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Patt in Bonn

Deutscher Ärztetag im Angesicht gelähmter Bundespolitik

25.05.2022 Seite 6
RAE Ausgabe 6/2022

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 6/2022

Seite 6

© Ärztekammer Nordrhein

Am 27. April 1972 versuchte Dr. Rainer Barzel Unionsfraktionsvorsitzender im Bundestag die regierende sozial-liberale Koalition mit Willy Brandt an der Spitze via Misstrauensvotum zu stürzen. Der Versuch scheiterte knapp. Am ­28. April 1972 wurde über den Etat des Bundeskanzlers abgestimmt. Sie ergab ein Abstimmungspatt. Die Folge: Der Kanzlerhaushalt war abgelehnt und die weiteren Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag wurden auf unbestimmte Zeit unterbrochen. „Wägt man die Chancen zwischen der möglichen Immobilität einer ‚geschäftsführenden Regierung‘ und der ­Fortsetzung eines anspruchsvollen Gesetz­gebungsprogramms, so darf man sicherlich nicht von vornherein von der Ohnmacht der Regierung ausgehen“, kommentierte das Rheinische Ärzteblatt (RÄ) die Situation in der Ausgabe vom 8. Juni 1972. Auch der 75. Deutsche Ärztetag, der vor 50 Jahren in Westerland auf Sylt stattfand, hatte die bundespolitische Lage und die Reformdiskussionen fest im Blick, wie das RÄ in der Ausgabe vom 23. Juni 1972 schrieb. Die vorherrschende Unruhe innerhalb der Ärzteschaft konnte insofern auf Sylt gedämpft werden, da sich alle politischen Repräsentanten von der „Systemüberwindung“ distanzierten und das Gesundheits­system im bestehenden Rahmen fortent­wickelt werden sollte. Auch bezeichneten die Vertreter der Bundestags-Parteien die Freiberuflichkeit der Ärzteschaft als ein hohes Gut, das nicht angetastet werden dürfe. Der Präsident der Bundesärztekammer Professor Dr. Ernst Fromm signalisierte den Willen zur Mitarbeit an Reformen. „Die Ärzte seien aber nicht gewillt, ihre Freiberuflichkeit und ihren Sicherstellungsauftrag für die ambulante ärztliche Versorgung selbstmörderisch zugunsten linker Ideologie zu opfern.“    

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