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Gesundheits- und Sozialpolitik

Ambulante Versorgung – worauf es jetzt ankommt

16.06.2025 Seite 24
RAE Ausgabe 7/2025

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 7/2025

KVNO-Chef Dr. Frank Bergmann (r.) im Gespräch mit Matthias Mohrmann von der AOK Rheinland/Hamburg beim Gesundheitskongress des Westens. © Guido Schiefer | KVNO

Digital, vernetzt und teamorientiert – so sieht die ambulante Versorgung von morgen aus. Vieles davon ist schon Realität: In Praxen arbeiten Physician Assistants (PA) und Sektoren wachsen zusammen. Was in Zukunft zählt, ist eine bessere Patientensteuerung.

von Thomas Petersdorff
 
Der Wandel ist in vollem Gange. Nicht nur im Krankenhausbereich, sondern auch in der ambulanten Versorgung. „Dort sind wegen der Grundsätze der freien Niederlassung und Arztwahl Strukturreformen aber wesentlich komplexer als in Kliniken“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann beim Gesundheitskongress des Westens, der Mitte Mai in Köln stattfand. Die wachsende Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte mache eine bessere Steuerung von Behandlungswegen nötig. Laumann sieht sie in der primärärztlichen Versorgung. Was zu einer erfolgreichen Steuerung noch gehöre: Digitalisierung und Telemedizin. Laumann lobte hier die Videosprechstunde im Notdienst, die die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) anbietet: „Die Hälfte der Patienten kann hier bereits abschließend behandelt werden.“

Erfolgsmodell Notdienst
„Heute ist die 116 117 eine zentrale Anlaufstelle für über eine Million Menschen im Rheinland“, berichtete Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KVNO. Das Ersteinschätzungstool SmED habe sich bewährt. Durch gezielte Fragen unterstützt die Software bei der Entscheidung, wo ein Patient am besten aufgehoben ist – in der Klinik, im Notdienst oder in der Haus- oder Facharztpraxis. Vielleicht reicht aber bereits eine telemedizinische Behandlung. Bergmann: „Die Videosprechstunde über die 116 117 ist heute fester Bestandteil in der Notdienstversorgung. Sie ist sehr erfolgreich dabei, Symptome abzuklären und erste Maßnahmen zu besprechen.“

Davon profitieren außer den Notdienstpraxen die Kliniken – zunehmend aber auch der Rettungsdienst, bei dem die KVNO seit 2024 die digitale Fallübergabe pilotiert. Erste Leitstellen sind bereits an die 116 117 angeschlossen. „Das ist ein wichtiger Schritt im Ausbau der sektorenübergreifenden Versorgung und zeigt, wie Steuerung funktionieren kann“, so der KVNO-Chef. Er betonte jedoch, dass es mehr Verbindlichkeit bedürfe, damit Patienten die richtigen medizinischen Angebote erhielten.

Lassen sich die Erkenntnisse aus dem Notdienst auf die Versorgung in den Sprechstundenzeiten übertragen? Nur bedingt, meint Bergmann mit Blick auf die viel zu hohe Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte. Für ihn können Hausärzte eine wichtige Rolle dabei einnehmen, Patienten durch das Gesundheitssystem zu lotsen. Als erste Anlaufstelle übernehmen sie die Koordination und können überflüssige Besuche beim Spezialisten vermeiden. Ein Allheilmittel sei dieses Modell aber nicht. „200 Millionen Fälle kommen jedes Jahr als Akutfälle ins System. Wenn die alle zuerst in die Hausarztpraxis gehen, sind das 500 bis 1.000 Fälle zusätzlich pro Arzt“, so Bergmann. Angesichts der heute schon fehlenden Hausärzte in manchen Regionen könne das „nicht die Lösung sein“. Darum brauche es hier eine Ausweitung der Facharztgruppen, die als Bezugsärzte bei bestimmten chronischen Erkrankungen ebenfalls in Betracht kommen können.

Ein starrer Ansatz reicht nach Überzeugung Bergmanns nicht aus. Statt sich nur auf ein Modell zu konzentrieren, brauche es ein ganzes Bündel an Maßnahmen – angefangen bei der Digitalisierung, die etwa durch Telemedizin oder Online-Terminbuchung Praxen und deren Teams entlaste. Gleiches gelte für die elektronische Patientenakte (ePA), die künftig alle relevanten Patientendaten bereitstellt. „Wir brauchen noch mehr interprofessionelle Zusammenarbeit. Vielversprechend sind die Teampraxen, in denen Ärzte, PA und MFA Hand in Hand arbeiten“, so der KVNO-Chef.

Die Praxis von morgen
„Gute Versorgung braucht viele Schultern“, betonte KVNO-Vize Dr. Carsten König. In Nordrhein habe man sich auf den Weg gemacht und für 2025 ein Pilotprojekt aufgesetzt, das den Einsatz von PA in Praxen fördert. Langfristig sollen kooperative Behandlungspfade entstehen. Dafür brauche es verlässliche Rahmenbedingungen: „Wenn wir PA in die Praxen bringen wollen, müssen wir wissen, wie wir sie finanzieren; auch bei den qualitativen Voraussetzungen für die Ausbildung von PA sind klare Regelungen unerlässlich“, forderte König.
Moderne Prozesse schaffen Zeit für das Wesentliche: die Patienten. Besonders im Team entfalten digitale Lösungen ihre volle Wirkung und machen Versorgungsprozesse effizienter, so König. Die KVNO setzt sich für gezielte Unterstützung der Praxen ein – und fordert einen Digitale-Fitness-Fonds: „Damit könnten wir einen wichtigen Beitrag für die Arztpraxis von morgen leisten – digital, vernetzt und teamorientiert“, sagte König. 

Thomas Petersdorff ist Pressereferent bei der KV Nordrhein.