Weiterführende Informationen und Differentialdiagnostik zur Zertifizierten Kasuistik: Patientin mit rezidivierender Konjunktivitis
Folge 86 der Reihe Zertifizierte Kasuistik
von Johanna Wiedemann und Claus Cursiefen
Erläuterung
In der vorliegenden Kasuistik handelte es sich um eine Patientin mit einer beidseitigen adenovirale und herpetische Kerato-Konjunktivitis. Das Krankheitsbild er 41-jährigen Patientin war charakterisiert durch eine akute follikuläre, mäßig papilläre Konjunktivitis beider Augen inklusive Beteiligung der Ober- und Unterlider. Anamnestisch ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass die Patientin nach einem Urlaub in Namibia erstmals eine beidseitige Bindehautentzündung bemerkt hatte, die persistierte. Bereits bei der damaligen Erstvorstellung bestand der Verdacht auf Steroidrespons bei intraokulärem Druck (IOD) extern bis 50 mmHg am linken Auge gemessen (Normalwert bis 21 mm Hg). Unklar blieb, aufgrund welcher Vorerkrankung und in welcher Darreichungsform die Patientin extern Kortison bekam.
Weitere diagnostische Maßnahmen
Clamydien PCR: negativ
Virologie sowie Resistenztestung anhand des Bindehautexzidates: In der virologischen Untersuchung wurde aufgrund des genotypischen Befundes das Resistenzverhalten des HSV-1 Stammes mit hoher Wahrscheinlichkeit als Acyclovir-resistent beurteilt.
Pathologie: kein Anhalt für ein Lymphom
Bei ausbleibender Befundverbesserung unter Lokaltherapie und überwiegend follikulärer Komponente der Bindehautsackinjektion wurde bei Verdacht auf unspezifische virale Konjunktivitis zwei Monate nach Erstvorstellung in unserer Klinik eine systemische Therapie mit Acyclovir 5 × 400 mg und eine Lokaltherapie mit Foscavir AT (5 × täglich) begonnen. Zwischenzeitlich kam es zu Lieferpausen der Foscavir-Augentropfen, die mit Virgan-Salbe überbrückt wurden.
Unter dieser Theraie kam es innerhalb von fünf Wochen zu einer deutlichen Befundbesserung, sodass ein erneuter Therapiestoß verordnet wurde und die Patientin sich anschließend in weitere ambulante Behandlung begab. Ungewöhnlich ist, dass es keine vorherige Herpesanamnese gab, der Befund beidseits auftrat und die kornealen Nummuli letztendlich untypisch sind und ursächlich nicht geklärt werden konnten.
| Differentialdiagnose der follikulären Hypertrophie der Bindehaut [1] | ||
| infektiös | ||
| akut | ||
Viren
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| Chlamydien oculogenitalis | ||
| chronisch | ||
Chlamydien
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| Bakterien zum Beispiel Moraxellen | ||
| Spirochaeten zum Beispiel Borrelial burgdorferi | ||
| Viren zum Beispiel Epstein-Bar, Masern | ||
| nicht infektiös | ||
| Medikamenten-induziertes "Pseudotrachom" | ||
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| immunologische Reaktion | ||
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| Refraktionsfehler | ||
Komplikationen, Therapie und Prognose der viralen Kerato-Konjunktivitis
Eine Herpes-simplex-Infektion des Auges und speziell der Hornhaut ist eine häufige und potenziell zur Erblindung führende Erkrankung, die durch wiederkehrende Infektionen mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV) verursacht wird. Die Herpes-simplex-Keratitis ist nach wie vor die weltweit häufigste infektiöse Ursache von Hornhautgeschwüren und Erblindung. Die am weitesten verbreiteten HSV-Typen sind HSV-1 und HSV-2. Sie befallen den Menschen als einzigen natürlichen Wirt. HSV-1 ist in der Regel die Ursache für Infektionen im Mund-, Lippen- und Augenbereich.
Die Erkrankung kann durch eine primäre HSV-Augeninfektion oder eine wiederkehrende Infektion verursacht werden. Nach der Erstinfektion im Augenbereich wandert das Virus über den ersten Ast des Trigeminusnervs (V1) zum Trigeminusganglion und bleibt dort latent. Wenn das HSV aufgrund ungünstiger Immunbedingungen reaktiviert wird, wandert es zurück in die Hornhaut und löst eine Entzündungsreaktion aus. Die Bindehaut, die Hornhaut, der vordere Augenabschnitt, die Iris, die Linse, der Glaskörper, der Sehnerv und die Netzhaut können betroffen sein. Ein HSV-Rezidiv in der Hornhaut verursacht eine Herpes-simplex-Keratitis. [3, 4]. Ein rezidivierender Herpes simplex ophthalmicus entsteht meist durch die Reaktivierung des latenten Virus im Trigeminusganglion. In der Hornhaut ist auch eine extraneuronale Viruslatenz und spätere Reaktivierung möglich [5].
Das Schleimhautsystem des Auges, das aus der Bindehaut, den Meibomschen Drüsen und den Tränendrüsen besteht, ist auf die besonderen Bedürfnisse der Lubrifikation und des Schutzes der Augenoberfläche spezialisiert. Um das Sehvermögen zu erhalten, nehmen dichte neuronale und immunologische Netzwerke verschiedene Reize wahr und steuern Reaktionen, die genau kontrolliert sind, um Schutz zu bieten und gleichzeitig Kollateralschäden zu minimieren. All dies geschieht vor dem Hintergrund von Mikroorganismen, die die Augenschleimhaut langfristig besiedeln oder einfach nur vorübergehend aus der Umwelt eingeschleppt werden und kann von diesen verändert werden [6].
Bei der Blepharokonjunktivitis ist das Herpes-simplex-Virus für 1,3 bis 4,8 Prozent der viralen Blepharokonjunktivitis ursächlich [3]. Oft fällt die Unterscheidung zwischen bakteriel, viral oder allergisch nicht leicht, da es zu gemischten Präsentationen kommen kann (siehe Abbildung).
Die primäre Herpes-simplex-Konjunktivitis tritt in der Regel bei Kindern unter fünf Jahren auf. Merkmale sind wässriger Ausfluss, follikuläre Bindehautentzündung und präaurikuläre Lymphadenopathie mit kutanem Bläschenausschlag auf den Lidern und an den Lidkanten. Die meisten werden durch das HSV-1-Virus verursacht. Die nässenden Läsionen sind diffus, scheiden zehn Tage lang Viren aus und klingen nach zwei bis drei Wochen ab. Gelegentlich sieht man eine Hornhautbeteiligung in Form einer punktförmigen epithelialen Keratitis, marginaler Infiltrate oder eines dendritischen Ulkus.
Die Diagnose erfolgt durch klinische Untersuchung, Fluoreszenz-Färbung oder PCR; konjunktivale Abstriche beziehungsweise Biopsien zeigen mononukleäre Zellinfiltrate.
Die Blepharokonjunktivitis kann spontan in ein oder zwei Wochen abklingen. Einige Patienten benötigen möglicherweise Acyclovir-Augensalbe für die Keratitis oder Lidbläschen. Im Regelfall ist der Befall einseitig, anders als im Fall der hier beschriebenen Patientin.
Differenzierungsmerkmale der akuten Konjunktivitis [2]
| Ätiologie | Ausfluss / Zelltyp | Lidödem | Knotenbeteiligung | Juckreiz |
| Bakteriell | Eitrig / polymorphkerige Leukozyten | Moderat | Normalerweise keine | Keine |
| Viral | Klar / mononukleären Zellen | Minimal | Ort vorliegend | Normalerweise kein |
| Allergisch | Klar, schleimig, zäh / Eosinophilen | Mittelschwer bis schwer | Keine | Mild bis intensiv |
Die Behandlung mit topischen Antibiotika, Virostatika und systemischen Virostatika zielt darauf ab, die Virusvermehrung einzuschränken, die Schwere der Läsion zu verringern und eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Antivirale Mittel, sowohl topische als auch systemische Virostatika, sind die Behandlung der Wahl. Schwere Infektionen und ihre Folgeerscheinungen können oft zu schweren Beeinträchtigungen des Sehvermögens führen. Einmal infiziert, ist es unmöglich, das Virus aus dem Körper zu entfernen [4].
Zielführend waren im hier beschriebenen Fall die längerfristige antientzündliche Therapie mit Cyclosporin AT und Hylocomod sowie die repetitiven antiviralen Stoßtherapien nicht nur mit Acyclovir, sondern bei Acyclovirresistenz auch mit topischem Gancyclovir.
Aufgrund des Therapieerfolges diagnostizierten wir eine kombinierte adenovirale und herpetische Kerato-Konjunktivitis mit partieller Acyclovirresistenz.
Literatur
- Naumann G.O.H. Pathologie des Auges I (Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 1997, S. 392 Syed, Z. Virale Konjunktivitis. 2023 2023/04 [cited 2023; Available from: www.msdmanuals.com/de/profi/augenkrankheiten/krankheiten-der-binde-und-lederhaut/virale-konjunktivitis.
- Ahmad, B., B. Gurnani, and B.C. Patel, Herpes Simplex Keratitis, in StatPearls.
- 2024, StatPearls PublishingCopyright © 2024, StatPearls Publishing LLC.: Treasure Island (FL).
- Kanukollu, V.M. and B.C. Patel, Herpes Simplex Ophthalmicus, in StatPearls. 2024, StatPearls Publishing Copyright © 2024, StatPearls Publishing LLC.: Treasure Island (FL).
- Rong, B.L., et al., Detection of herpes simplex virus thymidine kinase and latency-associated transcript gene sequences in human herpetic corneas by polymerase chain reaction amplification. Invest Ophthalmol Vis Sci, 1991. 32(6): p. 1808-15.
- de Paiva, C.S., A.J. St Leger, and R.R. Caspi, Mucosal immunology of the ocular surface. Mucosal Immunol, 2022. 15(6): p. 1143-1157.