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Zertifizierte Kasuistik "Moderne Therapie von Herzrhythmusstörungen"

Weiterführende Informationen und Differentialdiagnostik zur Zertifizierten Kasuistik "Moderne Therapie von Herzrhythmusstörungen"

wissenschaftlich begutachtet durch Professor Dr. Malte Ludwig, Chefarzt der Abteilung Angiologie und Phlebologie der Interne Klinik Dr. Argirov, Berg.

von Jörg Otto Schwab und Berndt Lüderitz

Inhalt

Procedere

Therapie ventrikulärer Tachykardien (VT) bei ischämischer Herzerkrankung

Differentialtherapie ventrikulärer Tachykardien bei manifester Herzinsuffizienz III oder IV°

Stellenwert der kardialen Resynchronisations-Therapie (CRT)

Zusammenfassung

Literatur


Abbildung 1

Ruhe-EKG

Die Abbildung 1 gibt das Ruhe-EKG des Patienten wieder (Papiergeschwindigkeit 50 mm/s).

 

Abbildung 2

Ein Auszug aus dem 24 h EKG ist in Abbildung 2 wiedergegeben. Der obere Abschnitt stellt eine Vergrößerung der Aufzeichnung im unteren Teil der Registrierung dar.

Quelle: Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Bonn


 

Procedere

Der Patient wurde einer invasiven Koronardiagnostik unterzogen. Hierbei konnten ein Verschluss der rechten Koronararterie sowie zwei hochgradige Stenosen im proximalen Bereich des Ramus interventrikularis anterior und des Ramus marginalis I dokumentiert werden. Die übrigen Bereiche der nativen Koronararterien zeigten sich deutlich arteriosklerotisch, jedoch ohne weitere höhergradige Stenosen verändert.

Die Kontrastierung der Bypässe ergab folgenden Befund:
offener arterieller Bypass der Arteria mammaria interna auf den distalen Ramus interventricularis anterior, offener venöser Bypass auf den Ramus marginalis I sowie einen verschlossenen Venenbypass auf den Ramus interventriularis posterior der rechten Koronararterie.

Aufgrund des Nachweises einer nicht anhaltenden ventrikulären Tachykardie wurde eine elektrophysiologische Untersuchung veranlasst. Während dieser konnte reproduzierbar eine anhaltende ventrikuläre Tachykardie mit einer Pulsschlagfolge von 195 min-1 induziert werden. Diese wurde jedes Mal durch eine Überstimulation terminiert. Während der ventrikulären Tachykardie berichtete der Patient über ein Schwindelgefühl, welches dem in der Anamnese erhobenen entsprach.

 

Therapie ventrikulärer Tachykardien (VT) bei ischämischer Herzerkrankung

Die initiale Behandlung von VT bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung besteht in folgender Basistherapie:

  • Thrombozytenaggregationshemmung, z. B. Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel.
  • Beta-Blocker, z. B. Metoprolol oder Bisoprolol. Die Dosierung sollte über mehrere Wochen gesteigert werden. Bei guter Verträglichkeit sollte immer die jeweilige Maximaldosierung angestrebt werden.
  • ACE-Hemmer, z. B. Ramipril, Captopril oder andere. Auch hier sollte nach niedriger Dosierung zu Beginn eine der Verträglichkeit angepasste Dosissteigerung durchgeführt werden.
  • Angiotensin-Rezeptor Antagonisten: Medikamente dieser Wirkstoffgruppe sollten bei Unverträglichkeit gegenüber ACE-Hemmer Verwendung finden.
  • HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren / Statine, z. B. Simvastatin, Atorvastatin und andere. Diese Medikamentengruppe besitzt in der Sekundärprävention der KHK einen hohen Stellenwert. Insbesondere sollte die Therapie aufgrund der Endothel schützenden Wirkung auch bei Erreichen des LDL-Cholesterin Zielwertes von weniger als 100 mg/dl fortgeführt werden.

Stellenwert einer Therapie mit Antiarrhythmika und/oder ICD (Implantierbarer Cardioverter/Defibrillator)

Medikamente der Klasse I sind entsprechend der Ergebnisse der CAST-Studie kontrainidziert [1]. In dieser Studie wurde das Überleben von Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion nach Myokardinfarkt untersucht. Die mit Klasse I bzw. Ic behandelte Patientengruppe zeigte eine signifikant höhere Mortalität als die der Kontrollgruppe.

Antiarrhythmika der Klasse III

Sotalol: Der Einsatz dieses Medikamentes ist gerechtfertigt, um die Häufigkeit von Interventionen eines Defibrillators zu vermindern.

Amiodaron: Diese Substanz stellt das potenteste Antiarrhythmikum zur Suppression ventrikulärer Tachykardien bei Patienten mit KHK dar. Weiterhin ist es effektiv zur Erhaltung des Sinusrhythmus nach erfolgreicher pharmakologischer oder elektrischer Kardioversion einer absoluten Arrhythmie bei Vorhofflimmern.

Stellenwert von Amiodaron versus ICD-Therapie: Einige Studien mit großen Patientenzahlen haben die Überlegenheit der elektrischen gegenüber der anitarrhythmischen Therapie aufgezeigt [2-4]. Jedoch ist anmerkenswert, dass die ICD-Therapie nicht das Auftreten lebensbedrohlicher VT verhindert, sondern diese adäquat, mittels Überstimulation oder Schockabgabe, terminiert. Im Gegensatz dazu ist Amiodaron in der Lage, die Inzidenz ventrikulärer Tachykardien zu reduzieren. Daher ist es bei manchen Patienten mit häufigen, adäquaten ICD-Interventionen sinnvoll, eine zusätzliche Amiodaron Therapie vorzunehmen.

 

Differentialtherapie ventrikulärer Tachykardien bei manifester Herzinsuffizienz III oder IV°

Bei diesen Patienten steht eine adäquate Pharmakotherapie der fortgeschrittenen Herzinsuffizienz im Vordergrund. Neben der oben angeführten Basistherapie sind folgende Therapiekonzepte sinnvoll und in Studien nachgewiesen [5]:

Aldosteron-Antagonisten:
Innerhalb dieser Medikamenten-Gruppe spielt Spironolacton eine wichtige Rolle. Das Diuretikum sollte, zusätzlich zur Basistherapie, in der chronischen Behandlung der manifesten Herzinsuffizienz eingesetzt werden. Zur Akutbehandlung im Rahmen einer kardialen Dekompensation haben hingegen Schleifendiuretika, z. B. Furo- oder Torasemid, ihren Stellenwert.

Angiotensin-Rezeptor Antagonisten (ARB):
Einige Substanzen aus dieser Gruppe sind für die Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz zugelassen [6, 7]. Jedoch ist, im Hinblick auf die Gesamtmortalität, eine additive Gabe zu einem ACE-Hemmer gegenüber einer alleinigen ACE-Hemmer Therapie nicht überlegen. Nach vorläufigen Untersuchungen sollte der ARB bei Unverträglichkeit von ACE-Hemmer oder nur dann zusätzlich eingesetzt werden, wenn der Patient rezidivierend wegen kardialer Dekompensation behandelt werden muss [8].

Digitalis-Glykoside:
Der Stellenwert einer Digitalis-Therapie in der Behandlung der Herzinsuffizienz wird seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Einen Überlebensvorteil konnte noch in keiner prospektiv randomisierten Studie nachgewiesen werden. Dessen ungeachtet verbessert die Digitalis-Therapie die Symptomatologie und reduziert die Zahl der Klinikeinweisungen. [9]. Neuen Erkenntnissen zu Folge erscheint vor allem eine niedrige, dosisadaptierte Therapie nützlich [Hoppe UC, persönliche Mitteilung].

 

Stellenwert der kardialen Resynchronisations-Therapie (CRT)

Im Rahmen des Voranschreitens einer schweren Herzinsuffizienz kommt es bei einigen Patienten zu einer intraventrikulären Leitungsstörung mit konsekutiver Dyssynchronie im Kontraktionsablauf beider Ventrikel. Häufig ist ein kompletter Linksschenkelblock Ausdruck dieser Störung im Erregungsablauf. Weisen diese Patienten zusätzlich eine QRS-Dauer von > 150 ms, eine linksventrikuläre Pumpfunktion < 30 % und eine fortgeschrittene Herzinsuffizienz im Stadium NYHA III oder IV° auf, so sollte eine kardiale Resynchronisation in Erwägung gezogen werden [10]. Hierzu wird operativ eine zusätzliche Schrittmacherelektrode in den Coronarvenensinus implantiert. Die Spitze dieser Sonde kommt epikardial über der linkslateralen Wand zu liegen. Hierdurch werden beide Ventrikel simultan depolarisiert und konsekutiv der Kontraktionsablauf resynchronisiert. In wie weit solche Patienten additiv mit einem ICD versorgt werden, muss im Einzelfall entschieden werden. Eine unlängst veröffentlichte Studie hat keinen Vorteil der ICD-Therapie gegenüber einem Schrittmacher mit biventrikulärer Stimulation bezüglich des primären Studienziels, Hospitalisation wegen Verschlechterung der Herzinsuffizienz und Mortalität, nachweisen können [11].

 

Zusammenfassung

Die Pharmakotherapie von Patienten mit struktureller Herzerkrankung und eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion besitzt mit der Gabe von beta-Blockern, ACE-Hemmern und Statinen bei KHK Patienten ihren festen Stellenwert. Ein Hauptaugenmerk sollte in der Detektion asymptomatischer ventrikulärer Tachykardien liegen. Letztere sind häufig Vorboten lebensbedrohlicher Tachyarrhythmien und bedürfen weiterer Abklärung. Solche Patienten werden häufig mit einem implantierbaren Defibrillator, unter Umständen mit der Option einer kardialen Resynchronisation, behandelt, um sie vor dem plötzlichen Herztod zu schützen.

 

Literatur

1. Epstein AE, Bigger JT Jr, Wyse DG, Romhilt DW, Reynolds-Haertle RA, Hallstrom AP Events in the Cardiac Arrhythmia Suppression Trial (CAST): mortality in the entire population enrolled. J Am Coll Cardiol 1991; 18:14-19.

2. Moss AJ, Hall WJ, Cannom DS et al.: Improved survival with an implanted defibrillator in patients with coronary disease at high risk for ventricular arrhythmia. N Engl J Med 1996; 335: 1933-1940.

3. Moss AJ, Zareba W, Hall WJ et al.: Prophylactic implantation of a defibrillator in patients with myocardial infarction and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2002; 346: 877-883.

4. Buxton AE, Lee KL, Fisher JD, Josephson ME, Prystowsky EN, Hafley G: A randomized study of the prevention of sudden death in patients with coronary artery disease. Multicenter unsustained tachycardia trial investigators. N Engl J Med 1999; 341:1882-1890.

5. Pitt B, Zannad F, Remme WJ, Cody R, Castaigne A, Perez A, Palensky J, Wittes J. The effect of spironolactone on morbidity and mortality in patients with severe heart failure. Randomized Aldactone Evaluation Study Investigators. N Engl J Med. 1999; 341(10):709-717.

6. Cohn JN, Tognoni G; Valsartan Heart Failure Trial Investigators. A randomized trial of the angiotensin-receptor blocker valsartan in chronic heart failure. N Engl J Med. 2001; 345(23):1667-1675.

7. Pfeffer MA, Swedberg K, Granger CB, Held P, McMurray JJ, Michelson EL, Olofsson B, Ostergren J, Yusuf S, Pocock S; CHARM Investigators and Committees. Effects of candesartan on mortality and morbidity in patients with chronic heart failure: the CHARM-Overall programme. Lancet. 2003; 362(9386):759-766.

8. Shibata MC. Do Angiotensin Receptor Blockers Reduce Mortality in Patiens with Heart Failure? A Systematic Review of Randomized Clinical Trials. Circulation 2004 (Suppl.)

9. The effect of digoxin on mortality and morbidity in patients with heart failure. The Digitalis Investigation Group. N Engl J Med. 1997; 336(8):525-533.

10. Stellbrink C, Auricchio A, Lemke B, von Scheidt W, Vogt J, Dietz R, Gottwik M, Levenson B, Meinertz T, Osterpey A, Tebbe U, Strasser RH, Werdan K, Arnold G, Behrenbeck D, Fleck E, Trappe HJ. Policy paper to the cardiac re-sychronization therapy. Z Kardiol. 2003;92(1):96-103.

11. Bristow MR, Saxon LA, Boehmer J, Krueger S, Kass DA, De Marco T, Carson P, DiCarlo L, DeMets D, White BG, DeVries DW, Feldman AM; Comparison of Medical Therapy, Pacing, and Defibrillation in Heart Failure (COMPANION) Investigators. Cardiac-resynchronization therapy with or without an implantable defibrillator in advanced chronic heart failure. N Engl J Med. 2004; 350(21):2140-2150.