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Gesundheits- und Sozialpolitik

Abschied vom Bett: Neuer Krankenhausplan in NRW vorgestellt

22.09.2021 Seite 20
RAE Ausgabe 10/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 10/2021

Seite 20

Die Planungsgröße „Bett“ bildet das Versorgungsgeschehen nicht zuverlässig ab. Deshalb will man in NRW jetzt neue Wege gehen. © PeopleImages/istockphoto.com

Statt Betten sollen in Nordrhein-Westfalen künftig verstärkt Leistungen geplant werden. Ziel ist es, die Versorgung kleinteiliger zu steuern und auf diese Weise Überkapazitäten in den Ballungsgebieten abzubauen und gleichzeitig eine flächendeckende Grundversorgung auch auf dem Land zu erhalten. 

von Heike Korzilius

Die wohnortnahe Grundversorgung sicherstellen und zugleich eine sinnvolle Spezialisierung bei komplexen medizinischen Leistungen fördern: Am 20. August stellte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann in Düsseldorf die Grundzüge der neuen Krankenhausplanung vor. Er bekräftigte, dass auch in Zukunft für alle Menschen in NRW innerhalb von 20 Autominuten ein Krankenhaus der Grundversorgung erreichbar sein soll. Schon heute gebe es mit wenigen Ausnahmen eine nahezu flächendeckende Versorgung mit stationären Angeboten. Diese orientierten sich aber zu wenig an den tatsächlichen Bedarfen und der Behandlungsqualität. Die Planungsgröße „Bett“ bilde das Versorgungsgeschehen nicht zuverlässig ab. Ein Gutachten zur „Krankenhauslandschaft NRW“ von 2019 habe die Schwachstellen des bisherigen Systems benannt. „Es wurden für einzelne Regionen und Fachdisziplinen Anzeichen einer Über-, Unter- und Fehlversorgung identifiziert“, sagte Laumann. Es sei deshalb die Aufgabe der neuen Krankenhausplanung, die Krankenhauslandschaft durch eine gute Koordination und Aufgabenverteilung insbesondere bei spezialisierten Leistungen zu stärken. Nicht jedes Krankenhaus müsse alles machen.  

Wesentliches Element der neuen Planungssystematik ist die Ausrichtung an 64 Leistungsgruppen und 32 übergeordneten Leistungsbereichen. Diese bilden medizinische Fachgebiete und spezifische medizinische Leistungen wie Hüft- oder Knie-Endoprothesen ab. Über die Leistungsgruppen wird den Krankenhäusern der Leistungsumfang zugeteilt. Zur Ermittlung des Bedarfs wird künftig die jährliche Fallzahl je medizinischer Leistung herangezogen. „Jeder dieser Leistungsgruppen werden darüber hinaus konkrete Qualitätsvorgaben zugeordnet“, sagte der Minister. Dazu zähle neben Vorgaben für die Qualifikation des Personals und die technische Ausstattung auch das Erreichen bestimmter Fallzahlen.

In über 50 Sitzungen habe der Landesausschuss für Krankenhausplanung die neuen Rahmenvorgaben erarbeitet. Beteiligt waren daran auch die Ärztekammern des Landes sowie die Krankenhausgesellschaft (KGNW) und Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen. Diese stellten sich bei der Vorstellung der neuen Planungsvorgaben hinter den geplanten Paradigmenwechsel. 

Weiterbildungsverbünde schaffen

Auch der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, begrüßte die Neuausrichtung der neuen Krankenhausplanung. „Aus Sicht unserer Kammer gilt weiterhin, dass Krankenhausversorgung Daseinsvorsorge ist, und dass es deshalb auch in Zukunft in unserem Land flächendeckend eine wohnortnahe Versorgung geben muss“, sagte Henke. Dabei hänge die Qualität der Krankenhausversorgung ganz entscheidend von einer angemessenen Ausstattung der Abteilungen mit den richtig qualifizierten Ärztinnen und Ärzten ab. Deren gute Qualifikation könne allerdings nur gewährleistet werden, wenn es trotz der künftig zunehmenden Spezialisierung der Krankenhäuser gelinge, eine umfassende Weiterbildung zu erhalten. Deshalb müssten Weiterbildungsverbünde zwischen Standorten der Spezialversorgung und solchen der Regelversorgung verbindlich vorgegeben werden, forderte Henke. 

Mit der neuen Krankenhausplanung sei NRW auf einem guten Weg, sagte der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Hans Albert Gehle. Wichtig sei, dass diese auch in Zukunft die besonderen regionalen Bedürfnisse in NRW abbilde und auch trägerübergreifende Kooperationen zwischen den Krankenhäusern fördere. Die Neugestaltung der Krankenhausplanung müsse zudem von einer Reform des DRG-Systems flankiert werden, forderte Gehle. Dieses habe in der Krankenhauslandschaft zu einem „Wettrüsten“ geführt.

KGNW-Präsident Jochen Brink erklärte, die neue Planungssystematik werde dazu führen, dass einzelne Abteilungen oder einzelne Krankenhausstandorte geschlossen werden müssten. „Notwendigen Veränderungen versperren wir uns nicht“, betonte er. Allerdings müsse das Land die erforderlichen finanziellen Mittel für die Umstrukturierungen zur Verfügung stellen. Brink rechnet anfangs mit 200 Millionen Euro jährlich. 

Matthias Mohrmann, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg, lobte, man habe mit dem neuen Krankenhausplan ein vorbildliches Instrumentarium geschaffen. „Nicht jedes Krankenhaus macht alles gleich gut“, sagte er. Eine gute Krankenhausplanung regele nicht der Markt allein.  

Das Gesundheitsministerium rechnet damit, dass Anfang 2022 die regionalen Planungsverfahren beginnen können. Anfang 2023 könne es die ersten Feststellungsbescheide geben.