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Entschließungen der Kammerversammlung am 18. März 2017 im Wortlaut


Am dualen Krankenversicherungssystem festhalten - Einheitsversicherung führt zu Qualitätsverlust des deutschen Gesundheitssystems

Die Kammerversammlung fordert alle politischen Kräfte auf, am dualen System der Krankenversicherung festzuhalten und der Einheitsversicherung eine Absage zu erteilen.

Deutschland verfügt über eine im internationalen Vergleich hervorragende Gesundheitsversorgung. Ein wesentlicher Grund ist die Dualität von Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und Privater Krankenversicherung (PKV).

Die PKV leistet einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungsqualität, weil sie es Ärztinnen und Ärzten regelmäßig schneller ermöglicht, Innovationen den Patienten in der Versorgung als Versicherungsleistung zur Verfügung zu stellen. Nur in einer dualen Ordnung ist es möglich, die Leistungen der beiden unterschiedlichen Systeme miteinander zu vergleichen. Das wirkt als Bremse für Leistungseinschränkungen in der GKV. Darüber hinaus wären Investitionen in eine moderne, am wissenschaftlichen Fortschritt orientierte Medizin in Praxen und Krankenhäusern ohne die PKV-Einnahmen vielfach nicht möglich. Nicht zuletzt kommt die aus Privateinnahmen finanzierte Ausstattung beispielsweise mit modernsten Geräten auch GKV-Versicherten zugute.

Die Vorschläge der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Weg in die Bürgerversicherung und das Szenario der Bertels­mann-Studie zu einer Krankenversicherungspflicht für Beamte sind, jenseits erheb­licher ver­fassungsrechtlicher und beamtenrechtlicher Bedenken, zur Lösung der zukünftigen finanziel­len Probleme unseres Gesundheitswesens nicht geeignet. Die Vorschläge würden in ihrer Konsequenz das hohe Versorgungsniveau verschlechtern und das deutsche Krankenver­sicherungs­system unsolidarischer und ungerechter machen.


Krankenhausinvestitionsfinanzierung

Die Kammerversammlung begrüßt es, dass im Vorfeld der Landtagswahl die politischen Parteien ankündigen, die Krankenhaus-Investitionsmittel nach der Landtagswahl deutlich zu erhöhen, nachdem die aktuelle Landesregierung dies wie alle Vorgängerregierungen bisher unterlassen hat.

Soweit allerdings angekündigt wird, die Investitionslücke durch eine finanzielle Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen schließen zu wollen, weist die Kammerversammlung dies entschieden zurück.

Die Aufgabe der Krankenkassen liegt in der angemessenen Vergütung der in den Krankenhäusern erbrachten Behandlungen. Krankenhausinvestitionsfinanzierung und Krankenhausplanung liegen hingegen aus gutem Grund in der Verantwortung der Bundesländer.

In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung dabei einvernehmliche Regelungen mit den Beteiligten im Landesausschuss für Krankenhausplanung anzustreben. Dazu gehören u.a. die Krankenhausgesellschaft, die gesetzlichen Krankenkassen und die Ärztekammern. Ein darüber hinausgehendes, durch eine Mitfinanzierung begründetes, privilegiertes Mitspracherecht der Krankenkassen ist abzulehnen.

Vielmehr muss Nordrhein-Westfalen seinen gesetzlich vorgegebenen Investitionsverpflichtungen aus eigenen Mitteln nachkommen. Dabei ist zu betonen, dass es sich nicht um „zusätzliche“ Mittel handelt, sondern um die Erfüllung einer gesetzlich vorgegebenen Finanzierungsverantwortung.

Eine Vergabe dieser Mittel nach politischen Kriterien ist abzulehnen. Stattdessen muss es allen bedarfsnotwendigen Krankenhäusern ermöglicht werden, ihre Substanz zu erhalten und die notwendigen Investitionen z.B. in den Bereichen Hygiene und IT-Sicherheit zu tätigen, ohne dafür Mittel aus der Patientenversorgung abzweigen zu müssen.

Gerade dort, wo das Land in der Krankenhausplanung qualitätsorientierte Vorgaben macht, muss das mit einer diese Qualität ermöglichenden Investitionsfinanzierung verbunden sein.


Konzernbildung in der ambulanten Versorgung

Die Kammerversammlung sieht mit Sorge, dass sich in immer mehr Bereichen der ambulanten ärztlichen Versorgung konzernartige Strukturen ausbilden, oft in der Hand renditeorientierter Unternehmen.

Regional kann dabei die Wahlfreiheit für Patientinnen und Patienten eingeschränkt werden oder sogar verloren gehen. Für junge Ärztinnen und Ärzte wird es in diesen Regionen zunehmend schwerer oder unmöglich, sich in eigener Praxis niederzulassen, da die begrenzten Sitze im Unternehmen verbleiben. Ein Ausscheiden durch Ruhestand im ursprünglichen Sinn unterbleibt.

Die Kammerversammlung fordert den Gesetzgeber und die zuständigen Institutionen der Selbstverwaltung auf, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten und im Interesse der Patientinnen und Patienten den freiberuflichen Charakter der ambulanten Versorgung, auch in eigener Praxis, zu erhalten.

Dazu fordert die Kammerversammlung, die Größe solcher Strukturen zu begrenzen.

Die Kammerversammlung fordert außerdem, die Regelungen für die Zulassung zu überprüfen und so anzupassen, dass die Zulassungsausschüsse ihre Entscheidungen an den Erfordernissen einer guten regionalen Versorgung ausrichten können, bei der eine Wahlfreiheit der Patientinnen und Patienten in einem Zulassungsbezirk sicher gewahrt bleibt.

Diese Maßnahmen sind dadurch zu ergänzen, dass ärztliche Kooperationsmodelle konsequent gefördert werden, bei denen selbstständig tätige und angestellte Ärztinnen und Ärzte gemeinsam in Zusammenschlüssen überschaubarer Größe eine freiberuflich geprägte, patientenorientierte, regional abgestimmte Versorgung gewährleisten und der Bevölkerung im Zulassungsbezirk Wahloptionen bieten.


Digitalisierung und Telemedizin

Die Kammerversammlung begrüßt es, dass die Vorstände der beiden Ärztekammern in Nordrhein-Westfalen ein gemeinsames Positionspapier zur Digitalisierung im Gesundheitswesen erarbeitet haben und darin Anforderungen an die Entwicklung und Nutzung digitaler Anwendungen aus ärztlicher Sicht benennen.

Anlage zu der Entschließung (Digitalisierung im Gesundheitswesen:
Positionsbestimmung der NRW-Ärztekammern)
 (98,68 KB)  


Schutz von informationeller Selbstbestimmung und Freiwilligkeit für Arzt und Patient sind Voraussetzungen für die Akzeptanz telemedizinischer Anwendungen

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Patienten ist auch und insbesondere bei telemedizinischen Anwendungen zu beachten. Telemedizinische Anwendungen müssen für Patienten und Ärzte freiwillig sein, weil nur dann Akzeptanz gelingen kann.

Wegen der grundlegenden Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient ist darüber hinaus bei der Speicherung telemedizinisch erhobener Daten das Prinzip der Datensparsamkeit zu gewährleisten.


Die Einschränkung ärztlich-ethischer Handlungsmöglichkeiten durch zunehmende Ökonomisierung in Klinik und Praxis muss zurückgeführt werden

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein rügt, dass die unabhängige, am Patienten orientierte ärztliche Behandlung in Klinik und Praxis immer stärkeren ökonomischen Restriktionen unterliegt.

Budgetierung und andere Maßnahmen wie Regresse führen zu zunehmender Rationierung und Einschränkung freien, unabhängigen ärztlichen Handelns im Sinne unserer Patienten.

Im Klinikbereich bedrohen wirtschaftliche Zielvorgaben und der Einfluss der Verwaltungen ärztliche Ethik und Unabhängigkeit.

Wir fordern die Krankenhausträger auf, gegenüber allen Klinikärzten und bei den in ambulanten Bereichen (z.B. Medizinische Versorgungszentren) von  Krankenhäusern angestellten Ärzten Fehlanreize durch vorrangig ökonomisch motivierte Zielvorgaben zu vermeiden, oder Ärzte durch solche Zielvorgaben unter Druck zu setzen.

Auf Bonusversprechungen, die zur Modifikation von Diagnosen und Therapien, des Einweisungs- oder Überweisungsverhaltens oder zum Upcoding von Kodierung und Abrechnung dienen, muss bei allen Ärzten verzichtet werden.

Der Vorstand der Ärztekammer Nordrhein wird aufgefordert, Strategien zu entwickeln, wie ethisch-ärztliche Autonomie des Arztes als Angehörigem eines freien Berufes gegenüber ökonomischer Fremdbestimmung gestärkt und zurück gewonnen werden kann.


Schweigepflicht gegenüber nicht-ärztlichen Institutionen

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein möge beschließen:

Der 115. Deutsche Ärztetag in Nürnberg im Jahr 2012 hat unter TOP VI – 109 beschlossen:

„Der 115. Deutsche Ärztetag 2012 fordert, dass private Krankenversicherungen, gesetzliche Krankenkassen und Behörden kein Recht auf Einsichtnahme in ärztliche Berichte haben dürfen, die zum Zweck der Kommunikation zwischen Ärzten erstellt wurden. Solche Berichte dürfen – mit Zustimmung des Patienten und des Herstellers des betreffenden Dokuments – ausschließlich anderen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen zugänglich gemacht werden. Bei Anforderungen durch o.g. Institutionen ist daher der betreffende Beratungsarzt oder die ärztliche Stelle namentlich zu benennen, an die ein solches Dokument versandt werden soll. Die Anforderungen an die ärztliche Schweigepflicht sind zu beachten.“

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein bestätigt aktuell nochmals ausdrücklich diesen Beschluss und fordert die angesprochenen Institutionen auf, diesen Beschluss bei Vertragsklauseln zur Schweigepflichts-Entbindung und bei Anforderungen von medizinischen Daten in vollem Umfang zu berücksichtigen.


Unabhängigkeit und Qualität freiberuflicher, selbstständiger ärztlicher Berufsausübung durch angemessene Honorierung gewährleisten

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert, dass ärztliche Tätigkeit freiberuflicher, selbstständiger Ärzte grundsätzlich bei der Behandlung aller Patienten, unabhängig von deren etwaigem Versicherungsstatus (GKV, PKV, Unfallversicherungsträger u.a.m) Existenz sichernd - und die ärztliche Unabhängigkeit wahrend - möglich sein muss.

Freiberuflich tätige, selbstständige Ärzte sind bei der Ausübung ihres Berufes darauf angewiesen, dass ihre Tätigkeit bei allen Patienten angemessen honoriert wird, damit eine wirtschaftliche Existenz möglich ist.

Darüber hinaus stellen die Delegierten der  Kammerversammlung fest, dass die stets gebotene Qualität ärztlichen Handelns bei allen Patientengruppen ein wirtschaftlich solides Fundament für die selbstständige ärztliche Tätigkeit voraussetzt.


Tabakwerbeverbot, Nichtraucherschutz

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein setzt sich dafür ein, noch in dieser Legislaturperiode über das Tabakwerbeverbot zu entscheiden, dass die Bundesregierung im Deutschen Bundestag als Gesetzentwurf beantragt hat. Es ist dringend Zeit, Tabakreklame im öffentlichen Raum zu unterbinden, denn diese Reklame wirkt auch auf Kinder und Jugendliche ein. Deutschland hat sich bereits 2003 verpflichtet, derartige Reklame abzustellen. Die heutigen Mehrheitsfraktionen haben dies 2004 unterstützt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung muss noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden! Jährlich 120.000 vorzeitige Todesfälle durch Tabak mahnen uns dringend zum Handeln!

An den künftigen Landtag Nordrhein-Westfalen appelliert die Kammerversammlung im gleichen Sinne, die heute in Nordrhein-Westfalen gültigen Regeln zum Nichtraucherschutz beizubehalten, speziell auch in der Gastronomie.

Krankheit und Tod infolge Passivrauchens sind kein Ausdruck von Freiheit, sondern von Unterwerfung und ein Signal der Gleichgültigkeit gegenüber fremder Gesundheit.


Nichtraucherschutz - Rauchverbot in öffentlichen Bereichen

Die Ärztekammer Nordrhein fordert die Umsetzung flächendeckender Maßnahmen zur Eindämmung jeglichen Tabakgebrauches. Ein deutlicher Schritt zum Ausbau dieser Maßnahmen ist die Verbesserung des Nichtraucherschutzes durch Ausdehnung des Rauchverbotes in öffentlichen Gebäuden und auf öffentlichen Flächen.

Die Ärztekammer Nordrhein fordert das Land NRW auf, den Nichtraucherschutz konsequent umzusetzen.


Antibiotika-Resistenzen

Die Ärztekammer Nordrhein fordert die Umsetzung flächendeckender Maßnahmen zu Reduktion des Einsatzes von Antibiotika und unterstützt alle Maßnahmen des zielgenauen Einsatzes in der Humanmedizin. Hierbei sind Maßnahmen zu unterstützen, die in die Routine - Versorgungsabläufe integriert werden können. Modellmaßnahmen, die durch verzögernde und komplexe Zwischenschritte eine spätere Implementierung in die Routine verhindern werden abgelehnt. Die Ärztekammer Nordrhein unterstützt die KV Nordrhein in ihrem Engagement den Antibiotikaeinsatz zu optimieren.

Zudem sind die seit 2014 stattfindenden Reduktionen der Antibiotikagabe in QS Tiermastbetrieben nicht ausreichend, insbesondere der Einsatz von Reserveantibiotika sollte eingestellt werden.