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Mein Engagemenr

„Als Vorsitzender ist man der Skipper der Kreisstelle“

25.08.2020 Seite 55
RAE Ausgabe 9/2020

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 9/2020

Seite 55

Dr. Jens-Harder Boje engagiert sich seit knapp 20 Jahren im Vorstand der Kreisstelle Leverkusen. © privat
Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Dr. Jens-Harder Boje, Vorsitzender der Kreisstelle Leverkusen, in unserer Reihe „Mein Engagement“.

RÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Boje: Tatsächlich bin ich schon sehr lange nicht mehr Bahn oder Bus gefahren (lacht). Wenn mich aber einfach so jemand fragen würde, wäre das Beispiel einer Handwerkskammer wohl meine erste Wahl. Die Ärztekammer funktioniert meiner Meinung nach ganz ähnlich. Sie vertritt die Interessen und widmet sich den Bedürfnissen der Ärztinnen und Ärzte aus ihrem Gebiet. Gleichzeitig ist sie auch Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten.

RÄ: Welche Eigenschaften sollte ein Kreisstellenvorsitzender Ihrer Meinung nach mitbringen?
Boje: Privat fahre ich seit vielen Jahren Segelboot, also bediene ich mich mal einer Metapher aus der Seefahrt: Als Vorsitzender ist man der Skipper der Kreisstelle. Man übernimmt also das Ruder, um das Schiff nicht nur bei Schönwetter, sondern auch mal bei Wind und Sturm samt Crew in den schützenden Hafen zu bringen. 

„Heutzutage ist die Finanzierung einer Praxisübernahme kein Risiko.“

RÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzender in Leverkusen bewirken?
Boje: Mit der heutigen Niedrig-Zins-Politik ist es im Gegensatz zu früher viel einfacher, sich in eigener Praxis niederzulassen. Auch die Finanzierung einer Praxisübernahme ist kein Risiko. Es ist auch nicht mehr erforderlich, den Banken Omas kleines Häuschen als Sicherheit zu geben. Aber die Zahl der Hausärzte, die im Alter keine Nachfolger finden, wird auch in den Städten immer höher. Zurzeit sind es in Leverkusen 9 von 144. Das klingt nach wenig, wenn man allerdings von durchschnittlich 1.000 Fällen pro Quartal pro Praxis ausgeht, sind das rund 9.000 Patientinnen und Patienten, die nach Schließung dieser Praxen von den anderen in der Region mitversorgt werden müssen. Das wird die Qualität der Versorgung enorm schwächen, denn Ärzte und MFAs werden mit Mehrbelastung zu kämpfen haben. Dem kann man nur entgegenwirken, wenn es gelingt, der Jugend den wahren Wert der Allgemeinmedizin zu vermitteln und man gleichzeitig auch ländlichere Standort attraktiver gestaltet. Wir in Leverkusen haben schon immer den Zusammenhalt von allen im Gesundheitswesen Arbeitenden gelebt. Aktuell wird in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, der ärztlichen Genossenschaft und den Krankenhäusern ein Konzept für die Erhaltung der hausärztlichen Versorgung erarbeitet. Mancher der eben Genannten weiß aber noch nichts von seinem Glück.

RHÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Boje: Ich rate jungen Kolleginnen und Kollegen, sich schon während der Weiterbildung mit einer möglichen Niederlassung zu befassen. Nach 38 Jahren als Hausarzt kann ich sagen, dass mein Beruf mir immer noch Spaß macht. Ich empfinde ihn aber auch als Berufung. Heute gibt es viele Formen der Niederlassung, die auch die gewünschte Work-Life-Balance der jüngeren Generation ermöglichen und berücksichtigen. Man muss sich einfach umschauen.

RÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Boje: Wenn einem irgendetwas nicht gefällt, dann muss man sich halt einmischen. Nur so lassen sich Gegebenheiten verändern. Dazu braucht man Engagement und Ausdauer, denn Veränderungen brauchen Zeit. Je früher man also anfängt, desto höher ist die Chance, die gewünschten Ziele zu erreichen. Für junge Ärztinnen und Ärzte ist diese Interviewreihe sicherlich eine schöne Motivation. Hier spiegelt sich die Vielfalt an Möglichkeiten vor Ort ganz gut wider. Kreisstellenarbeit ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Das Interview führte Vassiliki Latrovali

Dr. Jens-Harder Boje wurde 1950 in Hamburg geboren. Für sein Studium zog es ihn nach München. Seit 1982 ist der Facharzt für Allgemeinmedizin in Leverkusen mit eigener Praxis niedergelassen. Boje engagiert sich bereits seit 2001 in der Kreisstelle Leverkusen der Ärztekammer Nordrhein.