Vorlesen
Praxis – Arzt und Recht – Folge 116

Bewerbung von plastischer Chirurgie für Jugendliche unzulässig

25.03.2020 Seite 28
RAE Ausgabe 4/2020

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 4/2020

Seite 28

Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main (Anerkenntnisurteil vom 15.01.2020, Az. 2 06 O 360/19) hat entschieden, dass die an Jugendliche gerichtete Werbung einer Arztpraxis für ästhetisch-plastische Chirurgie rechtswidrig ist.

von Dirk Schulenburg und Katharina Eibl

Die beiden beklagten Ärzte betreiben eine Praxis für ästhetisch-plastische Chirurgie. Unter der Rubrik „Young Aesthetics“ warben sie in den sozialen Medien für Brustvergrößerungen und Lippenmodellierungen für junge Frauen. Im Internetauftritt der beiden Mediziner hieß es wörtlich:

„Prickelnde Augenblicke, knisternde Erotik und eine außergewöhnliche Ausstrahlung: Bewusst weiblich zu sein, ist einfach aufregend. Dabei spielen ein praller Busen und sinnliche Lippen eine große Rolle und gelten als Verführung pur im Selfie, Instagram und Co. – Zeitalter. Nicht umsonst lässt sich Kylie Jenner, die Schwester von Kim Kardashian, bereits seit dem zarten Alter von 17 Jahren die Lippen aufspritzen. Auch Du kannst mit Deinen Reizen spielen …“

Verstoß gegen ärztliche Berufspflichten

Die klagende Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. hat die Klage unter anderem auf einen Verstoß gegen berufsrechtliche Vorschriften gestützt, der gleichzeitig einen Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (UWG) darstellt.

Die Berufsordnung der nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte verbietet in § 27 ebenso wie die Musterberufsordnung berufswidrige Werbung. Darunter fällt eine nach Inhalt und Form anpreisende oder irreführende Werbung. Dazu gehört jede Werbung, mit der medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperationen als Lifestyle-Produkt für junge Frauen dargestellt werden. Bei jungen Frauen werde der Eindruck erweckt, eine Brustvergrößerung oder Lippenmodellierung sei völlig normal, um in den sozialen Medien möglichst vorteilhaft auszusehen. Zugleich liege damit ein Verstoß gegen das wettbewerbsrechtliche Verbot der Irreführung vor, da die Operationen bagatellisiert werden, so der Vortrag der Klägerin.

Die Ärzte hatten sich darauf berufen, es sei ihnen nicht verwehrt, sich an ein junges Publikum als eigene „Marktzielgruppe“ zu wenden. Zudem finde vor den Eingriffen eine sehr ausführliche und den Erfordernissen einer ästhetischen Operation entsprechende Aufklärung statt.

Die Kammer des Landgerichts sah in dieser Werbung einen Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung und gegen das Verbot der Irreführung (§ 5 UWG). Im vorliegenden Fall seien die ärztlichen Behandlungen in den Bereich der „Wellness“ gerückt und die mit der Behandlung verbundenen Risiken bagatellisiert worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung machte das Gericht deutlich, dass es die Klage für begründet erachte und legte der Gegenseite nahe, die Unterlassungsansprüche anzuerkennen. Das Gericht erließ daher ein sogenanntes Anerkenntnisurteil.

Werbeverbote nach dem Heilmittelwerbegesetz

Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) enthält zudem weitere Verbote in diesem Bereich:
Verboten ist die Werbung für operative plastisch-chirurgische Eingriffe mit vergleichenden Darstellungen des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff (§ 11 Abs. 1 Satz 3 HWG). 

Zudem sind Werbemaßnahmen verboten, die sich ausschließlich oder überwiegend an Kinder unter 14 Jahren richten (§ 11 Abs. 1 Ziff. 11 HWG).

Da diese Regelung die Altersgruppe ab 14 Jahren nicht schützte, ist darüber hinaus Anfang des Jahres ein generelles Werbeverbot für operative plastisch-chirurgische Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit zum Schutz von Jugendlichen im Heilmittelwerbegesetz eingeführt worden. In § 11 Absatz 1 Satz 3 des HWG heißt es nun:

„Ferner darf für die in § 1 Absatz 1 Nummer 2 genannten operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nicht wie folgt geworben werden:
(…)
2. mit Werbemaßnahmen, die sich ausschließlich oder überwiegend an Kinder und Jugendliche richten.“

Rechtslage in anderen europäischen Ländern

Junge Menschen können die Folgen einer operativen Veränderung samt den nicht unbeträchtlichen Risiken noch nicht absehen. Dem tragen auch in anderen Ländern die gesetzlichen Regelungen Rechnung. 

In Frankreich ist seit 2012 jegliche Werbung für ästhetisch-plastische Operationen durch Gesetzesverordnung verboten.

In Dänemark sind seit 2007 Eingriffe an unter 18-Jährigen nicht erlaubt, dementsprechend ist auch die Werbung hierfür verboten.

In Italien sind seit 2012 ästhetisch motivierte Brustvergrößerungen bei Minderjährigen sogar unter Strafe gestellt.  

Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA,MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung.