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Gesundheits- und Sozialpolitik

Bergmann: Vertrauen in die Selbstverwaltung

20.09.2019 Seite 17
RAE Ausgabe 10/2019

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 10/2019

Seite 17

Zum Sommerempfang der nordrheinischen Ärzteschaft laden Kassenärztliche Vereinigung und Ärztekammer Nordrhein gemeinsam ein. Unser Foto zeigt von links: Dr. Carsten König M. san., 2. Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein, Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV, Dr. Edmund Heller, Staatssekretär im Landesgesundheitsministerium, Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein und Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer. © Jochen Rolfes
Bereits zum 16. Mal luden die ärztlichen Körperschaften in Nordrhein zum traditionellen Sommerempfang ins Haus der Ärzteschaft nach Düsseldorf ein. Rund 350 Gäste folgten der Einladung.

von Jürgen Brenn

Bei kühlen 17 Grad Celsius und leichtem Nieselregen fanden sich die 350 Gäste zum diesjährigen Sommerempfang im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft ein. Gastgeber sind die Ärztekammer Nordrhein und die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo).

TSVG und Notdienst-Reform-Pläne

Der Vorstandsvorsitzende der KVNo, Dr. Frank Bergmann, nahm die Gelegenheit wahr, im Beisein von Staatssekretär im Landesgesundheitsministerium, Dr. Edmund Heller, zu aktuellen Entwicklungen und Gesetzesvorhaben aus KV-Sicht Stellung zu nehmen. Beispielsweise warf er einen kritischen Blick auf das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das die KV zwar bei der Umsetzung mitgestalte, so Bergmann. Allerdings scheine das Vertrauen in die Selbstverwaltung auf Bundesebene brüchig zu sein, sonst „bräuchte es kein aktuelles Notfall-Reform-Gesetz“. Als einen „heftigen Eingriff in eine der Kernaufgaben des KV-Systems“ bezeichnete er den Plan, den Sicherstellungsauftrag für den Notdienst von den KVen auf das Land übertragen zu wollen. Bergmann bezweifelte, dass eine Übertragung des Sicherstellungsauftrags im Notdienst auf das Land nötig und zweckmäßig und vor allem kostengünstiger ist, als das bewährte derzeitige System. Die Länder müssten nämlich Versorgungsverträge mit den Krankenversicherungen abschließen und Ärzte rekrutieren. „Wirtschaftlicher und effektiver als jetzt kann das nicht sein“, so Bergmann. Vor allem beruhten die aktuellen Reform-Überlegungen auf einem zentralen „Denkfehler“: Die Dichotomisierung der Patienten in reguläre Patienten und Notfallpatienten. Dies sei zu einfach gedacht, denn dazwischen gebe es eine Vielzahl von Akutpatienten mit unterschiedlicher Dringlichkeit von sofort bis in ein paar Tagen, erklärte der KV-Vorsitzende: „Genau das regeln wir derzeit in der Umsetzung des TSVG und genau das konterkariert der aktuelle Arbeitsentwurf.“

Mit Blick auf die hohe Schlagzahl an Gesetzen aus dem Bundesministerium – 16 Gesetze in 16 Monaten – mahnte Bergmann an, dass diese auch mit ihren kleinteiligen Regelungen drohen, über das Ziel hinauszuschießen. Mit dem TSVG regiere die Politik „praktisch bis in die Terminkalender der Praxen hinein“ und binde erhebliche Ressourcen in Verwaltung und Praxen. Insgesamt führe die derzeitige gesundheitspolitische Situation zu immer mehr Bürokratismus. Viele Niedergelassene, so Bergmann, seien mit den derzeitigen Arbeitsbedingungen und den gesundheitspolitischen Plänen der Regierung so unzufrieden, dass sie ihre kassenärztliche Tätigkeit früher als geplant beenden wollten.

„Patientenorientierung ist Arztorientierung“

Dr. Edmund Heller, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (‚MAGS), zeigte Verständnis für die vom KV-Vorsitzenden vorgetragenen Bedenken zu den aktuellen Gesetzen und -vorhaben. Auch das MAGS beobachte ganz genau, welche Pläne aus Berlin kommen. Dass die KVen das TSVG als eine große Herausforderung wahrnehmen, sei verständlich. Auch sei klar, dass die Pläne zum Notfalldienst als Eingriff in die Selbstverwaltung gesehen und kritisiert werden. Dennoch versicherte Heller: „Wir sehen die KVen als Partner und nicht als Konkurrenten.“ Er betonte, das MAGS vertrete die Auffassung, dass Gesundheitspolitik immer Patientenorientierung bedeute und dies gleichzeitig Arztorientierung sei. Die Landesregierung nehme das Arbeitsumfeld der Hauptakteure im Gesundheitssystem sehr ernst. Er lobte ausdrücklich die gute Zusammenarbeit zwischen den ärztlichen Selbstverwaltungseinrichtungen, KVen und Ärztekammern, mit dem Ministerium im Land. Auch bei der Digitalisierung würden MAGS und die Selbstverwaltung eng zusammenarbeiten. Noch in diesem Jahr, so kündigte der Staatssekretär an, werde das Land zwei Millionen Euro zur Förderung der digitalen Entwicklung etwa in Praxen oder Pflegeeinrichtungen zur Verfügung stellen. Das Geld könne für den Kauf von Geräten, Infrastruktur oder Schulungen verwendet werden.