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Mail aus Aachen

17.08.2023 Seite 10
RAE Ausgabe 9/2023

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 9/2023

Seite 10

Carla Schikarski © privat

Im Medizinstudium macht man viele Erfahrungen, die erschreckend, überwältigend oder belastend sein können.

Da ist zum Beispiel der Präparationskurs, vor dem die meisten von uns unfassbar nervös waren. Nie werde ich den ersten Blick in den Präparationssaal vergessen. Zunächst kostete es mich Überwindung, die Körperspender zu berühren und mit der Präparation zu beginnen. Doch der Präparationskurs war als zentraler Bestandteil der Anatomiekurse sehr lehrreich, und ich bin dankbar, dass es diese Möglichkeit gibt. Eine noch belastendere Erfahrung war für mich der Besuch in der Rechtsmedizin. Denn in der Prosektur waren die Toten im Vergleich zum Präparationssaal deutlich jünger: Dort lag zum Beispiel der Leichnam eines Mannes im Alter meiner Eltern, dessen suizidale Todesursache offensichtlich war. Und natürlich erlebt man auch in Klinik-Praktika Leid und Tod – mal friedlich, mal aber auch dramatisch und traurig.

Die einen brauchen länger, um schwerwiegende Erlebnisse zu verarbeiten, andere stecken sie leichter weg. Wirklich vorbereiten kann man sich auf solche Grenzerfahrungen wohl nicht. In den letzten Jahren habe ich aber für mich gelernt, dass man sich an viele solche Situationen gewöhnt, wenn auch mein Respekt vor ihnen bestehen bleibt. Es hilft jedenfalls, dass wir als Studierende vieles gemeinsam erleben und reflektieren. Als Ärztinnen und Ärzte werden wir noch viele Grenzerfahrungen machen. Mit derartigen Situationen schon im Studium in Kontakt zu treten, hilft uns nicht nur, im Arbeitsleben auf vieles vorbereitet zu sein, sondern bedeutet für mich persönlich zusätzlich ein wertvolles Stück Lebenserfahrung – das des Öfteren auch einfach demütig und dankbar macht.

Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin? Schreibt mir an medizinstudium(at)aekno.de.