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Praxis - Folge 122 der Reihe "Arzt und Recht"

Corona-Leugner: Berufsrechtliche Folgen für Ärztinnen und Ärzte

25.03.2021 Seite 26
RAE Ausgabe 4/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 4/2021

Seite 26

Bundesweit häufen sich bei den Ärztekammern Beschwerden über Ärztinnen und Ärzte, die die Gefahren der Corona-Pandemie herunterspielen, leugnen oder in Verschwörungstheorien einbetten. Es werden Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht angeboten und es wird vor Impfrisiken gewarnt. Manche Ärzte lehnen aus Prinzip das Einhalten von Hygienemaßnahmen ab. 

von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg 

Seit jeher stellen sogenannte Gefälligkeitsatteste ein berufsrechtliches Problem dar. Während aktuell über Blanko-Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht diskutiert wird, geht es zu anderen Zeiten vorrangig um Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die zu Beschwerden bei den Ärztekammern führen.

Nach § 25 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (BO) haben Ärzte beim Ausstellen ärztlicher Gutachten und Zeugnisse die notwendige Sorgfalt zu wahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen. Im Rahmen der Therapiefreiheit entscheidet allein der behandelnde Arzt, ob ein Attest medizinisch berechtigt ist oder nicht. Ein aufsichtsrechtlicher Eingriff in diese originär-ärztliche Entscheidung ist der Ärztekammer verwehrt. Gefälligkeitsatteste oder gar blanko unterschriebene Muster zum Selbstausfüllen stellen aber einen Verstoß gegen Berufsrecht dar.

Atteste müssen nachvollziehbar sein

Atteste, in denen lediglich festgestellt wird, dass die Patientinnen und Patienten aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht befreit sind, können nicht Grundlage einer Befreiungsentscheidung sein. Da mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen ein rechtlicher Vorteil erlangt werden soll – in diesem Fall die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der Maskenpflicht –, muss derjenige, dem das Attest vorgelegt wird, aufgrund nachvollziehbarer Angaben in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Befreiung selbstständig zu prüfen. Neben dem vollständigen Namen und Geburtsdatum des Befreiten muss sich aus dem Attest deshalb ergeben, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund einer Mund-Nasen-Bedeckung zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren. Soweit relevante Vorerkrankungen vorliegen, sind diese zu benennen. Darüber hinaus muss im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt ist (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. September 2020 – 13 B 1368/20 sowie Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 16. September 2020 – W 8 E 20.1301).

Keine Leistung ohne Gebühr 

Die im Rahmen kostenloser Downloads angebotene Abgabe von Bescheinigungen ist auch aus gebührenrechtlicher Sicht unzulässig. § 12 Absatz 1 BO lautet: „Die Honorarforderung muss angemessen sein. Für die Bemessung ist die amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) die Grundlage, (…). Ärztinnen und Ärzte dürfen die Sätze nach der GOÄ nicht in unlauterer Weise unterschreiten.“ Damit ist es berufsrechtswidrig, Patienten das Honorar für Atteste zu erlassen.

Strafbarkeit bei falschen Attesten

Hinzu kommt ein erhebliches Strafbarkeitsrisiko: Nach § 278 Strafgesetzbuch werden Ärzte, die wider besseres Wissen ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherung ausstellen, mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Stellt ein Arzt ein Gefälligkeitsattest aus, macht er sich strafbar und muss mit der Durchsuchung seiner Praxis und der Beschlagnahme von Patientenakten rechnen, damit die Staatsanwaltschaft ermitteln kann, ob Befunde erhoben wurden oder nicht beziehungsweise ob der Patient überhaupt vorstellig wurde.

Corona-Leugner, Impfgegner und Meinungsfreiheit

Wenn Ärztinnen und Ärzte bestimmte Regelungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie als nicht sinnvoll ansehen oder der Meinung sind, dass wissenschaftliche Nachweise für die angeordneten Schutzmaßnahmen fehlen, steht es ihnen aufgrund der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) zwar frei, diese Ansicht im Privaten zu vertreten. Die gewissenhafte Ausübung des Arztberufs erfordert aber neben der fachlichen Qualifikation die Beachtung des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs. 3 BO). Eine private Meinung, die nicht dem anerkannten Stand der Wissenschaft entspricht, sollte ein Arzt deshalb im Praxisalltag nicht äußern.
Ärztinnen und Ärzte haben darüber hinaus auch in ihrem außerberuflichen Verhalten dem ihnen von der Öffentlichkeit entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen (§ 2 Abs. 2 BO). Deshalb ist bei öffentlichen Auftritten „als Arzt“ ebenfalls Zurückhaltung geboten. Denn die Bevölkerung bringt der Einschätzung von Ärztinnen und Ärzten zu gesundheitlichen Themen in der Regel großes Vertrauen entgegen. Insbesondere in der jetzigen, von großer Unsicherheit geprägten Lage kann ein öffentlicher Auftritt als „Corona-Leugner“ zu einer erheblichen Verunsicherung der Bevölkerung beitragen, auch wenn er im Einzelfall durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein kann.

Hygienemaßnahmen einhalten

Patienten dürfen aufgrund der persönlichen Weltanschauungen eines Arztes keinesfalls Schaden erleiden, weil etwa der Mediziner anerkannte Hygiene- und Schutzmaßnahmen ablehnt. Verstöße gegen die Vorgaben der geltenden Corona-Schutzverordnung können daher ebenfalls berufsrechtlich geahndet werden. Wenn Patienten konkrete Schäden nachweisen können, drohen zudem hohe Schadensersatzforderungen.

Dr. iur. Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung.