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Das Medizinethische Forum 2018 beschäftigte sich mit der Frage: "Wie sorgt man heute fürs Seelenheil? Psychische Erkrankungen als pastorale, medizinische und gesellschaftliche Herausforderung?"

„Der Mensch hat keine Seele, er ist durch und durch Seele“

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Gegen eine stigmatisierende Überbetonung des Leidensdrucks psychischer Erkrankungen im Vergleich zu somatischen Erkrankungen hat sich die Ärztliche Direktorin des LVR-Klinikums Düsseldorf, Professor Dr. Eva Meisenzahl-Lechner, auf dem 12. Medizinethischen Forum des ASG-Bildungsforum ausgesprochen. Auch Menschen, die zum Beispiel an Parkinson oder einer beginnenden Demenz litten, sprächen in der Regel nicht gern über ihre Erkrankung, sagte die Ärztin auf der Veranstaltung, die in diesem Jahr unter dem Motto stand: „Wie sorgt man heute fürs Seelenheil?“ Ihren Patienten sage sie oft: „Das ist eine Erkrankung, die einen chronischen Aspekt haben kann, aber sie ist nicht wirklich anders als Erkrankungen, die andere Menschen erleben.“

Auch die Auswirkungen, die somatische Erkrankungen wie MS, ALS oder Mukoviszidose auf die Seele haben könnten, seien in ihrer Dimension durchaus ähnlich, so Meisenzahl-Lechner. „Für mich ist das auch ein Stück weit gelebtes Anti-Stigma zu sagen: Wir sind alle in guter Gesellschaft.“ Viele Krankheiten seien eben nicht heilbar und schritten fort, unabhängig ob sie psychischer oder somatischer Art seien. „Das sind alles Päckchen, mit denen wir alle umzugehen haben. Und in diese Reihe würde ich auch psychiatrische Erkrankungen stellen wollen“, so Meisenzahl-Lechner im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf.

„Der Mensch hat keine Seele. Das muss ganz klar sein“, sagte Professor Dr. Wolfgang Reuter, Pastoralpsychologe und Klinikseelsorger am LVR-Klinikum Düsseldorf. Denn der Mensch sei nach jüdischer und christlicher Überlieferung (Genesis 2,7) „durch und durch Seele. Der Mensch hat keine Seele, er ist eine Seele“, so Reuter. „Wenn der Mensch in seiner Ganzheit zu leiden beginnt oder zum Leiden gekommen ist ohne es zu wollen, aus welchen Gründen auch immer, dann braucht er ganz viel Zuspruch.“ Natürlich brauche es eine hochprofessionelle Medizin und therapeutische Angebote. „Was aber ist, was er auch noch braucht? Und hier kommt die Seelsorge ins Boot.“ Im 19. Jahrhundert hätten sich Priester als Seelsorger und Mediziner noch Auseinandersetzungen darüber geliefert, wie dem Patienten zu helfen sei.

Von seelischen Erkrankungen sei in der Regel nicht nur der einzelne Mensch betroffen, sondern es entstehe letztendlich ein „Ungleichgewicht im gesamten System“, sagte Elke Wirmann, Psychiatriekoordinatorin des Düsseldorfer Gesundheitsamts. Dieses Ungleichgewicht sei zum Beispiel für betroffene Familien sehr, sehr erschreckend und belastend“, sagte Wirmann, die auf 25 Jahre Erfahrung im Sozialpsychiatrischen Dienst zurückblicken kann. In dieser Zeit habe sie viele erkrankte Menschen erlebt. Bei allem Leid habe sie auch sehr viel Kreativität gesehen, wie Menschen mit der Situation umgingen und einen individuellen Weg aus der Krise suchten. „Tatsächlich gibt es viele Wege zum Heil.“ Medizin sei ein Weg, aber nicht der einzige. „Jeder Mensch muss sich auf den Weg machen, zu seinem eigenen Seelenheil zu finden.“

Mit Blick auf das Schlagwort der Veranstaltung, das „Seelenheil“, sprach Trudpert Schoner, Suchtkoordinator des Düsseldorfer Gesundheitsamts, von einer teilweise „verseuchten“ Thematik. So werde das Thema Glück in diversen Magazinen inzwischen „inflationär“ behandelt, und das mit dem Schwerpunkt auf eine Selbstoptimierung. Dabei stelle sich ihm immer die Frage: „Ist das der richtige Ansatz, die Seele wie einen Muskel trainieren und optimieren zu wollen und Zufriedenheit optimieren zu wollen?“

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ble


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