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Gesundheits- und Sozialpolitik

KVNO-Vertreterversammlung: Politischer Neuanfang als Chance

16.04.2025 Seite 22
RAE Ausgabe 5/2025

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 5/2025

Seite 22

Diskussionen und Positionierungen zum gesundheitspolitischen Status quo – die 50 Delegierten der KVNO-Vertreterversammlung. © KVNO / Alexandra Kowitzke

Die gesundheitspolitischen Forderungen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) an die neue Regierungskoalition aus Union und SPD zählten bei der Vertreterversammlung Ende März zu den Topthemen. Einem notwendigen politischen „Neuanfang auf Augenhöhe“ stehe die Selbstverwaltung offen und konstruktiv gegenüber, hieß es dort.

von Christopher Schneider

Zu den dringendsten Aufgaben zählten jetzt vor allem die rasche Umsetzung der Notfallreform und Regelungen für eine gezieltere Patientensteuerung, sagte der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Dr. Frank Bergmann. Er begrüßte, dass in den Entwürfen für die zukünftige Gesundheitspolitik viele Forderungen der niedergelassenen Ärzteschaft aufgegriffen worden seien. An der Umsetzung werde man gestaltend mitarbeiten und Wissen und Kompetenzen der ambulanten Versorgung einbringen.

Patientensteuerung im Fokus

Zentrale Herausforderung der nächsten Jahre werde aber die gezieltere Patientensteuerung sein. Diese Aufgabe könne nachhaltig nur innerhalb des Kollektivvertrags gelöst werden. „Wir brauchen ein Maßnahmenbündel, das über die klassische Hausarzt-Überweisung hinausgeht. Gerade Multimorbide sollten – je nach Bedarf – zwischen Haus- und Fachärzten, aber auch zwischen Facharztgruppen untereinander koordiniert werden können“, so Bergmann.

Funktion der 116 117 aufwerten

Eine tragende Rolle bei der bedarfsgerechten Patienten- und Terminsteuerung sollte aus Sicht des KVNO-Vorstands vor allem die Servicenummer 116 117 übernehmen, nicht zuletzt in Akutfällen. Projekte aus Nordrhein könnten dem Bund als Blaupause dienen – etwa die kinderärztliche Videosprechstunde, die zum März 2025 auch im allgemeinen Notdienst eingeführt wurde. Beide Angebote setzen verpflichtend auf den Einsatz eines standardisierten Ersteinschätzungsverfahrens (SmED), das der Behandlung vorgeschaltet ist. Der Vorstand kündigte der Vertreterversammlung (VV) an, das Videosprechstunden-Angebot aufgrund der positiven Erfahrungen weiter auszubauen: Im Frühjahr werde in der Bonner Kinder-Notdienstpraxis auf dem Venusberg erstmals eine stationäre Videokabine zum Einsatz kommen. Eltern könnten dann nach der Ersteinschätzung entscheiden, ob sie auf den diensthabenden Arzt warten oder vor Ort eine Videosprechstunde starten möchten.

Ein neues Sicherstellungs-Projekt wird es im 2. Halbjahr auch im Raum Kleve geben: Dort wird eine „Starter-Praxis“ eingerichtet, in deren Rahmen junge Medizinerinnen und Mediziner in die selbstständige Vertragsarzt-Tätigkeit in Nordrhein Schritt für Schritt hineinwachsen sollen. Ziel sei es, dass die Interessenten die Praxis nach einigen Monaten komplett in Eigenregie übernehmen, sagte Bergmann.

Vorbild Selbstverwaltung

Politik und Kostenträger könnten nach Meinung des KVNO-Chefs das innovative Potenzial der Selbstverwaltung viel stärker ausschöpfen. Die KVNO sei zur Zusammenarbeit bereit. Dafür müssten aber die Rahmenbedingungen stimmen. Bergmann: „Wir kommen unserem Auftrag mit großem Engagement nach. Dafür benötigen wir aber auch weiterhin die notwendigen Finanzmittel, sprich den alleinigen Abrechnungsauftrag für alle ambulant erbrachten Leistungen. Jede Leistung, die nicht über die KV abgerechnet wird, kann am Ende nicht ambulant investiert werden.“

ePA-Testbetrieb weiter mit Störungen

Dr. Carsten König, stellvertretender KVNO-Vorsitzender, gab der VV ein Update zum Testbetrieb der elektronischen Patientenakte (ePA). Nach wie vor gebe es PVS-Software, die noch gar keine ePA-Nutzung ermögliche. Ebenfalls sei weiter von Fehlern und unvollständigen Dokumenten zu hören – in Summe alles noch nicht praxisreif, weshalb König erneut vor einem verfrühten ePA-Rollout warnte. Zum Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin hatte König Positives zu berichten: Hier haben 2024 mehr als 500 Ärztinnen und Ärzte an den Weiterbildungen teilgenommen. „Vor sechs Jahren sind wir mit knapp 150 Teilnehmenden gestartet, über diesen deutlichen Zuwachs freue ich mich. Ebenso über die gute Integration der Kinderärztinnen und -ärzte“, so König.