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Bericht zur Lage bei der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein am 21. November 2015 in Düsseldorf


Aktuelle Themen der Berufs- und Gesundheitspolitik

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben vorhin innegehalten und unser Mitempfinden für die Opfer von Terror, Krieg und Gewalt zum Ausdruck gebracht. Uns alle treibt natürlich auch die Frage um, was wir als Ärzte und Ärztinnen tun können, um zu helfen. Meine besondere Hochachtung genießen all diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die das ganz unmittelbar in krisengeschüttelten Regionen tun. Sie nehmen oftmals hohe persönliche Risiken in Kauf, um Leben zu retten und Leiden zu lindern.

Einer dieser Kollegen ist Dr. Peter Kaup, der uns hier im März mit seinem Bericht über sein Engagement für ISAR Germany beeindruckt hat. Die Kolleginnen und Kollegen von „Ärzte ohne Grenzen“ haben für ihre bahnbrechende humanitäre Arbeit auf mehreren Kontinenten den Friedensnobelpreis erhalten. Alle Opfer von Katastrophen, seien sie politischen, gewaltsamen oder natürlichen Ursprungs, haben ein Recht auf professionelle Hilfe. Nationale Grenzen oder politische Interessen, auch Machtinteressen dürfen keine Auswirkungen darauf haben, wer humanitäre Hilfe erhält und wer nicht. Das ist die Idee von „Ärzte ohne Grenzen“ und das ist auch unser aller Grundüberzeugung, weil ärztliche Haltung in reiner Form.

Deshalb waren wir entsetzt über die Nachricht, dass ein US-Luftangriff in der Nacht zum 3. Oktober ein Krankenhaus von „Ärzte ohne Grenzen“ im afghanischen Kundus getroffen hat. Mindestens 30 Menschen starben, darunter 13 Mitarbeiter von „Ärzte ohne Grenzen“ und 10 Patienten. In den Berichten von „Ärzte ohne Grenzen“ kann man nachlesen, dass Menschen in ihren Betten verbrannten, dass medizinische Mitarbeiter enthauptet wurden oder Gliedmaßen verloren. Wie das zustande kam, ist bis heute unklar. Der Präsident der USA hat sich in einem Telefonat bei „Ärzte ohne Grenzen“ persönlich entschuldigt. Aber was ändert das? Das Krankenhaus ist geschlossen.

Leider handelt es sich nicht um einen Einzelfall. „Ärzte ohne Grenzen“ berichtet auch von einer signifikanten Zunahme der Angriffe auf Krankenhäuser im Norden Syriens seit Ende September. Auch hier sind mindestens 35 Todesopfer zu beklagen, sechs Krankenhäuser mussten schließen.

Am 26. Oktober zerstörte ein Luftangriff der von Saudi-Arabien geführten Militärallianz ein von „Ärzte ohne Grenzen“ unterstütztes Krankenhaus in Haydan im Nordjemen völlig. Glücklicherweise gab es dort keine Opfer, medizinisches Personal und Patienten konnten rechtzeitig fliehen. Das Krankenhaus in Haydan war aber das einzige noch funktionierende in der Region. Nach Angaben von „Ärzte ohne Grenzen“ sind in einem der schlimmsten Kriegsgebiete der Welt nun mindestens 200.000 Menschen ohne lebenswichtige medizinische Hilfe.

Im Camp Liberty bei Bagdad, in dem rund 2.500 politische Flüchtlinge aus dem Iran leben, ereignete sich ebenfalls eine humanitäre Katastrophe. Mit anderen zusammen hat die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth darauf aufmerksam gemacht, in welcher Situation sich die Exiliraner befinden, die in Opposition zum islamischen Mullahsystem im Iran stehen. Die irakische Regierung trägt für sie, die in einem früheren US-Militärcamp interniert sind, Verantwortung. Die irakische Regierung hat die US-Regierung als Garant abgelöst. Aber, wie wir hören, finden dort Anschläge und Repressalien statt, und zwar wiederholt. Zuletzt ist dieses Lager bombardiert worden. Offenbar gibt es eine Versorgungsblockade. Die Menschen dort haben kaum Zugang zu Lebensmitteln, zu Brennstoffen und vor allen Dingen zu medizinischer Versorgung.

Der Weltärztebund und die Bundesärztekammer verurteilen schwerste Menschenrechtsverletzungen dieser Art in aller Schärfe. Wir haben, weil das zum Zeitpunkt der letzten Tagung des Weltärztebunds in Moskau bekannt war, konkret zu dem Angriff auf Kundus Stellung genommen. Aber der Weltärztebund verurteilt Menschenrechtsverletzungen dieser Art in jedem Fall. Ich denke, dem sollten wir uns hier in dieser Kammerversammlung anschließen. Wir haben eben unserer eigenen Verstorbenen und der Opfer von Gewalt und Terror aus den letzten Tagen gedacht. Aber das Thema Angriffe auf Krankenhäuser, Angriffe auf gesundheitliche Versorgungseinrichtungen ist noch einmal etwas anderes, weil es der letzte Rest an verbliebener Humanität ist, auch in Konfliktgebieten, auch in Kriegsgebieten Schutz für diejenigen zu haben, die - ob Kombattant oder nicht, ob Zivilist, aus welchen Gründen auch immer die Menschen verletzt sind - Hilfe benötigen.

Das muss überall in der Welt gelten. Das muss für jede Gesundheitseinrichtung gelten. Es ist nicht irgendein ärztlicher, ein professioneller Egoismus, wenn wir darauf aufmerksam machen, sondern es ist ein Anliegen, wie es auch in den Genfer Konventionen festgelegt ist, als deren Kontrollorgan das Internationale Komitee vom Roten Kreuz fungiert. Ich glaube, dass es gut ist, daran zu erinnern.

Der Weltärztebund appelliert an alle Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen, ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen sowie Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung zu gewährleisten. Damit bin ich bei der medizinischen Versorgung von Menschen, die vor Gewalt zu uns fliehen, um hier Zuflucht zu suchen.

Sicherlich sind unsere heimischen Probleme unvergleichlich kleiner als die in den Krisenregionen der Welt. Dennoch bedarf es angesichts der Vielzahl von Menschen, die bei uns in Nordrhein-Westfalen Schutz suchen, riesiger Anstrengungen. Die Landesregierung hat mitgeteilt, dass in diesem Jahr bisher schon mehr als 200.000 Menschen nach Nordrhein-Westfalen gekommen sind und um Asyl ersuchen. Aktuell sind es laut Bezirksregierung Arnsberg wöchentlich ca. 16.000, teils bis zu 19.000.

Wenn ich mir anschaue, welches Engagement die Kolleginnen und Kollegen in den Städten und Kreisen für diese Menschen an den Tag legen, so will ich dafür heute und ganz bewusst auch im Namen der Kammerversammlung ein herzliches Dankeschön sagen!

Für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich hier anschließen und mithelfen wollen, halten wir auf unserer Homepage eine Liste von Ansprechpartnern in allen Städten und Kreisen unseres Kammerbezirks bereit. Als Ärztinnen und Ärzte helfen wir, Gesundheit zu erhalten und wiederherzustellen, wo auch immer diese Hilfe gebraucht wird und wer auch immer sie benötigt. Wir haben bereits manches geleistet, um dem humanitären Anspruch gerecht zu werden. Natürlich läuft derzeit organisatorisch vieles noch keineswegs rund.

Neben der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und in internationalen Krisen war das wichtigste Thema unserer Kammerversammlung im März der ambulante ärztliche Notdienst bei uns in Nordrhein. Wir sind seinerzeit zu dem Ergebnis gekommen, dass wir das im Februar von der KV-Vertreterversammlung beschlossene Reformkonzept so nicht mittragen wollten. Heute kann ich Ihnen berichten, dass unser Beschluss eine ganze Reihe von konstruktiven Gesprächen nach sich gezogen hat, die zu guten Ergebnissen geführt haben.

Zum einen hat die Kassenärztliche Vereinigung klargestellt, dass auch sie zu der über Jahrzehnte bewährten gemeinsamen Verantwortung für die Organisation des Notdienstes steht. Diesbezügliche Zweifel, die der Beschluss der Vertreterversammlung in unseren Reihen ausgelöst hatte, müssten damit ausgeräumt sein.

Ich weiß, dass es in der Bundesrepublik Deutschland in unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Usancen gibt. Es gibt durchaus Bundesländer und KV-Regionen, in denen die KV den ärztlichen Notdienst nur für die Mitglieder der jeweiligen KV einteilt und organisiert. Das haben wir hier immer anders gehalten, weil wir bewusst der Auffassung waren, dass es notwendig ist, diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die nicht zur KV gehören, aber in der ambulanten Versorgung tätig sind, also die sogenannten Privatärztinnen und Privatärzte, auch in den Notdienst einzubeziehen. Ich glaube, dass das vernünftig und klug ist.

Wir haben aber auch dazu beigetragen, ein bisschen mehr Ruhe in die Debatte in der Öffentlichkeit und in der Kommunalpolitik zu bringen. Es gab vielerorts die Befürchtung, die Notfallversorgung der Bevölkerung könnte leiden. Gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung haben wir im Mai die nordrheinischen Bürgermeister und Landräte in dieses Haus, in diesen Raum eingeladen. Das Interesse an diesem Informationsgespräch war riesig. Manches Missverständnis konnte aus der Welt geschafft werden, manche Sorge konnte gedämpft werden.

Dann haben wir mit der Kassenärztlichen Vereinigung intensive Gespräche über die Frage geführt, wie es denn nun weitergehen soll. Ganz wesentlich ging es darum, wie die Kooperation zwischen dem ambulanten Notdienst, den Notfallambulanzen der Krankenhäuser und dem Rettungsdienst verbessert werden kann. Denn schließlich muss jedes Reformkonzept, das wirklich zielführend sein will, die Wechselwirkung zwischen diesen drei Systemen berücksichtigen.

Im Juni hat die KV-Vertreterversammlung beschlossen, ihr Modell zu modifizieren und im allgemeinen Notfalldienst eine Kooperation mit den Krankenhäusern anzustreben. Das hat den Weg geebnet für die Änderung der Gemeinsamen Notfalldienstordnung, die Ihnen heute vorliegt.

Sie sieht ausdrücklich vor, dass der ärztliche Notdienst auch durch Kooperation und eine organisatorische Verknüpfung mit zugelassenen Krankenhäusern sichergestellt werden kann. Bei der jüngsten Vertreterversammlung der KV am vorigen Mittwoch hat der Vorstandsvorsitzende Dr. Potthoff gesagt, dass die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen im Modellbezirk Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen ihren allgemeinen ärztlichen Notdienst künftig in und mit Kliniken leisten werden. Der eingeschlagene Weg ist auch gut vereinbar mit den Kooperationsverpflichtungen, bei denen es sich übrigens um Sollregelungen handelt, die viel Spielraum für regionale Pläne lassen.

Ich danke allen, die an der neuen, mit der KV abgestimmten Notfalldienstordnung mitgewirkt haben. Bei uns waren das neben Professor Bernd Bertram auch Anja Mitrenga-Theusinger als Vorsitzende der Krankenhauskommission, Christian Köhne und Oliver Funken als Vorsitzende des Ausschusses Qualitätssicherung und Sven Dreyer als Vorsitzender des Ausschusses Rettungsdienst. Ihnen allen gilt ein besonderer Dank. Mein ganz besonderer Dank aber gilt Carsten König als dem Vorsitzenden unseres Ausschusses Ärztlicher Notfalldienst, der Ihnen heute die vom Vorstand einstimmig beschlossene Änderung der Gemeinsamen Notfalldienstordnung unter Tagesordnungspunkt 2 im Einzelnen erläutern wird. Auch für seine Mühe herzlichen Dank.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Über Gebühr zerstritten“, so lautete in den vergangenen Tagen eine Überschrift der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Ich darf aus dem Beginn des Artikels zitieren:

Als hätten die Ärzte in diesem Jahr nicht schon genug politisches Porzellan zerschlagen mit dem quälenden Führungs- und Richtungsstreit im Lager der Kassenärzte. Jetzt setzten sie noch eins drauf. Der … Entwurf einer neuen Gebührenordnung für Ärzte ist unversehens zu einem innerärztlichen Streitobjekt geworden.

Wir geben da, wie der Artikel zeigt, kein gutes Bild nach außen ab. Ich möchte heute darum bitten, dass keiner unter uns einen Beitrag dazu leistet, diese Situation noch schlimmer zu machen.

Es gibt berechtigte Sorgen, es gibt viele offene Fragen. Der Vorsitzende des Ausschusses Gebührenordnung der Bundesärztekammer hat die ärztlichen Berufsverbände und die wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften sowie die Vorstandsmitglieder der Akademien der Bundesärztekammer für kommenden Dienstag zu einem Gespräch nach Berlin eingeladen.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hat zwar mehrfach versichert, dass er sich für eine neue GOÄ einsetzt. Sie erinnern sich an den Ärztetag 2014 hier in Düsseldorf. Damals hat uns der Minister gesagt, er wolle noch in dieser Legislaturperiode eine Gebührenordnung für Ärzte in der neuen Fassung beschlossen sehen. Er hat dies aber an das Einvernehmen von Bundesärztekammer, PKV und Beihilfe gebunden.

Jeder muss wissen, dass er es ist, der die Gebührenordnung für Ärzte als Rechtsverordnung der Bundesregierung in Kraft setzt oder nicht in Kraft setzt. Das kann er nicht ganz allein, sondern er braucht dafür die Zustimmung des Bundesrats. Bekanntlich sind die Länder wegen der Kosten für die Beihilfe in einer besonderen Situation, weil sie die Kosten für die Beihilfe aus ihren Haushalten aufbringen müssen. Daher ist die Zustimmung des Bundesrats eine weitere hohe Hürde.

Wenn wir mit diesen Hürden klarkommen wollen, müssen wir uns als Ärzteschaft verbindlich und einheitlich verhalten. Das schließt einen internen Streit um den richtigen Weg in keiner Weise aus. Aber wenn wir uns schon untereinander über Gebühr zerstreiten und das womöglich auch noch öffentlich zelebrieren, dann haben wir keinerlei Erfolgschance.

Aber wir brauchen eine moderne und funktionierende Gebührentaxe, denn sie ist für den freien Arztberuf von ebenso großer Bedeutung wie für eine gute Medizin in Deutschland. Die heute gültige Gebührenordnung für Ärzte wurde seit über 30 Jahren nicht aktualisiert. Sie ist von Tag zu Tag weniger geeignet, die Vergütung zwischen Arzt und Patient angemessen zu regeln. Das liegt vor allen Dingen an den zahllosen Analogbewertungen von Leistungen, die in den letzten Jahren hinzugetreten sind, die es damals nicht gab und die deswegen nicht im Leistungsverzeichnis der alten Gebührenordnung stehen. Viele dieser Analogbewertungen haben Unklarheit, Verunsicherung, Rechtsstreitigkeiten und damit Störungen im Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt herbeigeführt. Das zu beseitigen ist deswegen ein Weg, der den Sinn der Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte abbildet.

Der zweite Sinn muss darin bestehen, dass nicht wieder eine Situation eintreten kann wie die, dass 33 Jahre lang mit Ausnahme der Anpassung der DM-Werte an den Euro keine Überarbeitung im Lichte der Lebenshaltungskosten erfolgt. Deswegen ist es wichtig, dass man mit einer Neuregelung auch erreicht, dass kontinuierliche Fortschreibungen möglich sind, indem eine Angleichung an die Lebenshaltungskosten erfolgt.

Die Alternative dazu, dass der Minister die Gebührenordnung als Rechtsverordnung erlässt, ist nicht, dass wir sie erlassen. Es wäre natürlich eine besonders schöne Regelung, wenn man sagen würde: Wir ändern die Bundesärzteordnung in dem Sinne, dass der Bundesärztekammer die Aufgabe übertragen wird, die Gebührenordnung für Ärzte zu formulieren, die dann automatisch in Kraft gesetzt wird. Ich weiß nicht, wie der Minister dazu stünde, aber ich kann mir schon vorstellen, wie die Länder dazu stünden.

Wir werden eine Gebührenordnungsnovelle nur dann bekommen, wenn sie am Ende vom Minister und von den Bundesländern akzeptiert wird.

Wenn man die Verhandlungen, die Gespräche darüber scheitern lässt, kann es auch sein, dass die Gebührenordnung für Ärzte insgesamt scheitert. Das muss aber nicht bedeuten, dass der Weg, den wir da gehen, der Weg ist, den wir auf Dauer verbrieft haben. Sie erinnern sich vielleicht an die Zeit vor der letzten Bundestagswahl, dass wir geradezu einen Wettbewerb um die Frage hatten: Kann man nicht eine gemeinsame, eine einheitliche Gebührenordnung, die GOÄ und EBM in einer Gebührenordnung zusammengeführt, schaffen?

Diese Gedanken sind längst nicht von der Bildfläche verschwunden. Deswegen steht mit der weiteren Fortsetzung der Debatte über die GOÄ-Novelle noch viel auf dem Spiel. Mein Appell ist: Lassen Sie uns diese Diskussion nicht auf der Basis von irgendwelchen Fundstücken im Netz führen, sondern auf der Basis derjenigen Informationen, die die Bundesärztekammer am nächsten Dienstag geben wird. Noch am selben Abend wird sich unser Ausschuss Berufsordnung und allgemeine Rechtsfragen mit der Thematik beschaffen. Wir sollten hier möglichst viel dazu beitragen, dass dieser Weg so beschritten werden kann.

Meine Damen und Herren,

das sogenannte Versorgungsstärkungsgesetz ist inzwischen in Kraft. Es ist dabei geblieben, den Kassenärztlichen Vereinigungen Servicestellen aufzuerlegen wegen angeblich zu langer Wartezeiten auf Facharzttermine. Dabei schneidet Deutschland im internationalen Vergleich noch vor der Schweiz, den USA und Großbritannien bei den Wartezeiten am besten ab: 83 Prozent der Patienten warten kürzer als vier Wochen. Das gibt es sonst nirgendwo auf der Welt und lässt den Schluss zu, dass sich die Terminservicestellen zu einem Paradebeispiel für überflüssige Bürokratie entwickeln könnten. In das Gesetz wurde auf den letzten Drücker immerhin noch eine Evaluationsverpflichtung für die Terminstellen aufgenommen. Vielleicht bietet dies eines Tages die Gelegenheit zu einer neuen, sachlicheren Debatte.

Die Möglichkeiten zum Aufkauf von Vertragsarztsitzen in angeblich überversorgten Gebieten sind gegenüber den ursprünglichen Planungen deutlich reduziert: Der Versorgungsgrad, ab dem das greifen kann, wurde im Gesetz von 110 auf 140 Prozent angehoben.

Das dritte Element ist die verbesserte Förderung für Weiterbildungsplätze in der Allgemeinmedizin und in einigen Fachdisziplinen. Ich hätte Ihnen gerne schon jetzt über die Einigung zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und Deutscher Krankenhausgesellschaft berichtet. An sich war bereits im Oktober die Frist abgelaufen, bis zu der die entsprechende Gestaltung durch die drei Organisationen im Benehmen mit der Bundesärztekammer konsentiert sein sollte. Zu dieser Konsentierung ist es bislang nicht gekommen. Das ist deswegen bitter, weil natürlich die Verdoppelung der Zahl der bereitgestellten Plätze für die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin dem Bedarf entspricht. Deswegen hoffen wir, dass das nun zügig vorangeht.

Das Anfang des Monats verabschiedete Krankenhausstrukturgesetz hat das Parlament in einer gegenüber dem Regierungsentwurf stark veränderten und auch stark verbesserten Form verlassen. So bleibt der Versorgungszuschlag von 500 Millionen Euro, der an sich auslaufen sollte, über 2017 hinaus erhalten. In den Jahren 2016 bis 2018 stehen für ein Pflegestellen-Förderprogramm bis zu 660 Millionen Euro zur Verfügung, dann ab 2019 dauerhaft bis zu 330 Millionen Euro pro Jahr. Auch bei der Refinanzierung von Tarifsteigerungen gibt es einen deutlichen Fortschritt. Eine Angleichung der Landesbasisfallwerte wird in 2016 in vielen Bundesländern für Zuwächse sorgen. Alles in allem wird die Finanzierung der Betriebskosten verlässlicher.

Eine offene Wunde bleibt aber, nämlich die Investitionsfinanzierung. Es ist nicht gelungen, das chronische Investitionsversagen der Länder zu beseitigen. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe konnte den Status quo nicht überwinden. Deswegen werden auch künftig in Nordrhein-Westfalen Jahr für Jahr bis zu 700 Millionen Euro und bundesweit mindestens 3,3 Milliarden Euro für Krankenhausinvestitionen fehlen. Das geht zulasten der Patientenversorgung und des Personals. Deswegen sagen wir der Landesregierung immer wieder: Das kann so nicht bleiben.

Auf der einen Seite steckt man neues Geld in die Betriebskostenfinanzierung, auf der anderen Seite holt man sich die notwendigen Investitionsmittel genau aus der Einsparung bei den Betriebsmitteln. Da der größte Posten bei den Ausgaben im Krankenhaus die Personalkosten sind, trifft es in erster Linie die beiden größten Berufsgruppen, die Pflege und die Ärztinnen und Ärzte. Es trifft aber auch die anderen Berufsgruppen.

Diese Umwegfinanzierung ist im Grunde das Problem, das auch die Patientinnen und Patienten spüren. Es gab vor wenigen Tagen eine Umfrage unter den Mitgliedern des Marburger Bundes. Bei dieser Umfrage haben 67 Prozent der Kolleginnen und Kollegen gesagt, dass sie zu wenig Zeit für die Patienten haben. Ungefähr gleichzeitig hat es eine Umfrage der Bertelsmann Stiftung Weiße Liste gegeben, wonach zwei Drittel der Patientinnen und Patienten sagen, dass die Ärztinnen und Ärzte zu wenig Zeit für sie haben. Die Beurteilung ist also identisch.

Wenn man aber, statt in die Arbeitskraft von Personen zu investieren, in Dach und Fach und Geräte investieren muss, weil die Investitionslöcher riesig sind, dann ist dies die ursächliche Erklärung dafür. Deswegen können wir uns damit nicht zufriedengeben.

Durchwachsen ist das Gesetz auch in der Frage der Versorgungsqualität. Grundsätzlich ist es natürlich immer eine richtige Entwicklung, Qualität in den Mittelpunkt zu stellen. Grundsätzlich ist es gut, Maßnahmen zur Qualitätsorientierung vorzunehmen. Ich finde, wenn man neben der Wirtschaftlichkeit und neben der Hill-Burton-Formel die Qualität als eigenständiges Kriterium für die Landeskrankenhausplanung in den Katalog aufnimmt, ist das richtig.

Wir als Ärzteschaft haben das lange vorgemacht, bevor der Gesetzgeber diese Themen aufgegriffen hat. Deswegen beteiligen wir uns auch weiterhin aktiv daran.

Aber was gar nicht geht, ist - so finde ich -, diese Krankenhausvergütungen an die vermeintliche Qualität von Leistungen zu binden und Pay for Performance zu praktizieren. Das Gesetz sieht finanzielle Zuschläge für Leistungen vor, die in außerordentlich guter Qualität erbracht werden, und Abschläge bei schlechter Qualität. Mir muss jemand einmal erklären, wie es möglich sein soll, dass sich die Qualität verbessert, wenn man demjenigen, bei dem man mangelhafte Qualität beklagt, Mittel entzieht.

Ich komme aus der berühmten Fußballstadt Aachen. In der berühmten Fußballstadt Aachen gibt es - Herr Bertram weiß das - den berühmten Fußballverein Alemannia Aachen. Er spielte 2006/2007 in der ersten Bundesliga. Damals sagte man: Der alte Tivoli - das ist das Stadion - ist nicht mehr so einladend, nicht mehr so schön und hält der ersten Liga nicht stand, deswegen muss ein neues Stadion gebaut werden. Das ist dann auch geschehen. Das hat aber dazu geführt, dass der Verein Mittel aus allen Ecken und Enden zusammenkratzen musste, um dieses Stadion mitzufinanzieren. Das mündete in einem Mittelentzug für Investitionen ins Bauwerk statt Investitionen ins Personal. Man hatte nicht mehr das Geld, um die Mannschaft so zu finanzieren, wie es für die erste Bundesliga nötig gewesen wäre. Die Aachener sind ein wenig traurig und schämen sich ein bisschen, aber es hilft nichts: Die Alemannia spielt heute in der vierten Liga. Das kommt davon, wenn man in Steine statt in Beine investiert.

Warum das in einem Krankenhaus anders sein soll, muss mir einmal jemand erklären. Deswegen glaube ich, dass wir das Thema Pay for Performance an dieser Stelle als eine fixe Idee bezeichnen müssen, die bisher noch nirgendwo funktioniert hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben uns hier schon mehrfach mit dem Gesetz zur Tarifeinheit auseinandergesetzt. Wir wissen inzwischen, dass Ende 2016 eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorliegen wird. Das Bundesverfassungsgericht hat erklärt: Die Eilanträge befürworten wir jetzt nicht, aber wir sagen euch zu, dass wir bis Ende 2016 unsere Entscheidung treffen werden. Wir sehen zumindest Silberstreifen am Horizont, dass das vom Bundesgesetzgeber verabschiedete Gesetz wenig Wirkung erzielen wird.

Nach drei vergeblichen Anläufen in den vergangenen zehn Jahren hat der Bundestag im Juni das Präventionsgesetz verabschiedet. Es ist gelungen, Polarisierungen der Vergangenheit zu überwinden, nämlich den Streit, ob nun Verhaltensprävention, zum Beispiel durch ärztliche Kurzintervention, oder Verhältnisprävention in Lebenswelten wie Kindergarten, Schule oder Betrieb der richtige Weg ist. Wir brauchen beides.

Und das Gesetz führt beide Ansätze zusammen. Es eröffnet mehr Möglichkeiten, eine gesundheitsförderliche Gestaltung von Lebensbedingungen zu unterstützen. Ärztinnen und Ärzte können künftig bei jeder Untersuchung eine Präventionsempfehlung abgeben. Diese schriftliche Empfehlung ist eine Einschränkung des Ermessens der Krankenkassen bei ihren Präventionsbemühungen. Gestärkt werden auch die betriebliche Gesundheitsförderung und die präventionsorientierte Weiterentwicklung der Gesundheitsuntersuchungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Besonders erfreulich ist auch, dass die Impfraten gesteigert werden sollen. Wir erinnern uns ja noch allzu gut an die Masernepidemie in den ersten Monaten des Jahres und auch an die in diesem Zusammenhang bestehenden Bedrohungen von Gesundheit und Leben von Kindern.

Vor acht Tagen hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in erster Lesung beraten. Sie wissen: Es soll ein Straftatbestand der Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen eingeführt werden. Das ist kein speziell auf Ärzte gemünztes Gesetz. Die Regelungen beziehen alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen mit staatlich geregelter Ausbildung ein. Es ist nicht so, dass, wie eine Weile die Sorge war, nur ein bestimmter Teil der Professionen getroffen wird.

Die große Mehrheit derer, die sich korrekt verhalten, soll geschützt werden, auch vor Diffamierungskampagnen und Pauschalverurteilungen.

Es gab die Befürchtung, dass gesundheitspolitisch erwünschte Kooperationen in den Verdacht der Korruption geraten könnten. Inzwischen ist in der Begründung des Gesetzes klargestellt: Wer sich berufsrechtlich und sozialrechtlich korrekt verhält, wird nicht in Konflikt mit dem Strafrecht geraten.

Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags wird in der kommenden Woche sehr zu Recht eine Anhörung durchführen. Wir haben uns gestern in der Bundesärztekammer mit einer von der Rechtsabteilung und den Rechtsberatern ausgearbeiteten Stellungnahme zum Regierungsentwurf befasst. Einer unserer wesentlichen Kritikpunkte wird sein, ob das Tatbestandsmerkmal, wonach jemand seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletzt, wirklich eindeutig formuliert ist oder möglicherweise die berufsrechtlichen Pflichten von Beruf zu Beruf und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein können. Es wird auch die Frage des Kreises der Normadressaten zu stellen sein. Es werden Unstimmigkeiten, die durch die Wahl des Ortes im Gesetz auftreten, anzusprechen sein. Es wird auch die Rechtsunsicherheit im Hinblick auf erlaubte ärztliche Kooperationen noch einmal zu diskutieren sein.

Ein Punkt, von dem ich glaube, dass ihn bisher fast niemand auf dem Schirm hat, ist die Frage der vorgesehenen Strafverschärfung gemäß § 300 StGB-E. Dort ist für besonders schwere Fälle eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn sich die Tat auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezieht oder der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. Das gewerbsmäßige Handeln ist ein Punkt, bei dem man die Frage stellen muss, ob es bei der ärztlichen Berufsausübung überhaupt einen Ort gibt, bei dem das gewerbsmäßige Handeln ausgeschlossen werden kann. Dieser Punkt wird noch eine besondere Rolle spielen müssen. Natürlich wird auch die Frage, wer denn zum Strafantrag berechtigt ist, noch einmal diskutiert werden müssen.

Ich bin froh, dass in der Debatte des Deutschen Bundestags alle diese Themen eine Rolle gespielt haben, dass sie von den einzelnen Rednern der Fraktionen angesprochen worden sind. Deswegen erwarte ich auch einen Erkenntnisfortschritt durch die Anhörung. Allerdings will ich auch nicht verhehlen, dass es auch Stimmen gibt, die beispielsweise erklären: Der Vorbehalt, dass nur Körperschaften des öffentlichen Rechts Anträge auf Strafverfolgung stellen dürfen, muss weg. Es gab auch Stimmen, die verlangt haben, dass vor allen Dingen die Patienten den Anspruch haben müssten, einen derartigen Strafantrag zu stellen. Da das Ganze ja ein Wettbewerbsschutz sein soll, ist auf der einen Seite verständlich, wie es der Gesetzgeber konzipiert hat. Auf der anderen Seite sagen die Patientenvertreter natürlich - ich denke, das werden sie in der Anhörung auch erklären -, dass sie denken, dass das Ganze dem Schutz der Korrektheit ihrer Behandlung dienen soll.

Zum sogenannten E-Health-Gesetz, mit dem der Gesetzgeber eine sichere elektronische Vernetzung im Gesundheitswesen beschleunigen will, gab es Anfang des Monats eine Anhörung im Ausschuss für Gesundheit. Dabei ist klar geworden: Akzeptanz kann es nur geben, wenn es sinnvolle medizinische Anwendungen mit konkretem Nutzen für die Patientinnen und Patienten gibt und gleichzeitig die Privatsphäre geschützt bleibt. Wir haben zu diesem Thema ja bereits im März einen umfassenden Beschluss gefasst und klar zum Ausdruck gebracht, dass nach unserer Auffassung medizinische Anwendungen bei der Telematikentwicklung im Vordergrund stehen müssen und nicht Verwaltungsvorgänge wie der Versichertenstammdatendienst. Diesen empfinden die Kolleginnen und Kollegen als bürokratische Zumutung!

Uns geht es um die Qualität der Patientenversorgung und dabei ist neben der Weiterbildung auch die Ausbildung ein wichtiger Punkt. Wie schaffen wir es, dass auch in Zukunft noch eine ausreichende Zahl hoch qualifizierter Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung steht? Vertreter von Bund und Ländern haben mit der Arbeit an einem „Masterplan Medizinstudium 2020“ begonnen. Dieser zielt auf eine sinnvolle Auswahl der Studienplatzbewerber, mehr Praxisnähe und eine bessere Verankerung der Allgemeinmedizin im Studium.

Nach der gültigen Approbationsordnung ist das Ziel der ärztlichen Ausbildung der wissenschaftlich und praktisch in der Medizin ausgebildete Arzt, der zur eigenverantwortlichen und selbstständigen ärztlichen Berufsausübung, zur Weiterbildung und zu ständiger Fortbildung befähigt ist.

Aus diesem Auftrag geht klar hervor, dass es sich bei der Weiterbildung zum Spezialisten stets um eine Phase der Berufsausübung handelt, nicht jedoch um eine an das Studium angeschlossene weitere Phase der Berufsausbildung. Wer die ärztliche Ausbildung mit der Fähigkeit zur eigenverantwortlichen und selbstständigen ärztlichen Berufsausübung abgeschlossen hat, hat damit auch seinen Berufsabschluss erlangt.

Vom Abiturienten zum approbierten Arzt wird man durch Ausbildung, von der approbierten Ärztin zur Fachärztin durch Weiterbildung. Deswegen ist es ein schwerer berufspolitischer Fehler, wenn man in diesem Zusammenhang von einer Ausbildung zum Chirurgen, einer Ausbildung zum Urologen oder einer Ausbildung zum Allgemeinarzt spricht.

Ich muss das hier sagen, weil ich oft erlebe, dass diese falsche Begrifflichkeit verwendet wird und dies sogar an den medizinischen Fakultäten, sogar an Universitätskliniken und sogar unter den in Weiterbildung befindlichen Kolleginnen und Kollegen. Die Ausbildung ist eine Bundeskompetenz, die Weiterbildung ist eine Länderkompetenz, denn sie ist Gegenstand der Berufsausübung. Das ist Länderkompetenz. Deswegen ist sie Kompetenz der Ärztekammern, deswegen ist sie nicht Kompetenz der vom Bund regulierten Kassenärztlichen Vereinigungen. Wir sollten jedem Anspruch entgegentreten, die Weiterbildung in die Regelungsaura der Kassenärztlichen Vereinigungen zu ziehen.

Bei der Auswahl der Studienbewerber sollten aus unserer Sicht künftig neben der Abiturnote auch psychosoziale Kompetenzen, soziales Engagement sowie die Ausbildung oder Berufserfahrung in einem anderen Gesundheitsberuf eine wichtige Rolle spielen. Denn im Arztberuf sind neben kognitiven Fähigkeiten auch soziale Kompetenz und Empathie gefordert.

Darüber hinaus muss die Zahl der Studienplätze angesichts des sich verschärfenden Ärztemangels um mindestens 10 Prozent erhöht werden. Im Jahr 1990 gab es allein in den alten Bundesländern rund 12.000 humanmedizinische Studienplätze. Heute gibt es im gesamten Bundesgebiet nur noch rund 10.000.

Nicht nur in Modellstudiengängen muss das Studium künftig von Beginn an praxisnäher sowie fächer- und wissensübergreifend gestaltet sein. Auch die Prüfungen müssen kompetenzorientiert sein. Reine Multiple-Choice-Fragen verleiten zu einem falschen Lernverhalten.

Gleich zu Beginn des Studiums sollten alle Medizinstudierenden an das Gebiet Allgemeinmedizin und an die hausärztliche Tätigkeit herangeführt werden. Deshalb ist es gut, wenn es an allen medizinischen Fakultäten Lehrstühle für Allgemeinmedizin gibt.

Wir werden uns also an der Reformdiskussion weiterhin intensiv beteiligen, damit unsere künftigen Kolleginnen und Kollegen mit einem guten Rüstzeug in die Weiterbildung gehen.

Es geht auch darum, für die faszinierende Tätigkeit als Hausarzt zu werben. Dabei sollten wir aber jeden Anschein vermeiden, irgendeinen formalen Druck auf Medizinstudierende auszu­üben. Das ist kontraproduktiv für das Ziel, denn wir wissen: Die Medizinstudierenden sind ausgesprochen allergisch gegen formalen Druck.

Wir können einen erfolgversprechenden Weg für den allgemeinmedizinischen Nachwuchs aufzeigen. Wir haben in Nordrhein inzwischen in jeder Stadt und in jedem Kreis die Verbundweiterbildung etabliert. Vorige Woche hat unser Vizepräsident Bernd Zimmer feierlich die Urkunden für den 50. Hausärztlichen Weiterbildungsverbund übergeben, und zwar im Kreis Heinsberg. Das war der letzte weiße Fleck auf der Karte der Verbünde. Jetzt kooperieren in den 50 Weiterbildungsverbünden 108 Krankenhäuser mit weit mehr als 400 niedergelassenen Hausärzten. Ich meine, das kann sich sehr sehen lassen. Allen, die daran mitgewirkt haben, gebührt ein herzlicher Dank.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Anfang November hat der Deutsche Bundestag beschlossen, die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe zu stellen. Das zielt auf dubiose Organisationen, die - auf Wiederholung angelegt - kranken und verzweifelten Menschen den Suizid als Ausweg der Wahl anpreisen und gezielt Mittel zur Selbsttötung organisieren. Ich bin damit einverstanden, dass es nun verboten ist, diese Praxis zum Geschäftsmodell zu machen.

Darüber hinaus hat das Parlament ein Hospiz- und Palliativgesetz verabschiedet mit dem Ziel, dass Schwerstkranke und Sterbende bestmöglich betreut und versorgt werden können. Auch das ist aus ärztlicher Sicht ein wichtiger Schritt, hält doch die moderne Palliativmedizin nicht nur hochentwickelte Mittel zur Linderung körperlichen Leidens bereit, sondern pflegt auch eine Kultur der menschlichen Zuwendung und des Gesprächs mit dem Patienten.

Genau das ist ja unsere ärztliche Aufgabe: Wir wollen hilfsbedürftigen Menschen gerecht werden, unter welchen körperlichen, seelischen oder geistigen Beschwernissen sie auch immer leiden.

Deshalb haben wir ein berufsgruppenübergreifendes Pilotprojekt zur Kommunikation mit schwerstkranken und sterbenden Patienten initiiert, gemeinsam mit der Pflege und den Medizinischen Fachangestellten. In neu konzipierten, berufsgruppenübergreifenden Fortbildungen soll trainiert werden, wie zum Beispiel die Mitteilung einer schwerwiegenden Diagnose oder die Besprechung einer lindernden Therapie am Lebensende entsprechend den Bedürfnissen der Patienten gestaltet werden können.

Der Umgang mit Ängsten, Trauer und Tod stellt auch für die Ärzte, Pflegekräfte und Medizinischen Fachangestellten eine Belastungsprobe dar. Deshalb ist neben der Kommunikation auch die Selbstfürsorge der professionellen Helfer ein Projektschwerpunkt, daneben ein besseres Verständnis der Berufsgruppen untereinander.

An dieser Initiative beteiligen sich neben unserer Kammer die Kassenärztliche Vereinigung, der Pflegerat Nordrhein-Westfalen und der Verband der medizinischen Fachberufe. Gefördert wird das Ganze von der Robert Bosch Stiftung. Fachlich steht uns Professor Radbruch zur Seite, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und Lehrstuhlinhaber in Bonn.

In unserer Berufsordnung heißt es, dass wir Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen haben. Dazu gehört nach unserem Verständnis, dass wir schwerstkranke und sterbende Menschen nicht zur Selbsttötung ermutigen, sondern so viel Hilfe zum Leben wie nur möglich anbieten.

Deshalb gibt es das berufsrechtliche Verbot des ärztlich assistierten Suizids, für das sich auch unsere Palliativmediziner mit überwältigender Mehrheit aussprechen. Dem liegt die Erfahrung zugrunde, dass ausdrücklich geäußerte Sterbewünsche häufig vorübergehend sind und dass oftmals nicht wirklich der Tod gewünscht wird, sondern lediglich das Ende einer unerträglichen Lebenssituation.

Wir Ärzte haben aber auch gelernt, dass Leben nicht um jeden Preis und schon gar nicht gegen den Willen des Betroffenen erhalten werden muss. Wir haben die Möglichkeit, dem natürlichen Gang der Dinge seinen Lauf zu lassen und Menschen sterben zu lassen. Jede Intervention, die wir ohne das informierte Einverständnis des Patienten durchführen, jede aufgezwungene Strahlentherapie, Chemotherapie, chirurgische Intervention, die nicht vom freien Willen des Patienten gedeckt ist, wäre Körperverletzung.

Wir sind froh über die gewachsenen Möglichkeiten der Behandlung am Lebensende. Aber nach meiner festen Überzeugung darf es auch in Zukunft keine ärztliche Aufgabe werden, gezielt den Tod herbeizuführen. Wir wollen, dass Menschen an der Hand des Arztes sterben können, aber nicht durch die Hand des Arztes.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.