Düsseldorf, 23.4.2018. Für eine engere Kooperation von Allgemeinmedizinern und Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken hat Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein, geworben. „Die Versorgung älterer, multimorbider Menschen ist eine gemeinsame Aufgabe aller ärztlichen Fachgebiete der unmittelbaren Patientenversorgung“, sagte Zimmer auf dem Symposium „Neue Impulse für die sektorenübergreifende Versorgung in der Geriatrie“ im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf. Spezialisierte geriatrische Kliniken könnten diese Versorgung „optimal ergänzen“, ein Ersatz seien sie aber nicht.
Der Wuppertaler Hausarzt sprach sich für einen intensiveren Austausch über die Situation des Patienten zwischen den Sektoren aus. Dies setze aber voraus, dass an beiden Enden der Telefonleitungen Ärztinnen und Ärzte sitzen, die gern miteinander kommunizieren. So wünsche er sich, dass der Klinik-Kollege noch vor der Entlassung telefonisch Kontakt mit dem weiterbehandelnden Hausarzt aufnimmt. „Wir müssen vorher wissen: ‚Wer kommt schlechter heraus als er hereinging?‘ , damit wir die Weichen entsprechend stellen.“ An die Politik appellierte Zimmer, die (vor- und) nachbehandelnden Hausärzte bei den Plänen für ein strukturiertes, elektronisches Entlass-Management so einzubeziehen, dass Informationen automatisch bei den Allgemeinmedizinern ankommen. „Wenn das käme, wären wir Lichtjahre weiter.“
Zimmer plädierte dafür, die Versorgung öfter aus der Perspektive der alten Patienten zu betrachten. Man müsse akzeptieren, dass es Menschen gebe, die andere Lebensziele hätten als die eigenen. So wüssten ältere Patienten, dass sie in vielen Fällen nicht mehr vollständig gesunden würden, wichtig sei ihnen indes die Bewahrung der Autonomie. Daher könne zum Beispiel gelten: „Nicht der am schönsten gerichtete Bruch ist der, der gut ist, sondern der Bruch, der am schnellsten wieder belastbar ist.“
Zimmer warb bei den klinischen Geriatern dafür, sich an den nordrheinweit 52 Hausärztlichen Verbundweiterbildungen zu beteiligen. Zudem sprach er sich für die Etablierung gemeinsamer Fortbildungen auf Station und beim Hausbesuch aus. „Man lernt an einem kritischen Fall das, was man hinterher für 50 Fälle souverän anwenden kann.“
Eine gute geriatrische Versorgung brauche sektorenübergreifend reißfeste Nahtstellen, sagte Zimmer. „Wir müssen die Nähte so dicht machen, dass so sie halten wie bei einem Seerucksack. Da kann rein, was will, der reißt nie.“
Professor Dr. Ralf-Joachim Schulz, Chefarzt der Klinik für Geriatrie des St. Marien-Hospitals in Köln, stellte die Tätigkeit eines Geriatrischen Versorgungsverbundes mit insgesamt sieben Kliniken in Köln vor. Der Landeskrankenhausplan NRW sieht den Aufbau solcher Verbünde vor (wir berichteten). Schulz schlug sektorübergreifende Vergütungskonzepte vor, die auch Modelle finanzierbar machen, in denen die ambulante wie stationäre Akutversorgung, (Früh-)Reha und Pflege gemeinsam gestaltet werden. Schulz sprach sich für eine einrichtungsübergreifende Elektronische Patientenakte aus, hierfür gebe es Beispiele aus Schweden, Großbritannien und aus der Schweiz. Integrierte Versorgungsprozesse seien auf funktionierende IT-Strukturen angewiesen.
Schulz erläuterte die besondere Vulnerabilität alter Patienten, von denen viele nach Stürzen mit Frakturen im Verbund in Behandlung seien. „Wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass ein multimorbider Patient, der einen Tag liegt, so viel Muskelmasse abbaut, dass er eine Woche Übung und Training braucht. Ein Tag Schlafen heißt eine Woche Liegezeitverlängerung.“ Erkenntnisse wie diese müssten Eingang in das allgemeine Bewusstsein der in den Kliniken tätigen Mitarbeiter finden.
Auch Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, setzt auf die Entwicklung sektorenübergreifender Versorgungsmodelle. Neben formellen Strukturen werde die Betreuung in einem Flächenland wie NRW aber weiterhin auch über informelle Kooperationen erfolgen. Für eine gute geriatrische Versorgung sei künftig eine „vernünftige Telematikinfrastruktur“ notwendig, die einen sicheren Informationsaustausch möglich mache.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann forderte auf dem Symposium verstärkte Anstrengungen aller Akteure, das Gesundheitswesen auf die ins Seniorenalter vorrückende Generation der „Baby-Boomer“ (Geburtenjahrgänge 1955 bis 1969) einzustellen. Eine zentrale Aufgabe müsse daher sein, mehr Menschen im Lande für Tätigkeiten am alten Patienten aus- und weiterzubilden, wie dies die Landesregierung mit dem Ausbau der Studienplatzkapazität für Humanmedizin anstrebe.
Einen ausführlichen Bericht lesen Sie in der Juni-Ausgabe des Rheinischen Ärzteblattes.