen – angesichts des anhaltenden Trends zu mehr Teilzeitarbeit werden wir sehr viel mehr Ärztinnen und Ärzte benötigen – und zum anderen die Anpassung der Gesellschaft, vor allem der vulnerablen Gruppen, an den Klimawandel. Das ist auch ein maßgebender Impuls, der von diesem Ärztetag ausgehen kann, nämlich dass Klimaschutz auch Sache der Ärzteschaft ist. 

Das Ruhrgebiet zeigte sich bei „unserem“ Deutschen Ärztetag in Essen von seiner besten Seite. Im Gedächtnis bleiben werden die mahnenden Erinnerungen an die NS-Zeit mit der bewegenden Verleihung der Paracelsus-Medaille an den Überlebenden der Shoah Dr. Leon Weintraub und die Ausstellung „Fegt alle hinweg“ in der alten Synagoge Essen.
Von zentraler Bedeutung für unseren Berufsstand bleibt die Verabschiedung der „Essener Resolution für Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession“ nach dem herausragenden Vortrag des Verfassungsrichters Peter Müller. Ich freue mich zudem, auf kommenden Ärztetagen weiterhin Herausforderungen wie Digitalisierung, Klimaschutz und Entstaubung der Selbstverwaltung anzupacken. „Einfach machen“ ist hier die Devise! 

Beeindruckt hat mich das Statement von Peter Müller, Richter am Bundesverfassungsgericht, über die grundsätzliche Bedeutung der Freiberuflichkeit der Ärzteschaft als elementare Säule der demokratischen Kultur. Die Freiberuflichkeit bedeutet Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl. So sind Ärzte und Ärztinnen verpflichtet, für und mit ihren Patienten den besten Weg zu finden, ohne dem Einfluss von politischen oder ökonomischen Interessen zu unterliegen. So forderte uns Peter Müller auf, die Freiberuflichkeit und die Demokratie nicht als Selbstverständlichkeit zu begreifen, sondern sie aktiver zu leben.

Dazu gehört zwingend auch die Pflege der Debattenkultur in den Parlamenten – ob im Bund, im Land oder auf dem Ärztetag – mit einem verpflichtenden Diskurs in einer Pro- und Contra-Debatte und dem Ziel, einen gemeinsamen Konsens zu finden. Lob hat hier das demokratische Verfahren mit allen Beteiligten in der Krankenhausplanung NRW gefunden. Gerügt wurde die fehlende Debattenkultur mit allen Beteiligten auf Bundesebene unter dem Druck des Reformstaus in Berlin.

Demokratie braucht die Streitkultur, respektvoll und wertschätzend, der Sache dienend, um einen Konsens zu finden. Lasst uns wieder den Diskurs wagen, lasst uns wieder streiten.
 

Als Essener und Mitglied des Ausschusses zur Vorbereitung des Ärztetages bleiben mir die überraschten Gesichter und die positiven Berichte meiner Kolleginnen und Kollegen über die grüne Stadt Essen mit ihrer besonderen Vielfalt in Erinnerung. Insgesamt wurde der Ärztetag durch Themen geprägt, die tatsächlich primär die Ärzteschaft angingen, was nach den Veränderungen durch die Pandemie sicherlich erforderlich, aber medial nicht unbedingt öffentlichkeitswirksam war.
 
Weniger positiv bleiben mir die Akustik und die digitale Abstimmung in Erinnerung, die noch nicht den Ansprüchen der Delegierten genügte. Dass die Herausforderung der Gesundheitsbildung erst jetzt in der Politik angekommen ist, macht mich einerseits hoffnungsvoll, sollte aber dauerhaft verfolgt werden. Dieses Vermächtnis habe ich bei Ministerin Feller vermisst. Als herausragenden Beitrag habe ich den Vortrag von Peter Müller, als einem der höchsten Verfassungsrichter empfunden. Die verständliche Sprache und das ebenso eindrückliche Statement zur Freiberuflichkeit und Verantwortung ärztlichen Handelns leistet einen wichtigen Beitrag zu meinem persönlichen Handeln.
 

Besonders in Erinnerung bleibt mir der Vortrag des Verfassungsrichters Peter Müller über die zum Gemeinwohl verpflichtete freiberufliche ärztliche Tätigkeit und seine Hervorhebung der fachlichen Weisungsunabhängigkeit, die es gerade bei fortschreitender Kommerzialisierung durch die verfasste Ärzteschaft zu verteidigen gilt. Die einzige Zukunftschance der Ärzteschaft als freier Beruf liegt in der konstruktiven Zusammenarbeit über alle Fachgruppen- und Sektorengrenzen hinweg.

Außerdem hat mich die Verleihung der Paracelsus-Medaille an Dr. Leon Weintraub, jüdischer Arzt und Holocaust-Überlebender, sehr berührt. Wichtige Themen waren für mich auch Klimaschutz, Masterplan Medizinstudium, die zukünftige Sicherstellung der Versorgung sowie die Forderung, die sektorenübergreifende und kompetente Expertise der Ärztekammern in allen beratenden politischen Gremien einbringen zu können, verbunden mit dem Anspruch auf Sitz und Stimmrecht im G-BA. Auch die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung als ärztliche Aufgabe fand ich unerlässlich. Ein Problem, das mich beschäftigt, aber noch nicht gelöst wurde: die Reform der Gebührenordnung für Ärzte. Mein besonderer Dank gilt dem Organisations-Team „meiner“ Ärztekammer für die Abwicklung dieser Großveranstaltung und die unermüdliche, geduldige, hilfsbereite und freundliche Unterstützung der Delegierten!
 

Der Deutsche Ärztetag in Essen, von der Ärztekammer Nordrhein ausgerichtet, wird mir in sehr positiver Erinnerung bleiben. Sehr beeindruckt hat mich der Vortrag des ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten und jetzigen Richters am Bundesverfassungsgericht, Peter Müller, zur ärztlichen Freiberuflichkeit. In Abgrenzung zu einer gewerblichen Tätigkeit hob er die besondere Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient hervor, die über dem Streben nach Renditeerhöhung und Gewinnmaximierung stehen müsse. Für den ärztlichen Bereich stehe dabei im Zentrum die Therapiefreiheit als das Recht, eigenverantwortlich und weisungsunabhängig nach den Regeln der ärztlichen Kunst über die jeweils einzusetzende Behandlungsmethode zu entscheiden, unabhängig davon, ob nun in selbstständiger vertragsärztlicher Tätigkeit oder als angestellter Arzt oder Ärztin im ambulanten Bereich oder im Krankenhaus.
 
Der Austausch, vor allem mit den nordrheinischen Delegierten, aber auch mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Landesärztekammern hat meinen Horizont erweitert und auch das Rahmenprogramm bot hierzu vielfältige Möglichkeiten, sei es beim Empfang des Präsidenten in der Villa Hügel, dem traditionellen Nordrheinischen Abend oder am anregenden Gesellschaftsabend. Allen an der Organisation Beteiligten gebührt mein herzlicher Dank für die geleistete Arbeit. 

Vom diesjährigen Ärztetag bleibt mir in jedem Fall die Wahl des Bundesärztekammerpräsidenten mit dem für mich sehr positiven Ausgang in Erinnerung. Mir persönlich lagen die Themen der ärztlichen Weiterbildung am Herzen, ich hatte dazu selbst Anträge vorbereitet und habe natürlich auch auf dem Podium dazu gesprochen.

Immens wichtig war auch die Essener Resolution, die den Begriff der Freiberuflichkeit in den Vordergrund stellt – denn genau darüber definiert sich unser Beruf, das ist eigentlich unsere DNA. Ich finde es sehr schön, dass wir diese Position mit einer so großen Mehrheit nach außen tragen. Ich denke, die Ärzteschaft hat damit ein deutliches Zeichen gesetzt und ihre Interessen sorgfältig formuliert.
 

Die Eröffnungsfeier in der Philharmonie – mit der atemberaubenden Akustik und der ergreifenden Verleihung der Paracelsus-Medaille an Dr. Leon Weintraub hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen und den Deutschen Ärztetag in Essen wunderbar eingeleitet. Der tolle Vortrag des Verfassungsrichters Peter Müller zur Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession hat mich emotional sehr bewegt und scheint mir abschließend auch die bedeutungsvollste Aussage unseres Ärztetages zu sein. Es zeigt sich, dass ein effizientes Gesundheitswesen Grundlage für den inneren und äußeren Frieden eines Landes ist. Dieser Themenschwerpunkt wird mich auch weiter beschäftigen, weil hierzu viele neue Aspekte für mich aufgetreten sind. Es geht eben nicht nur um die Freiberuflichkeit in eigener Praxis, sondern die Freiheit in unserem Beruf. Das betrifft jede Ärztin und jeden Arzt persönlich!

Im Grunde gibt es kein Thema, das mich nicht interessiert und für meine Arbeit keine entsprechende Wichtigkeit hat. Da ich mich auf Kreisstellenebene und auch in der Hauptstelle schon länger mit dem Thema Klimaschutz auseinandersetze, lag mir dieser diesjährige Schwerpunkt besonders am Herzen. Ich hoffe, wir haben nach außen durchweg positive Signale senden können, dass die Bevölkerung sieht, dass wir uns intensiv mit ihren Belangen beschäftigen und uns kümmern. Einen einzigen Punkt würde ich ändern: Ein digitales Abstimmungstool für die Präsidentenwahl wäre von Vorteil – ohne war es leider sehr langatmig.