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Mein Engagement

„Die Angst vor der Niederlassung kann ich nicht verstehen“

19.06.2020 Seite 51
RAE Ausgabe 7/2020

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 7/2020

Seite 51

Das Hauptaugenmerk seiner Arbeit als Kreisstellenvorsitzender richtet Dr. Knut Krausbauer vor allem auf die Stärkung des Zusammenhalts der lokalen Ärzteschaft. © Jocelyne Naujoks
Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Dr. Knut Krausbauer, Vorsitzender der Kreisstelle Krefeld, in unserer Reihe „Mein Engagement“.

RhÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Krausbauer: Man kann die Ärztekammer sehr gut mit einer Zunft vergleichen. Es handelt sich ja schließlich um den Zusammenschluss einer Berufsgruppe. Die Kammer treibt die Weiterbildung voran und sorgt dafür, dass eine effiziente Qualitätssicherung stattfindet. Wie andere Zünfte auch, nimmt sie Einfluss zum Beispiel auf berufspolitische Themen. In erster Linie geht es aber darum, die Interessen der Ärztinnen und Ärzte und Patientinnen und Patienten zu sichern und ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis zu erreichen.

RhÄ: Welche Eigenschaften sollte ein Kreisstellenvorsitzender Ihrer Meinung nach mitbringen?
Krausbauer: Kreisstellenvorsitzende werden gewählt. Das bedeutet, man benötigt das Vertrauen seiner Kolleginnen und Kollegen. Gleichzeitig sollte man das Arztsein als Berufung und nicht als Job ansehen. Ich bin sehr stolz darauf, den Arztberuf ausüben zu dürfen. Diese Liebe zum Beruf ist Voraussetzung. Wenn etwas auf lokaler Ebene passiert und ich muss einschreiten, geht es darum zu vermitteln und eine Lösung zu finden. Im Gespräch mit den Beteiligten merkt man recht häufig, dass die Probleme auch eher zwischenmenschlicher statt medizinischer Natur sind. Der Beschwerde geht meist ein Missverständnis voraus und kein wirklicher Behandlungsfehler.

„Ich bin sehr stolz darauf, den Arztberuf ausüben zu dürfen.“

RhÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzender in Krefeld bewirken?
Krausbauer: Mir ging es nie darum, große Veränderungen umzusetzen. Ich sehe meine Arbeit in der Kreisstelle vor allem darin, den Zusammenhalt innerhalb der lokalen Ärzteschaft zu stärken. Es geht darum, die Solidarität und Loyalität innerhalb der Kolleginnen und Kollegen zu fördern. In den vergangenen Jahren hat besonders dieses Gefühl von Gemeinschaft nachgelassen. Früher traf man sich öfter in lockerer Atmosphäre und konnte sich dadurch ganz anders begegnen. Dies hatte ich mit einem Ärzteball gefördert, der bei den Mitgliedern auch sehr gut ankam. Solche zwanglosen Treffen finden heute kaum noch statt.

RhÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Krausbauer: Man sollte das Fach auswählen, das einem Freude bereitet, wozu man Lust hat. Die meisten interessieren sich nur für die großen Fächer und vergessen kleinere, aber eben nicht weniger wichtige Fachbereiche, die einem sehr viele Chancen bieten. Ich favorisiere die Allgemeinmedizin, weil sie einem ein breites Spektrum bietet und man sich eben auch auf sozialer Ebene engagieren kann. Ich bin auch auf Umwegen dazu gekommen. Während meiner Zeit bei der Bundeswehr, da war ich bereits Vater von drei Kindern, musste ich nebenbei arbeiten. Ich habe Vertretung in Allgemeinarztpraxen gemacht und schnell gemerkt, da möchte ich bleiben. Daher kann ich die Angst vor einer Niederlassung nicht verstehen. Es gibt viele Möglichkeiten, und die führen einen nicht zwangsläufig zu einem MVZ. Von den riesigen Verwaltungsapparaten halte ich persönlich recht wenig. Man kann in unserem Beruf viel verdienen. Voraussetzung ist aber, dass man viel arbeitet. Das lässt sich mit dem heutigen Anspruch auf eine Work-Life-Balance nicht immer unter einen Hut bringen. 

RhÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Krausbauer: Überzeugen kann ich die junge Ärztegeneration nicht (lacht). Ich denke, mein Einstieg in die Selbstverwaltung ist ein gutes Beispiel: Als die ersten Briefe von Kammer und Kassenärztlicher Vereinigung eintrudelten, über die ich mich fürchterlich aufregte, war mir klar, ich muss mich engagieren. Der erste Schritt führt einen zu den Berufsverbänden und der zweite auf eine Wahlliste. Wir haben als Ärztinnen und Ärzte nun mal das Glück, viele berufspolitische Dinge verändern zu können. Das hohe Zeitpensum, was vielen jungen Leuten anfangs Angst macht, ist durchaus machbar. 

Das Interview führte Vassiliki Latrovali