Vorlesen

Volkskrankheit Demenz: Heute schon an morgen denken

31.01.2019 Seite 19
RAE Ausgabe 2/2019

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 2/2019

Seite 19

v. l. Dirk Ruiss, Leiter Verband der Ersatzkassen e. V. NRW, Dr. med. Heinz-Wilhelm Esser, Arzt und Fernsehmoderator „Doc Esser“; Christian Heerdt, Landesinitiative Demenz-Service NRW, Stephanie Theiß, Leiterin KOSA, Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein; Änne Türke, Leiterin Demenz-Servicezentrum Region Köln und das südliche Rheinland; Regina Schmitz-Zadel, Vorstand Alzheimer Gesellschaft NRW e. V.; Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein; Dr. med. Heribert Müller, Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW; Uwe Lübking, Deutscher Städte- und Gemeindebund in Berlin. © KV Nordrhein/Möhl

In den kommenden Jahren werden immer mehr Menschen von demenziellen Erkrankungen betroffen sein. Im Dezember luden die Kooperationsberatung für Selbsthilfegruppen und Ärzte (KOSA) der KV Nordrhein und das Kölner Demenz-Servicezentrum zu einem Fachtag nach Düsseldorf ein.

von Bianca Wolter *

Rund 150 Vertreter aus Gesundheitswesen, Politik und Selbsthilfe diskutierten am Mittwoch, 5. Dezember 2018, rege im Rahmen des Fachtags „Demenz 2030 – Die Zukunft im Blick“. Dieser wurde von der Kooperationsberatung für Selbsthilfegruppen und Ärzte (KOSA) der KV Nordrhein und des Kölner Demenz-Servicezentrums organisiert. Der bekannte Fernseharzt „Doc Esser“, selbst Oberarzt für Innere Medizin und Pneumologie in Remscheid, führte durch die Veranstaltung im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf.

Gesellschaftliche Herausforderung

In den kommenden Jahren werden immer mehr Menschen von demenziellen Erkrankungen betroffen sein – die jährliche Zuwachsrate in Deutschland liegt bei 300.000 Personen. Anlass genug, der Frage nachzugehen, wie man dieser gesellschaftlichen Herausforderung auf verschiedenen Ebenen begegnen kann.

Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, betonte die Bedeutung der Prävention beim Krankheitsbild Demenz: „Bisher gibt es keine Medikamente mit guter Krankheitsmodifikation. Angesichts der immer noch begrenzten Therapiemöglichkeiten gilt es, dass Risiko für eine Demenz möglichst zu reduzieren.“ Dazu sei es neben körperlichem und kognitivem Training sowie einer ausgewogenen Ernährung auch entscheidend, Gefäßrisikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin, Diabetes und Übergewicht zu vermeiden.

Claudia Middendorf, Patienten- und Behindertenbeauftragte des Landes NRW, nahm besonders die pflegenden Angehörigen in den Blick, da diese typischerweise sehr belastet seien. Von rund 1,7 Millionen Patienten werden etwa 700.000 in Heimen betreut, eine Million von den Angehörigen zu Hause.

Sozialräume schaffen

Dass Demenz nicht nur ein Problem der Pflege und Versorgung ist, unterstrich Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund aus Berlin. Er appelliert an sämtliche Kommunen, städtebaulich und planerisch inklusive Sozialräume zu schaffen, um Betroffene nicht auszugrenzen, sondern zu integrieren. Menschen mit Demenz möchten trotz ihrer Krankheit am normalen Leben teilhaben können.

Regina Schmidt-Zadel, Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaften NRW, forderte von der Politik, Pflege als Daseinsvorsorge zu begreifen und den Themen Bildung und Rente gleichzustellen. Sie befürwortet die Einführung einer Pflegezeit für Angehörige ähnlich der Elternzeit sowie den Ausbau der Pflegeversicherung zur Vollversicherung, um übermäßige finanzielle Belastungen zu verhindern.

Für Betroffene und Angehörige gibt es zahlreiche strukturelle Unterstützungsangebote vor Ort. Zentrale Koordinierungsstelle in Nordrhein-Westfalen ist die Landesinitiative Demenz-Service NRW, vertreten durch Christian Heerdt. Er legte den Fokus auf die komplementären Hilfen, also Angebote wie Musiktherapie oder Besuchsdienste, die die Behandlung sinnvoll ergänzen.

Um Demenz in all seinen Facetten zu erfassen, ist eine multiprofessionelle Zusammenarbeit und Austausch nötig. Dieser wurde an drei Thementischen gepflegt, wo unter anderem Dirk Ruiss, Leiter der vdek-Landesvertretung, sowie Dr. Heribert Müller vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit den Teilnehmern debattierten. Daneben machten viele Gäste von der Möglichkeit Gebrauch, am Demenz-Parcours „Hands-on Dementia“ selbst anhand verschiedener Stationen zu erleben, wie Demenz sich anfühlt. Deutlich wurde: Demenzkranke zu betreuen ist eine große Herausforderung und erfordert interdisziplinären und interprofessionellen Austausch.

* Bianca Wolter ist Mitarbeiterin der Kooperationsberatung für Selbsthilfegruppen, Ärzte und Psychotherapeuten (KOSA) der KV Nordrhein.