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Meinung

Mit voller Wucht

25.11.2021 Seite 3
RAE Ausgabe 12/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 12/2021

Seite 3

Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein © Jochen Rolfes
Die Ärzteschaft setzt sich mit ganzer Kraft für Schadensbegrenzung ein, während die vierte Welle der Coronapandemie auf eine unzureichend durchgeimpfte Bevölkerung trifft.

Als die Kammerversammlung unserer Ärztekammer Nordrhein am 13. November zu ihrer 6. Sitzung der laufenden Wahlperiode zusammentrat, befanden wir uns bereits in einer sehr kritischen Phase der Coronapandemie. Daher wandte sich das Parlament der rheinischen Ärztinnen und Ärzte mit einem eindringlichen Appell zur Impfung gegen COVID-19 an die Bevölkerung (siehe auch „Thema“ ab Seite 12) und warnte vor „einer Überlastung des Gesundheitswesens auf allen Ebenen“. Diese könne auch den ungeimpften Teil der Bevölkerung gefährden. „Eine konsequente Durchimpfung einschließlich gebotener Boosterimpfungen sind die wirksamsten Mittel gegen schwere Verläufe und Todesfälle in der vierten Welle der Coronapandemie und bremsen die aktuell exponentielle Verbreitung der Erkrankung“, heißt es in dem einstimmigen Beschluss.

Denken wir an den Beginn der Herbst- und Wintersaison im vorigen Jahr zurück, so richteten sich seinerzeit große Hoffnungen auf einen guten Impfstoff. Diese Wünsche wurden am 21. Dezember 2020 Wirklichkeit, an dem mit dem Präparat Corminaty® von BioNTech ein hochwirksames und sicheres Vakzin in der Europäischen Union (EU) zugelassen wurde. Ein Glücksfall – doch umso nachdenklicher muss es stimmen, dass die Impfkampagne in Deutschland ausgerechnet im Sommer 2021 ins Stocken geriet, als uns mehr als genug sichere Impfstoffe mehrerer Hersteller zur Verfügung standen. 

Die Impfquote stagniert seither auf einem gerade angesichts der hochansteckenden Deltavariante deutlich zu niedrigen Niveau. Wochenlang hat sich nicht viel getan, obwohl der Präsident des Robert Koch-Instituts bereits Ende Juli öffentlich auf den Beginn der vierten Welle aufmerksam machte.

Bei Redaktionsschluss am 18. November klingelten längst die Alarmglocken. Die 7-Tages-Inzidenz, noch immer ein wichtiger und vor allem früher Indikator für eine drohende Überlastung des Gesundheitswesens, lag im Bundesgebiet bei 337, Höchstwerte gab es in den Ländern Thüringen (565) Bayern (610) und Sachsen (761). Auch die Rate der Krankenhauseinweisungen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen, die vor einigen Wochen zu einer maßgeblichen Größe für politische Entscheidungen gemacht wurde, schnellte in die Höhe. Sie lag bei circa fünf, für die Menschen über sechzig Jahre war sie bereits mehr als doppelt so hoch.

Die vierte Welle trifft uns mit voller Wucht ausgerechnet in einer Zeit des Regierungswechsels. Politischer Streit beeindruckt das Virus überhaupt nicht. Ich hoffe deshalb, dass sich die politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen zusammentun und gut synchronisierte Regeln für Deutschland schaffen.

Die Ärzteschaft steht zur Mitwirkung an dieser großen Aufgabe bereit. Wir wissen, dass das für viele von uns wie auch für Medizinische Fachangestellte und Pflegekräfte mit weiteren Zumutungen verbunden sein wird. Von der Gesellschaft, deren Wohl wir dienen, erwarten wir den gebotenen Rückhalt. Die Frage, wie dem Personalmangel und einem Exodus aus den Gesundheitsberufen wirksam begegnet werden kann, gehört ganz oben auf die gesundheitspolitische Agenda jeder neuen Regierung. 

Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein