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Mein Engagement

„Ich bin nicht angetreten, um der Held von Köln zu werden“

27.05.2020 Seite 43
RAE Ausgabe 6/2020

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 6/2020

Seite 43

Kammerarbeit braucht Stehvermögen“, sagt Hans-Dietrich Hinz, Vorsitzender der Kreisstelle Köln. © Michael Helmkamp
Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Hans-Dietrich Hinz, Vorsitzender der Kreisstelle Köln, in unserer Reihe „Mein Engagement“.

RhÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Hinz: Die Ärztekammer ist keine Loge, wo Ärztinnen und Ärzte klüngeln. Sie ist Hüterin und Vermittlerin von Qualität, angefangen bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung bis hin zur Gutachterkommission. Die Kreisstelle ist ein kleines Abbild des großen Spannungsfelds aus Politik, Gesundheitswesen und Bürgern.

RhÄ: Welche Eigenschaften sollte ein Kreisstellenvorsitzender Ihrer Meinung nach mitbringen?
Hinz: Ein Kreisstellenvorsitzender braucht Lebens- und Berufserfahrung. Stellen Sie sich vor, ein 29-jähriger Berufsanfänger in der Weiterbildung muss ein kollegiales Gespräch mit einem 60-jährigen gestandenen Professor führen, das ist für beide eine schwierige Situation. Das A und O für einen Vorsitzenden sind seine Mitarbeiterinnen, die ihm gut zuarbeiten. Ohne meine Mitarbeiterin wäre ich aufgeschmissen. In der Kreisstelle kümmern wir uns viel um die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, zum Beispiel um den Notdienst. Als Klinikarzt ist das für mich auch eine Herausforderung.

„Ich möchte gute Arbeit leisten.“

RhÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzender in Köln bewirken?
Hinz: Ich bin nicht als Kreisstellenvorsitzender angetreten, um der Held von Köln zu werden. Ich verfolge keine großen politischen Ziele. Ich möchte gute Arbeit leisten. Das betrifft vor allem das Tagesgeschäft. Die Kammer ist auch dafür da, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu wahren. Mir ist wichtig, dass ein Miteinander von Bürgern, Politik und der Ärzteschaft in der Kreisstelle stattfindet.
Viele bewährte Kollegen haben den Kreisstellenvorstand vergangenes Jahr aus Altersgründen verlassen, unser Vorstand ist deutlich verjüngt. Ich fühle mich verpflichtet, die jungen Kollegen zu unterstützen. Ich schätze auch den kollegialen Austausch in der Ärztekammer. Er ermöglicht mir, über meinen Tellerrand hinauszuschauen. Eine gute Vernetzung ist wichtig. Politik – im Kleinen wie im Großen – findet häufig am Kneipentresen statt. Dort werden die Ideen geboren, die uns weiterbringen.

RhÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Hinz: Der Arztberuf befindet sich in einem großen Wandel. Der Generalist stirbt aus. Der Beruf wird zunehmend spezialisiert. Die jungen Kolleginnen und Kollegen sowie Medizinstudierenden, denen ich in der Klinik begegne, wollen nicht mehr „Arzt“ werden, sondern zum Beispiel „Elektrophysiologe“. Ich würde den jungen Ärzten raten, guckt euch um, stellt euch breiter auf und schafft damit eine Basis, um erst einmal Arzt zu werden. Als Anästhesist muss ich nicht nur mein Fach beherrschen, ich muss viel über Innere Medizin wissen, ich muss die Operationsmethoden, die Operateure und meine Patienten kennen. Das zu lernen, braucht Zeit. Arzt sein ist mehr, als eine Spezialität auszuüben und tolle Diagnostikverfahren zu praktizieren.

RhÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Hinz: Sie brauchen den Willen, sich zu engagieren. Denn Kammerarbeit bedeutet nicht, möglichst schnell politisch Karriere zu machen. Es bedeutet, in demokratischen Prozessen mitzuentscheiden. Demokratie heißt dabei nicht, dass man immer das bekommt, was man will.
Junge Ärztinnen und Ärzte haben nicht mehr den Druck, sich engagieren zu müssen. Als ich im Jahr 1982 in der Klinik anfing, waren die Arbeitsbedingungen bedeutend schlechter und die Belastung deutlich höher. Für unsere jungen Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung ist die Kammer meist nur ein lästiges Übel. Als junger Arzt stand ich der Kammer genauso kritisch gegenüber. Sie müssen in die Kammer „reinschnuppern“, um die Vorteile der Selbstverwaltung kennenzulernen. Das Engagement in der Kammer ermöglicht einen Austausch mit Kollegen aus Krankenhäusern, Praxen und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst aus allen Regionen in Nordrhein. Für die Entwicklung als Arzt und das berufliche wie persönliche Weiterkommen ist dies unsagbar fruchtbar.

Hans-Dietrich Hinz arbeitet als Facharzt für Anästhesiologie am St. Vinzenz-Hospital in Köln. Nach dem Abitur im Jahr 1970 verfolgte Hinz zunächst seinen zweiten Traum und ging zur Marine. Als Seeoffizier stand er auf der Brücke, überwachte die Instrumente und befehligte seine Leute. Im Jahr 1975 verfolgte Hinz seinen ersten Traum und begann, Medizin zu studieren. Als Anästhesist sitzt er seither vor seinem Narkosegerät, überwacht die Instrumente und achtet auf seine Patienten, die Operateure und das Pflegepersonal.
Seit 1993 engagiert sich Hinz in der Ärztekammer. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Kreisstelle Köln.

Das Interview führte Jocelyne Naujoks.