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Weiterführende Informationen und Differentialdiagnostik zur Zertifizierten Kasuistik: Fehlender Geruchssinn (Anosmie) bei einem präpubertären, 19 Jahre alten Patienten


Folge 74 der Reihe Zertifizierte Kasuistik

von Charlotte Fries und Dietrich Klingmüller

 

Ursachen

Ursachen einer Anosmie sind vielfältig:
erworben: zum Beispiel bei Traumen, Tumoren, Infektionen (chronischer Rhinosinusitis, Covid 19), Polyposis nasi
angeboren: (Kallmann Syndrom)

 

Steuerung der Hodenfunktionen

GnRH ist der übergeordnete Regulator der Gonadenfunktion. Es wird im Hypothalamus gebildet und stimuliert im Hypophysenvorderlappen die Produktion und Sekretion der Gonadotropine LH und FSH. LH stimuliert in den Leydigschen Zwischenzellen des Hodens die Bildung und Ausschüttung von Testosteron, während FSH die Spermatogenese und auch die Bildung von Inhibin B anregt. Durch negative Rückkopplung können Testosteron und Inhibin B  die Ausschüttung der Gonadotropine und damit ihre eigene Bildung supprimieren. So unterdrückt Testosteron die Sekretion von LH und FSH und Inhibin B die von FSH.

Pathogenese des Hypogonadismus

Ein Ausfall der Hodenfunktion führt zum Hypogonadismus. Dieser kann je nach Lokalisation der Störung (Testes, Hypophyse, Hypothalamus) primär, sekundär oder tertiär verursacht sein. Bei einer testikulären Störung werden Testosteron und Inhibin B vermindert gebildet. Entsprechend werden die Gonadotropine ungebremst vermehrt sezerniert (hypergonadotroper Hypogonadismus). Bei einer zentralen Störung werden die Gonadotropine dagegen vermindert ausgeschüttet und Testosteron ist in der Folge niedrig (hypogonadotroper Hypogonadismus). Die Störungen können angeboren oder erworben sein (siehe Literatur 1, Tabelle 1).

Tabelle 1: Ursachen eines Hypogonadismus

Hypergonadotroper Hypogonadismus
angeborenKlinefelter-Syndrom
Anorchie
Hodenhochstand
Störung der Testosteronsynthese
erworbenOrchitis
Trauma, Kastration, Tumor
Medikamente wie Zytostatika, Antikonvulsiva
Hypogonadotroper Hypogonadismus
angeborenKallmann-Syndrom (Anosmie)
Isolierte Störung der LH- ode FSH-Sekretion
Idiopathisch
erworbenHypophysenadenome inklusive Prolaktinome
Kraniopharyngeom
Operationen, Radiatio
Medikamente
Chronische Erkankungen (Leberzirrhose, Niereninsuffizienz)
Adipositas
Hämochromatose
 

Klinik des Hypogonadismus

Die Klinik des Hypogonadismus unterscheidet sich je nach Zeitpunkt der Erstmanifestation (siehe Tabelle 2). Entscheidend ist hierfür, ob die Pubertät bereits durchlaufen wurde.

Tabelle 2: Klinik des Hypogonadismus

 Auftreten vor der PubertätAuftreten nach der Pubertät
Testesklein, gegebenenfalls LageanomalieVolumenabnahme
ProstatakleinVolumenabnahme
SpermatogeneseAzoospermiesistiert
Libido, PotenzfehlenVerlust
SekundärbehaarungminimalAbnahme
MuskulaturvermindertAbnahme
BlutbildungvermindertAbnahme
Knocheneunuchoider HochwuchsOsteopenie / Osteoporose
Stimmekein Stimmbruchkeine Änderung
 

Diagnostik

Basal: Anamnese, körperliche Untersuchung, Bestimmung der Hodengröße mit Orchidometer/Ultraschall, Testosteron, LH, FSH, Blutbild.
Niedrige Testosteronwerte sollten in einer zweiten Messung überprüft werden.
Weiterführende Diagnostik: Labor (siehe Abbildung 2), Spermiogramm, Ferritin, MRT Sella (Literatur 2), Perimetrie, gegebenenfalls Hypophysenbasislabor inklusive Prolaktin, gegebenenfalls genetische Untersuchung.

Therapie

Bei nachgewiesenem Testosteronmangel sollte nach Klärung der Ursache Testosteron substituiert werden. Im Allgemeinen wird mit Testosterondepotpräparaten i.m. (z.B. 250 mg Testosteronenantat alle 3 bis 4 Wochen i.m.) oder Applikation von Testosterongel behandelt. Bei Pubertas tarda hängt die Dosis von Alter und Reifestadium ab.

Eine Induktion der Spermatogenese ist unter Testosterontherapie nicht möglich. Bei einem hypogonadotropem Hypogonadismus werden bei Kinderwunsch statt Testosteron Gonadotropine: LH (hCG) und FSH (hMG) zur Induktion der Spermatogenese gegeben (Literatur 3).

Prognose

Die Substitution des fehlenden Testosterons normalisiert das klinische Androgendefizit. Die Prognose ist dann sehr günstig. Bei einer Langzeitbehandlung werden ein- bis zweimal im Jahr somatische, psychische und Laborparameter überprüft. Kontraindikationen sind aktive Prostatakarzinome und das seltene Mamma-Karzinom des Mannes.

Literatur

  1. Brämswig J; Dübbers A, Störungen der Pubertätsentwicklung, Dtsch Arztebl Int 2009; 106(17): 295-304
  2. Klingmüller D, Dewes W, Krahe T, et al, Magnetic resonance imaging of the brain in patients with anosmia and hypothalamic hypogonadism (Kallmann's syndrome). J Clin Endocrinol Metab. 1987 Sep;65(3):581-4
  3. Young J  ,  Xu C, Papadakis GE, et al., Clinical Management of Congenital Hypogonadotropic Hypogonadism Endocr Rev . 2019 Apr 1;40(2):669-710