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Diskussion

Klimaschutz ist Gesundheitsschutz

25.08.2020 Seite 31
RAE Ausgabe 9/2020

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 9/2020

Seite 31

© AquaColor/istockphoto.com
Überlegungen aus Sicht eines Hausarztes und Internisten

von Dr. Ivo G. Grebe

Spätestens seit den Hitzerekorden der letzten Sommer, den Protesten rund um die Gewinnung und Verstromung fossiler Brennstoffe, dem Dieselskandal und der Diskussion um Feinstaubbelastung in unseren Städten ist die Ärzteschaft alarmiert. Vertreter großer Verbände, der Hochschulen und Kammern warnen seit Längerem, dass unser Gesundheitssystem wegen des Klimawandels vor großen Herausforderungen steht und wir uns mit den Auswirkungen des Klimawandels für den Einzelnen, aber auch mit den indirekten Folgen für die globale Gesundheit beschäftigen müssen. Der diesjährige 123. Deutsche Ärztetag in Mainz, der aufgrund der Corona-Pandemie ausfiel, sollte sich ausführlich dieser Thematik widmen unter dem Motto: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz.

Laut Lancet Countdown ist der Klimawandel die größte Bedrohung für die Gesundheit in diesem Jahrhundert. Wie lässt sich diese sehr allgemeine Behauptung in die Versorgungsrealität des klinisch tätigen Arztes in der ambulanten, speziell der hausärztlichen Versorgung umsetzen?

  • Wetterextreme, wie beispielsweise die Hitzewellen der vergangenen Jahre, führen zu vermehrten Herz-Kreislaufdekompensationen, Nierenversagen durch Flüssigkeitsmangel und erhöhter Stressanfälligkeit – darauf müssen wir 
  • Durch Mücken oder Zecken übertragbare Krankheiten nehmen zu, neue Infektionskrankheiten aus dem asiatischen oder afrikanischen Raum treten in Mitteleuropa auf (zum Beispiel West-Nil-Fieber, Dengue, Zika, Malaria). Das Auftreten des neuen Coronavirus Ende 2019 hat eindrucksvoll gezeigt, wie rasant sich aufgrund der Globalisierung Infektionsketten ausbilden und zu einer weltweiten Pandemie anwachsen. 
  • Die Luftverschmutzung durch Verbrennung fossiler Brennstoffe führt über die Feinstaubbelastung und die Inhalation von Stickoxiden in den Ballungs- und Industriezentren zu einer erhöhten Inzidenz von Lungenerkrankungen und einer allgemeinen Zunahme der Mortalität.

Ziel nationaler und internationaler Abkommen ist es, gemäß dem Pariser Abkommen bis 2050 eine neutrale Treibhausbilanz zu erreichen. Wir Ärztinnen und Ärzte können dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen, indem wir 

  • bei uns selbst und bei unseren Patienten gesundheitsbewusstes Verhalten fördern,
  • uns für klimafreundliche Aktionen wie den fahrradfreundlichen Ausbau von Innenstädten einsetzen und damit zur Reduktion des Autoverkehrs und der Feinstaubbelastung beitragen,
  • klimafreundliche Mobilität bei unseren Patienten fördern und auf den besonderen gesundheitlichen Nutzen von Sport und Bewegung hinweisen,
  • die Gefahren von Über- und Fehlernährung aufzeigen, die Reduktion des Fleischkonsums anstreben und auf die ökologischen Gefahren der Massentierhaltung hinweisen,
  • eine restriktive Verordnung von Antibiotika und Analgetika betreiben, eine „greeline production“ von Arzneimitteln unterstützen, um damit die Rückführung toxischer Medikamentenrückstände in das Trinkwasser zu reduzieren,
  • in unseren Praxen oder anderen Tätigkeitsfeldern den Klimawandel und seine globalen Folgen für die physische und psychische Gesundheit  thematisieren und damit zur Aufklärung beitragen und einen kritischen Diskurs voranbringen. 

Dr. Ivo G. Grebe ist Facharzt für Innere Medizin und im MVZ Aachen Zentrum − Innere Medizin und Rheumatologie − niedergelassen. Er ist Vorsitzender der Kreisstelle Stadtkreis Aachen der Ärztekammer Nordrhein und Mitglied der Kammerversammlung. Außerdem amtiert er seit 2014 als Vizepräsident des Berufsverbandes Deutscher Internisten (BDI) und ist Vorsitzender der AG hausärztliche Internisten des BDI.