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Gesundheits- und Sozialpolitik

TSVG: Mehr Geld für mehr Leistungen

22.08.2019 Seite 15
RAE Ausgabe 9/2019

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 9/2019

Seite 15

Für die schnelle Behandlung von TSSTerminfällen gibt es ab September Zuschläge. © KV Nordrhein
Die Umsetzung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) ist in vollem Gange, nachdem sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband im Juni auf Eckpunkte zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen geeinigt hatten. Seither ist auch klar, welche Facharztgruppen künftig offene Sprechstunden anbieten müssen.

von Thomas Lillig

Noch bei der Vertreterversammlung am 14. Juni kritisierte der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Dr. Frank Bergmann, dass bei der konkreten Ausgestaltung des TSVG nach wie vor viele Fragen offen seien – etwa bei der Vermittlung von Patienten über die Terminservicestellen (TSS) oder dem Geltungsbereich der offenen Sprechstunden. Fünf Tage später meldeten KBV und Krankenkassen, dass sie sich in zentralen Bereichen der TSVG-Umsetzung auf Eckpunkte geeinigt haben. Sie betreffen vor allem Details zur Vergütung von medizinischen Leistungen, die durch das Gesetz neu hinzugekommen sind. 

Arztgruppen für offene Sprechstunden bestimmt

Zu den Vereinbarungen von KBV und Krankenkassen zählt die Definition der Facharztgruppen, die ab 1. September mindestens fünf offene Sprechstunden pro Woche durchführen müssen: Augenärzte, Chirurgen, Gynäkologen, HNO-Ärzte, Hautärzte, Kinder- und Jugendpsychiater, Nervenärzte, Neurologen, Orthopäden, Psychiater und Urologen. Die Abrechnung dieser Sprechstunden erfolgt extrabudgetär, ist aber gedeckelt. Die Grenze liegt bezogen auf die einzelne Praxis bei höchstens 17,5 Prozent der Arztgruppenfälle des Vorjahresquartals. Bis zum 31. August sollen hierzu noch weitere Details vereinbart werden. 

Behandlung von Neupatienten

Eine Konkretisierung gibt es auch bezüglich der Behandlung von Neupatienten, deren Behandlung ab 1. September extrabudgetär vergütet wird. Als „neu“ gelten Patienten, wenn sie seit zwei Jahren nicht mehr in der Praxis waren. Der Wechsel aus einem Selektivvertrag oder der Krankenkasse macht aus einem Patienten hingegen keinen Neupatienten. Wenn ein Patient in einer Praxis von Ärzten mehrerer Arztgruppen untersucht oder behandelt wird, können bis zu zwei Arztgruppen denselben Patienten als „Neupatienten“ abrechnen. Ausgenommen von dieser Regelung sind Anästhesisten, Humangenetiker, Labormediziner, Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen, Nuklearmediziner, Pathologen und Radiologen. Weitere Einschränkungen gibt es für Neupraxen und Praxen nach Gesellschafterwechsel.

Zuschläge für TSS-Terminfälle und -Akutfälle

Patienten, die durch die TSS vermittelt werden, können Ärzte bereits jetzt außerhalb der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) abrechnen. Ab 1. September erhalten sie extrabudgetäre Zuschläge von 20 bis 50 Prozent auf die Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale, wenn der Behandlungstermin innerhalb bestimmter gestaffelter Zeiträume stattfindet. 
Auch für die Behandlung von sogenannten TSS-Akutfällen bekommen Ärzte einen extrabudgetären Zuschlag auf die Pauschale. Er beträgt 50 Prozent, kann aber nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Behandlungstermin spätestens am Tag nach der Kontaktaufnahme mit der TSS erfolgt. Diese Vergütungsregelung wird allerdings voraussichtlich erst zum 1. Januar 2020 wirksam.

Terminvermittlung durch Hausärzte

Hausärzte werden ab September für die Vermittlung eines dringenden Behandlungstermins bei einem Facharzt zehn Euro extra erhalten, wenn der Termin innerhalb von vier Tagen erfolgt. Der Zuschlag ist mehrfach berechnungsfähig, wenn ein Patient in demselben Quartal durch denselben Arzt zu unterschiedlichen Fachärzten vermittelt wird – und das auch dann, wenn der Patient den vermittelten Termin nicht wahrnimmt. 
KV-Chef Bergmann begrüßte zwar, dass es durch die Eckpunkte-Vereinbarung nun endlich mehr Klarheiten zur Umsetzung der Vorgaben gebe, erneuerte aber gleichzeitig seine Kritik an der Kleinteiligkeit des TSVG. „Ich freue mich, dass der Bundesgesundheitsminister Wort gehalten hat, für mehr Arbeit auch mehr Geld zu zahlen. Der ausufernde Bürokratismus stellt die KVen und unsere Mitglieder aber vor große Herausforderungen. Denn wir müssen die ganzen Details in unseren Regelwerken darstellen, nachhalten und überprüfen“, sagte Bergmann. Er hoffe, dass diese Mühe sich am Ende tatsächlich auszahle und das gewünschte Ziel einer schnelleren und besseren Versorgung bringen werde. 
 

Thomas Lillig ist Redakteur im Bereich Presse und Medien der KV Nordrhein.