Entschließungen der Kammerversammlung am 16. November 2024 im Wortlaut
Gewalt gegen Gesundheitsberufe
Resolution der 2. Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein (Wahlperiode 2024-2029):
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein ist bestürzt über die Zunahme von Gewalt gegenüber Beschäftigten im Gesundheitswesen. Vorfälle wie der vom September in einem Essener Krankenhaus, bei dem Angehörige eines Patienten sechs Klinikmitarbeiter zum Teil schwer verletzt haben, stellen nicht nur einen Angriff auf die seelische und körperliche Unversehrtheit des betroffenen Personals dar, sondern einen Angriff auf das gesamte Gesundheitswesen. Dazu halten die Delegierten der Kammerversammlung fest:
- Ärztinnen und Ärzte, Medizinische Fachangestellte, Pflegekräfte und weiteres Gesundheitspersonal stellen sich in den Dienst, anderen Menschen zu helfen. Es ist nicht hinnehmbar, wenn sie bei der Ausübung ihres Berufes angefeindet und gefährdet werden.
- Patientinnen und Patienten müssen auch in Zukunft in Einrichtungen des Gesundheitswesens Schutz finden, der zur Genesung und Bewältigung ihrer Krankheiten beiträgt. Inakzeptabel ist es, wenn Gesundheitspersonal, Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige in Krankenhauszimmern, Notaufnahmen und Praxen bedroht oder angegriffen werden.
- Direkte und indirekte Gewalterfahrungen beschleunigen das Auftreten von Burnout und können langfristig zur Entwicklung psychischer Erkrankungen beitragen. Laut einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft berichten 24 Prozent der Kliniken über Kündigungen von Pflegekräften als Folge von Übergriffen. Wenn sich Helfende aus ihren Berufen zurückziehen, dann schadet das der Gemeinschaft, gerade vor dem Hintergrund des aktuell beklagten Fachkräftemangels.
- Die Auswirkungen von psychischer und körperlicher Gewalt gegen Gesundheitspersonal gehen weit über das individuelle Leid hinaus. Sie schaden dem Gesundheitswesen insgesamt und sie können die Qualität der Versorgung nachhaltig beeinträchtigen, da Ärztinnen und Ärzte in einem stressigen oder gefährlichen Umfeld weniger in der Lage sind, sich voll und ganz auf die Bedürfnisse ihrer Patientinnen und Patienten zu konzentrieren. Dadurch und auch durch Maßnahmen der Gefahrenabwehr (Abstand, Einsatz von Sicherheitsdiensten) wird die vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung nachhaltig gefährdet.
Die Delegierten stellen fest, dass sich die meisten Patientinnen und Patienten friedlich verhalten und großes Verständnis für stressige Situationen im Klinik- und Praxisalltag aufbringen. Dennoch dürfen die vorliegenden Erhebungen und Berichte über zunehmende Gewalt gegen Gesundheitsberufe nicht unterschätzt werden.
Vor diesem Hintergrund fordert die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein
- die konsequente und strikte Ahndung verbaler und körperlicher Angriffe auf Gesundheitspersonal. Potenzielle Täterinnen und Täter müssen erkennen, dass Angriffe auf Ärztinnen und Ärzte und andere Gesundheitsberufe keine Bagatelldelikte sind, sondern schwerwiegende Straftaten, die von der Justiz entsprechend geahndet werden.
- die Bevölkerung für das Problem zu sensibilisieren und zu vermitteln, dass jede Form von nicht legitimierter Gewalt, auch und insbesondere gegenüber Gesundheitspersonal, gesellschaftlich zu ächten ist.
- die Etablierung verlässlicher und bürokratiearmer Meldeverfahren durch Behörden, Krankenhäuser, Praxen und weitere Einrichtungen, um die Größe des Problems und mögliche Ursachen zu erfassen und geeignete Präventionsmaßnahmen ableiten zu können.
- Gewaltprävention und Unterstützung nach physischen und psychischen Gewalterfahrungen als Teil des Arbeitsschutzes zu verstehen. Sowohl Präventionsmaßnahmen als auch Unterstützung nach Gewalterfahrungen sollen in Zusammenarbeit zwischen Ärztekammern und anderen zuständigen Institutionen, z. B. der Berufsgenossenschaften, etabliert werden.
- die angemessene medizinische, psychosoziale und rechtliche Unterstützung von Gewaltopfern niedrigschwellig durch die zuständigen Behörden sicherzustellen, wie zum Beispiel Soforthilfen über Traumaambulanzen nach (SGB XIV, früher Opferentschädigungsgesetz).
- Kenntnisse und Methoden der Prävention und Prophylaxe von Aggression und Gewalt sowie der Abwehr körperlicher und seelischer Bedrohungen in der Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten und in der Ausbildung des Gesundheitspersonals zu vermitteln.
- ausreichende, vor allem öffentliche Mittel für diese Aufgaben zur Verfügung zu stellen.
KHVVG in den Vermittlungsausschuss überweisen
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert den Bundesrat auf, das KHVVG in seiner nächsten Sitzung am 22. November an den Vermittlungsausschuss zu überweisen.
Der aktuelle Stand des KHVVG wird seinen Zielen nicht gerecht.
Das skizzierte Modell einer Vorhaltevergütung stellt keine ausreichende Finanzierung für kleine, bedarfsnotwendige Krankenhäuser sicher und gibt den Kliniken nicht die notwendige Planungssicherheit.
Die Einführung der vorgesehenen Vorhaltevergütung ist in ihrer Komplexität mit einem massiven Bürokratieaufwuchs gekoppelt und führt zu nicht gewünschten finanziellen Anreizen der Leistungssteuerung.
Im Bereich der Refinanzierung der Pflegepersonalkosten sind bereits Elemente des Selbstkostendeckungsprinzips aufgegriffen worden. Dies sollte auch auf die Finanzierung anderer Vorhaltekosten, insbesondere der ärztlichen Personalkosten, übertragen werden.
Bei der anvisierten Übernahme der Leistungsgruppen aus der Krankenhausplanung NRW muss im Sinne einer Bürokratieverhinderung klargestellt werden, dass der überwiegende Anteil der stationären Fälle entsprechend des NRW-Modells in die allgemeinen Leistungsgruppen eingruppiert werden, die sich an der ärztlichen Weiterbildungsordnung orientieren und nicht wie die speziellen Leistungsgruppen anhand von ICD-10 oder OPS-Kodes definiert werden.
Nachbesserung der Aufklärungskampagne zur elektronischen Patientenakte (ePA)
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert das Bundesgesundheitsministerium auf, die laufende Aufklärungskampagne zur elektronischen Patientenakte (ePA) so anzupassen, dass die genaue und detaillierte Information über Start und Funktionen der ePA nicht den Praxen aufgebürdet wird.
Im Zuge der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) wurde eine landesweite Aufklärungskampagne ins Leben gerufen, um die Bevölkerung über die Funktionsweisen und den Nutzen sowie über den Start der Einführung der ePA zu informieren. Diese Kampagne ist in mehrfacher Hinsicht unzureichend und unzutreffend. Als Startdatum der ePA wird der Start der Pilotphase angegeben, zu dem nur ein geringer Anteil der Bevölkerung die Funktionen der ePA nutzen kann. Der Zeitpunkt einer breiten Nutzung hängt vom Verlauf der Pilotphase ab. Die Aufklärung der Patienten, dass für eine noch nicht absehbare Zeitdauer entgegen der Information aus der landesweiten Kampagne die ePA noch nicht gefüllt werden kann, obliegt damit den Ärztinnen und Ärzten.
Zudem werden auf der Website https://www.bundesgesundheitsministerium.de/epa-vorteile/ ausschließlich Vorteile dargestellt ohne auf Probleme und Beschränkungen einzugehen. Die undankbare Aufgabe, die überzogenen induzierten Erwartungen auf eine realistische Erwartungshaltung zu dämpfen, wird der Ärzteschaft implizit übertragen.
Ausweitung der Pilottests zur elektronischen Patientenakte (ePA)
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert den Gesetzgeber und die zuständigen Institutionen auf, die Pilottests zur ePA sowohl in Bezug auf die Dauer als auch in der Anzahl der Installationen erheblich auszuweiten, um sicherzustellen, dass die ePA praxistauglich nutzbar ist.
Der geplante Pilottest in den bis zu 100 Praxen in Nordrhein-Westfalen ist in Anbetracht der über 200 existierenden Praxisverwaltungssysteme nicht ausreichend, um eine vollumfängliche Testung zu gewährleisten. Die Funktionalität der ePA wird so in über der Hälfte der PVS Systeme de facto nicht im Alltag getestet.
Um einen halbwegs guten Überblick über das tatsächliche Funktionieren der ePA im Alltag zu erhalten, wird man vernünftigerweise mehrere Installationen pro PVS System fordern müssen. Selbst damit würde eine Vielzahl von Programm- und Installationsvarianten und Szenarien noch unberücksichtigt bleiben.
Der anstehende Pilottest soll am 15. Januar beginnen und 4 Wochen andauern. Mitte Februar soll dann aber die ePA für alle kommen. Das bedeutet, selbst bei optimistischer Interpretation von „Mitte Februar“ bleibt maximal eine Woche Zeit, sich die Rückmeldungen aus den Praxen einzuholen und die resultierenden Anpassungen umzusetzen.
Die vollständige Meldung der Testergebnisse, deren systematische Auswertung und ein darauf basierendes weiteres Vorgehen zu erarbeiten, erscheint in der Kürze der Zeit schlicht unmöglich und ist für ein Projekt von solcher Tragweite für die allgemeine Patientenversorgung unzureichend und geht zu Lasten der Qualität und Nutzbarkeit.
Mangelnder Toleranz und dem Verlust der Diskursfähigkeit entschlossen entgegenwirken
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert die Gesetz- und Verordnungsgeber in Bund und Ländern, Parteien, Organisationen, Verbände, die Ärzteschaft und jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger dazu auf, der zunehmend zu beobachtenden Verengung des Diskurses zu wichtigen gesellschaftlichen Themen, mangelnder Toleranz oder gar persönlichen Herabsetzungen, dem Verlust von öffentlich erkennbarer Meinungsvielfalt und der Verrohung des mitmenschlichen Umgangs bis hin zu gewalttätigen Übergriffen – auch gegenüber medizinischem Personal – aktiv entgegenzutreten.
Notwendig sind gesellschaftliche Selbstvergewisserung und konkrete Maßnahmen – zum Schutz einer freien Gesellschaft und eines jeden Einzelnen.
Ärztinnen und Ärzte gegen Diffamierung im Internet und insbesondere in Arztbewertungsportalen schützen
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert, dass sich die Ärztekammer für den Schutz der Ärztinnen und Ärzte im Netz und auf Arztbewertungsportalen einsetzt.
Gerade unsere Berufsgruppe ist immer wieder Verleumdungen, herabsetzenden Äußerungen und unrichtigen Darstellungen ausgesetzt. Dies führt häufig zu hohen seelischen Belastungen für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen, die kaum eine Möglichkeit haben, sich dagegen zu wehren. Es können außerdem wirtschaftliche Nachteile für die Praxis, das MVZ oder die Klinik entstehen.
Eine gesetzliche Regelung ist - gerade im Hinblick auf den Gesundheitsschutz für Ärztinnen und Ärzte - zu fordern. Vor allem anonyme Einträge, die häufig verleumderische Inhalte haben, dürfen nicht mehr gestattet sein. Die Internet-Plattformen müssen eine barrierefreie Möglichkeit anbieten, falsche oder missverständliche Posts korrigierend zu kommentieren. Betroffene Kolleginnen und Kollegen sollte die Ärztekammer mit Aufklärung und einem Hilfsangebot unterstützen.
Gewalt gegen Gesundheitsberufe
Der zunehmenden psychischen und physischen Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte, Medizinische Fachangestellte, Pflegekräfte und weiteres Gesundheitspersonal ist entgegenzuwirken.
Dafür setzt sich die Ärztekammer Nordrhein in Absprache/Kooperation mit den zuständigen Institutionen, insbesondere der Berufsgenossenschaft ein.
Hierzu gehören:
- konstruktive Präventionsangebote, die nicht nur wie bisher erfolgt, überwiegend den körperlichen Schutz der Person beinhalten, sondern auch die verbale Deeskalation bearbeiten
- Thematisierung im gesellschaftlichen und politischen Bereich
- zeitnahe Dokumentation und Beweissicherung der körperlichen und psychischen Traumata
- zeitnahe leicht zugängliche Nachsorgeangebote nach den Erfordernissen
- Thematisierung in Fort- und Weiterbildung
Der Beschluss Ia - 21 des 121. Deutschen Ärztetages 2018 in Erfurt wird nochmals
bekräftigt.
Besser Gewaltprävention in der Medizin als Strafe nach Gewalt
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert von der Politik Maßnahmen, die weniger Anlass für Konflikte zwischen Patienten und Ärztinnen bzw. Ärzten geben. Wir fordern ursächliche Gewaltprävention. Härtere Strafen für bereits erlittene Gewalt helfen uns nicht!
Natürlich gibt es Einzelfälle, wo Patienten der Meinung sind, sie seien falsch behandelt worden und deshalb Gewalt gegenüber Arztinnen oder Ärzten anwenden. Ganz überwiegend entsteht Gewalt im Gesundheitswesen allerdings, weil Patienten nicht schnell genug zum Arzt vorkommen oder erst gar keinen Behandlungstermin erhalten. Es bedarf Maßnahmen, die eine zunehmende Verdichtung der ärztlichen Arbeit bei gleichzeitiger Erhöhung der Patientenzahl pro Arzt verhindern. Nur mit mehr Arztzeit für die Patientenbehandlung können Konflikte reduziert werden. Verdichtung der Arbeit und emotionale Belastung durch aggressive Patienten machen Ärztinnen und Ärzte krank und erhöhen darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit für vermeidbare Gesundheitsschäden in der medizinischen Behandlung.
Wenn in diesem Kontext nun Gesetze in Aussicht gestellt werden, die Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte sowie gegen medizinisches Personal härter ahnden sollen, dann hört sich das gut an. Allerdings kosten solche Gesetze so wenig, wie sie den bereits von Gewalt Betroffenen nützen. Die Ausstattung der ärztlichen Patientenversorgung mit den notwendigen Personal- und Strukturressourcen erforderte dagegen viel Kooperation zwischen Politik und Ärzteschaft und viel Geld. Das möchte sich die Politik offensichtlich sparen und gleichzeitig keine Abstriche in der Versorgung machen. Mit diesem Vorgehen verfestigt die Politik eine Konfliktlinie zwischen Arzt und Patient, was keine Perspektive für die Entwicklung eines funktionierenden Gesundheitswesens bietet.
An Stelle von Strafe nach Gewalt, bedarf es Strukturmaßnahmen, die vermeidbare Konflikte zwischen Patient und Arzt reduzieren und es dann gar nicht erst zur Gewalt kommen lassen.
Automatische, aufwandslose Befüllung der elektronischen Patientenakte (ePA) - Illusion oder Lüge?
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert die gematik und das Bundesministerium für Gesundheit auf, anzuerkennen, dass der ePA-Befüllungsprozess nicht ohne zusätzlichen Mehraufwand in Form von ärztlichen Ermittlungen, Aufklärung und Dokumentation in den Arztpraxen auskommt.
Ende der Sanktionen zur Digitalisierung in der Medizin
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert ein Ende der Politik der Strafe bei der Digitalisierung in der Medizin. Eine weitere Durchsetzung von dysfunktionalen digitalen Anwendungen, die Mehraufwand in Praxis und Krankenhaus für ärztliche Anwender zur Folge haben, ist nicht weiter akzeptabel. Anwendungen müssen durch eine Arbeitserleichterung in Sprechstunde und Krankenhaus überzeugen und sich so von allein auf dem Anwendermarkt durchsetzen.
Aufforderung zur Optimierung des Gesundheits-Digital-Agentur-Gesetzes (GDAG)
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert den Gesetzgeber auf, den aktuellen Entwurf des Gesundheits-Digital-Agentur-Gesetzes (GDAG) in folgenden Punkten nachzubessern:
Verpflichtende Erprobung und Evaluation neuer Systeme
Systeme zur Digitalisierung im Gesundheitswesen sollen grundsätzlich mindestens ein Quartal lang in einer repräsentativen Pilotregion getestet werden, bevor sie bundesweit ausgerollt werden. Dies gewährleistet eine umfassende Prüfung der Praxistauglichkeit und Nutzerfreundlichkeit und vermeidet Probleme durch unzureichend getestete Systeme im gesamten Gesundheitssystem. Derartige Testphasen könnten entscheidend sein, um spätere juristische Auseinandersetzungen und Anpassungen an nicht erprobte Standards zu vermeiden.
Einheitliche Zertifizierungsstandards
Für die Entwicklung und den Einsatz digitaler Anwendungen und Komponenten in der Telematikinfrastruktur (TI) sind einheitliche und verbindliche Standards erforderlich, gegen die zertifiziert werden kann. Ein klar definierter „Duden“ solcher Standards vermeidet Fragmentierungen und Dialekte, die zu Kompatibilitätsproblemen und Ineffizienzen führen könnten. Einheitliche Standards sind essentiell, um eine reibungslose und interoperable Nutzung zu gewährleisten.
Etablierung eines unabhängigen Beirats
Zur Sicherstellung einer ausgewogenen Perspektive fordert die Kammerversammlung die Einrichtung eines Beirats, der Vertreter aus der Patientenvertretung, Wissenschaft und Versorgung umfasst. Ein Beirat würde gewährleisten, dass die Digitalisierung aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet wird, um eine zukunftsorientierte und für alle relevante Lösung zu entwickeln.
„Wer bestellt, bezahlt“-Prinzip im Gesundheitswesen
Die Finanzierungsverantwortung für die Digitalagentur darf nicht ausschließlich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übertragen werden, wenn die Entscheidungshoheit beim Bund bzw. dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) verbleibt. Ein fairer Lastenausgleich ist unabdingbar, um eine nachhaltige und gerechte Digitalisierung des Gesundheitswesens sicherzustellen.
Agile, innovative Strukturen statt staatlicher Verwaltung
Anstelle eines Bundesamtes für die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist eine flexible und innovative Struktur erforderlich. Die Infrastruktur im Gesundheitswesen sollte im Rahmen des bewährten Sozialversicherungsmodells zur Verfügung gestellt werden, das auf einer Kooperation zwischen staatlicher Rahmensetzung und privatwirtschaftlicher Trägerschaft beruht. Eine starre Verwaltungseinheit würde möglicherweise die Agilität und Effizienz, die für die dynamischen Anforderungen der Digitalisierung notwendig sind, einschränken.
Modernisierung der Telematik-Infrastruktur
Die aktuelle technische Grundlage der Telematikinfrastruktur basiert auf einem veralteten, über 20 Jahre alten Systementwurf, der den modernen Sicherheitsanforderungen und technologischen Standards nicht mehr entspricht. Die Kammerversammlung fordert die Möglichkeit zur Einbindung moderner, mindestens gleichwertiger Sicherheitskonzepte, um sowohl die Sicherheit als auch die Effektivität der TI zu gewährleisten.
Telemedizinische Versorgung ärztlich gestalten
Laut § 7 Abs. 4 MBO-Ä (Musterberufsordnung der Ärzte) ist eine ausschließliche Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien nur im Einzelfall ärztlich erlaubt.
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert den Gesetzgeber und die Kostenträger auf
- die Strukturen der ärztlichen Selbstverwaltung (Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen sowie ärztliche Berufsverbände) verbindlich in die Gestaltung telemedizinischer Angebote einzubeziehen.
- telemedizinische Angebote ohne feste Bindung an Versorgungsstrukturen (Hausarztpraxis, Facharztpraxis oder Krankenhausambulanz) nur in begründeten Einzelfällen und nicht als Regelfall zuzulassen, mindestens jedoch muss die grundsätzliche Möglichkeit zu einer persönlichen Nachuntersuchung gegeben sein.
- sicherzustellen, dass das Geschäftsmodell von Telemedizinanbietern, insbesondere die ausschließliche Versorgung von Patientinnen und Patienten mit leichten Erkrankungen, nicht zu Lasten niedergelassener Ärzte gehen und die Vergütungssysteme die ärztlichen Leistungen fair sowie transparent abbilden.
Sicherung der spezialisierten multimodalen Schmerzmedizin
Die Ärztekammer Nordrhein fordert Bund und Länder auf, zügig für eine bessere und weiterhin flächendeckende Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen zu sorgen. Dazu sind die bereits bestehenden schmerztherapeutischen Versorgungsstrukturen im stationären und teilstationären Bereich zu erhalten sowie bedarfsgerecht und sektorenverbindend auszubauen.
Sektorenübergreifende Versorgung und hausärztliche Versorgung
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert den Vermittlungsausschuss im Gesetzgebungsprozess auf, die Ergänzung des Absatz 3 §116a SGB V, wie im KHVVG vorgesehen, ersatzlos zu streichen.
Keine Verkürzung der Weiterbildungszeit
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein lehnt eine Verkürzung der Weiterbildungszeit zur Zulassung an der Fachgebietsprüfung auf weniger als 60 Monate in allen Fachgebieten gleichermaßen ab, dies umfasst insbesondere das Fachgebiet der Allgemeinmedizin.
Aufklärungspflichten über Risiken der ePA durch Beteiligte und Institutionen außerhalb der Ärzteschaft
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert, dass Patienten durch das Bundesgesundheitsministerium, die gematik und die Krankenkassen vollumfänglich zu Risiken und Nebenwirkungen einer zentralen Speicherung ihrer Gesundheitsdaten in einer Cloud-Struktur aufgeklärt werden müssen.
Die Entscheidung für oder gegen ein Opt-out kann nur im Sinne eines "Informed Consent" vom Patienten objektiv und voll verantwortlich getroffen werden.
K.O.-Tropfen: Eine gefährliche und kaum kontrollierbare Bedrohung
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert die Mitglieder des Bundestages eindringlich auf, die im Kabinett beschlossene Regulierung von Gammabutyrolacton (GBL) und 1,4-Butandiol (sogenannte K.O.-Tropfen) und Lachgas ohne Verzögerung zu behandeln.
Gammabutyrolacton (GBL) und 1,4-Butandiol (sogenannte K.O.-Tropfen) haben eine geringe therapeutische Breite und stellen sowohl für die Anwender als auch für die Opfer von Straftaten eine erhebliche Gefahr dar.
Entgegen der Darstellung in der Presse („BGH: K.O.-Tropfen sind kein gefährliches Werkzeug“) hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt, dass GBL ein sehr gefährliches und in seiner konkreten Wirkungsweise, insbesondere in Kombination mit erheblichen Mengen Alkohol, kaum kontrollierbares Mittel im Sinne des § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB ist. Der BGH hat zudem darauf hingewiesen, dass die Herbeiführung einer konkreten Todesgefahr für das Opfer möglich sei.
Die Ärzteschaft warnt eindringlich vor der Nutzung dieser sogenannten Partydrogen und verweist auf den zunehmenden Missbrauch sowie deren gravierende gesundheitliche Auswirkungen und Abhängigkeitspotenzial.
Die Kammerversammlung fordert die Politik und die Medien dazu auf, im Sinne des Schutzes und der Prävention von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen tätig zu werden. Konkret sollen:
- die Abgabe von Lachgas und GHB/GBL streng reguliert werden,
- Präventionsmodelle und Aufklärungsinitiativen in Schulen und der Jugendarbeit unterstützt werden
- Beweissicherungsmöglichkeiten verbessern, die Ärzteschaft insb. auch im Sinne der anonymen Spurensicherung schulen
Sektorenübergreifende Versorgung und allgemeinmedizinische Weiterbildung
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein lehnt eine umfassende Rolle von sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen bei der allgemeinmedizinischen Weiterbildung ab. Kernelement der allgemeinmedizinischen Weiterbildung muss auch weiterhin eine verpflichtende Tätigkeit in einer Hausarztpraxis mit typischem hausärztlichen Tätigkeitsspektrum bleiben.
Wir sind unseren Patientinnen und Patienten verpflichtet. Der Umbau des Gesundheits- und Sozialsystems nur mit einem freiwilligen und effizienzsteigernden Primärarztsystem.
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert die Gesetzgeber und alle Parteien auf, die notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen zu beschließen, um einen weiterhin ungerichteten Abbau des Gesundheitssystem zu verhindern. Hierzu brauchen wir kurzfristig
- ein freiwilliges, hausarztzentriertes, primärärztliches Steuerungssystem mit Bonusorientierung für Patienten
- die Entbudgetierung der hausärztlichen und nachfolgenden fachärztlichen Leistungen in einem gesteuerten System, sonst werden immer mehr Arztpraxen schließen müssen, mit verheerenden Folgen für eine wohnortnahe Versorgung
- eine verlässliche Krankenhausplanung mit Verschränkung der Leistungen ambulant – stationär
- eine Erweiterung der Hybrid-DRGs mit Einbindung der hausärztlichen Leistungen
- eine Priorisierung der medikamentösen Versorgung
- Förderprogramme zur Finanzierung der Transformation des Gesundheitswesens
- ein Primärpräventionssystem zur Gesundheitserziehung
- eine ehrliche Priorisierungsdebatte im Bundestag und hierzu eine Rechtssicherheit.
Keine Ausgabenneutralität bei der GOÄ
Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert die Bundesärztekammer (BÄK) auf, im Rahmen der GOÄ-Neu bei den Verhandlungen mit der PKV nachzubessern. Eine Ausgabenneutralität ignoriert die wirtschaftliche Entwicklung der letzten 40 Jahre.