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Praxis – Arzt und Recht – Folge 133

Spielregeln zum Steigerungsfaktor

26.01.2023 Seite 26
RAE Ausgabe 2/2023

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 2/2023

Seite 26

© ÄkNo
Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte rechnen den weit überwiegenden Teil ihrer Leistungen mit den Schwellenwerten der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ab. Viele sind bei der Abrechnung zurückhaltend, wenn es um den Einsatz der Faktorsteigerung geht. Dabei ist die variable Abrechnung in der GOÄ ausdrücklich vorgesehen.

von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg
 

Wer die Möglichkeiten der Berechnung höherer Faktoren nutzen will, muss bereit sein, sich mit den „Spielregeln“ der GOÄ zum Steigerungsfaktor vertraut zu machen und etwas Mühe bei der Dokumentation der Leistungen und der Rechnungserstellung auf sich zu nehmen, um mög­lichen Nachfragen zu begegnen.

Schwellenwert und Steigerungsfaktor

Gemäß § 5 GOÄ sind bei der Abrechnung drei Gebührenrahmen zu berücksichtigen, in denen unterschiedliche Schwellenwerte zu finden sind. Dabei handelt es sich um den Steigerungsfaktor für die Leistungen, bis zu dem keine Begründung für die Berechnung der Gebühren angegeben werden muss. Der Schwellenwert bildet dabei den Durchschnitt ab (siehe Tabelle unten).

Ärztliche Entscheidung

Innerhalb dieses Gebührenrahmens dürfen Ärztinnen und Ärzte über den Steigerungsfaktor selbst nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung bestimmen. 


Mit „Umständen bei der Ausführung“ sind andere, nicht durch Schwierigkeit und Zeitaufwand erfassbare Umstände gemeint, wie zum Beispiel die Leistungserbringung unter widrigen äußeren Umständen oder besondere Wünsche der Patientinnen und Patienten.
Bei der Abrechnung von ärztlichen Leistungen regelt § 5 Abs. 2 S. 2 GOÄ, dass auch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles den höheren Faktor begründen kann. Solche Schwierigkeiten können zum Beispiel schwerwiegende Erkrankungen, aber auch komplexe Krankheitsbilder, die eine aufwendige Differenzialdiagnostik erfordern, oder atypische Krankheitsverläufe sein.

Die Begründung muss zur Leistung passen

Diese Kriterien sind auf „die einzelne Leistung“ bezogen. Derselbe Grund für die Berechnung eines höheren Faktors muss also nicht „automatisch“ auch für andere Leistungen zutreffen. Ein schwieriger Krankheitsfall macht nicht „automatisch“ alle Leistungen schwieriger. „Hoher Zeitaufwand bei langer Vorgeschichte unter Berücksichtigung zahlreicher Vorbefunde“ ist eine absolut nachvollziehbare Begründung für die Berechnung einer Erstanamnese mit höherem Faktor, nicht aber zu der in gleicher Sitzung gegebenen i.m.-Spritze.

Nicht Teil der Leistungsbeschreibung

Ist in der Leistungslegende der Gebührennummer bereits auf eine höhere Schwierigkeit/einen höheren Zeitaufwand abgestellt, kann man dies nicht noch einmal als Grund für einen höheren Faktor heranziehen (§ 5 Abs. 2 S. 3 GOÄ). Das schließt natürlich nicht aus, dass diese Leistung aus anderen Gründen, also beispielsweise den Umständen der Ausführung, mit einem höheren Faktor berechnet werden kann.

Bemessung nach billigem Ermessen

Schließlich ist zu § 5 GOÄ zu berücksichtigen, dass er die Bemessung des Faktors „nach billigem Ermessen“ fordert. Das heißt nicht, so billig wie möglich, sondern sachgerecht, mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der Interessen der Patienten.

Leistungsbezogene Begründung,§ 12 GOÄ

Als weitere „Spielregel“ zur Berechnung höherer Faktoren verlangt § 12 GOÄ, dass die Begründung der Überschreitung des Schwellenwertes in der Abrechnung „auf die einzelne Leistung bezogen“ anzuführen ist. Es muss in der Rechnung erkennbar sein, zu welcher Leistung die Begründung gehört.
Die Begründung ist „verständlich und nachvollziehbar“ zu fassen und auf Verlangen „näher zu erläutern“. Ein allgemeiner Hinweis auf die Schwierigkeit der Leistung alleine reicht nicht aus. Es muss sich um eine differenzierte Begründung handeln, die sich ausschließlich auf die Kriterien des § 5 GOÄ stützt. Gewisse Standardisierungen und wiederkehrende Formulierungen lassen sich in diesem Zusammenhang nicht vermeiden, schematische beziehungsweise gar formularmäßige Begründungen sollten jedoch unterbleiben, da diese Rückschlüsse darauf zulassen, dass die Ärztin oder der Arzt sich nicht mehr an den individuellen Begebenheiten der Behandlung orientieren.

Dokumentation

Der erste Schritt zur Umsetzung ist aber eine entsprechende Dokumentation. Wer die Besonderheiten, die einen höheren Faktor rechtfertigen, nicht dokumentiert, hat in Fällen, in denen sich das nicht schon aus dem Leistungsumfang ergibt, oft bei der Rechnungserstellung nicht mehr vor Augen, dass er einen höheren Faktor ansetzen kann. Zudem erschwert mangelnde Dokumentation die Beantwortung von Nachfragen oder gar die Durchsetzbarkeit im Streitfall.