Vorlesen

Mail aus Düsseldorf

21.06.2023 Seite 10
RAE Ausgabe 7/2023

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 7/2023

Seite 10

Elif Beyza Saritas © privat

Fünf Jahre Medizinstudium liest sich zwar leicht, erlebt sich manchmal aber nicht so einfach. Ich erinnere mich noch wie gestern an den Tag meines Abiballs: Es war ein glühend heißer Sommertag, der einem die Luft zum Atmen raubte. Zusammen mit den roten Luftballons, die wir am Ende meiner Abifeier fliegen ließen, verflogen auch meine Sorgen hinsichtlich meiner Zulassung zum Medizinstudium. Ich hatte es geschafft: Schwarz auf weiß hielt ich mein Abizeugnis in der Hand, den Beweis dafür, dass sich die Mühen der letzten Jahre ausgezahlt hatten. Was soll jetzt noch passieren, dachte ich – auch das Studium würde ich irgendwie bewältigen.

Schon wenige Monate später begann ich mit dem Medizinstudium, das einer wilden Achterbahnfahrt glich. Momenten des Erfolges folgten Momente der Verzweiflung: „Wie soll ich das alles jemals bewältigen?“, das habe ich mich insbesondere anfangs nicht nur einmal gefragt, denn das Lernpensum des Studiums war ich so nicht gewohnt. Und doch hat es irgendwie geklappt, wobei man sagen muss, dass rückblickend immer alles einfacher wirkt, als es sich zum entsprechenden Zeitpunkt angefühlt hat. Ich habe mit der Zeit gelernt, mich besser zu organisieren und effektiver zu lernen. Würde ich das Ganze noch einmal auf mich nehmen? Definitiv ja, denn nach wie vor schätze ich den Arztberuf in all seinen Facetten sehr, trotz der aktuell teils prekären Lage im Gesundheitssektor.

Zwischen drei Monaten Pflegepraktikum, drei Jahren Vorklinik, vier Monaten Famulatur, einem nervenaufreibenden Physikum und zwei Jahren Klinik vergingen fünf ganze Jahre Medizinstudium wie ein Wimpernschlag. Es ist wirklich nicht einfach, diese Zeit in einigen Worten zusammenzufassen. Das erste Mal einen Formalinfixierten Körper anfassen, herausfinden, dass die tanzenden Augen eines jeden Zugpassagiers beim Blick aus dem Fenster ein Nystagmus sind, lernen, dass im deutschsprachigen Raum etwa jede zehnte Frau an einem Mamma-Karzinom erkrankt. Das Medizinstudium hat mich einiges gelehrt, nicht nur wissenstechnisch, sondern auch, über mich und über meine Grenzen hinaus zu wachsen. Aktuell befinde ich mich im zehnten Semester und damit in der Vorbereitungszeit für den zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung im Oktober. Stichwort Hundert-Tage-Lernplan. Am Ende dieses Lernplans warten drei Tage mit insgesamt 320 Fragen auf mich, die prüfen sollen, ob ich bereit für das Praktische Jahr bin. Trotz der Anspannung und des Stresses freue ich mich bereits jetzt auf das Praktische Jahr im Krankenhaus, in der Hoffnung, dass die Praxis endlich die Theorie überwiegt und das bisher Gelernte hoffentlich – natürlich unter Welpenschutz – angewandt werden kann. Bis dahin heißt es aber erstmal „Auf Wiedersehen Uni!“
Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin? Schreibt mir an medizinstudium(at)aekno.de.


Elif Beyza Saritas