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Mein Engagement

„Ein Blick über den Tellerrand schadet nie“

22.07.2021 Seite 47
RAE Ausgabe 8/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 8/2021

Seite 47

„Das kollegiale Miteinander bei uns in Solingen funktioniert sehr gut“, so Dr. Heike Blasberg. © privat
Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Dr. Heike Blasberg, Vorsitzende der Kreisstelle Solingen, in unserer Reihe „Mein Engagement“.

RÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Blasberg: Die Ärztekammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Das klingt erstmal sehr abstrakt, aber im Prinzip vertritt sie die Ärzteschaft im jeweiligen Kammergebiet – niedergelassene, im Krankenhaus und privatärztlich tätige Kolleginnen und Kollegen. Die Kammer widmet sich unter anderem der ärztlichen Weiterbildung, unterstützt aber auch Medizinische Fachangestellte auf ihrem Berufsweg und ist Ansprechpartnerin für Patientinnen und Patienten.

RÄ: Welche Eigenschaften sollte eine Kreisstellenvorsitzende Ihrer Meinung nach mitbringen?
Blasberg: Zuhören, zuhören, zuhören (lacht). Man sollte aber tatsächlich Vermittlungsgeschick und offene Ohren in alle Richtungen haben. Auch die Sorgen der regionalen Ärzteschaft sind breit gefächert und darauf sollte man eingehen können. Ich war lange Jahre im Vorstand der Kreisstelle tätig und bin erst in dieser Wahlperiode zur ersten Vorsitzenden gewählt worden. Diese Erfahrungen helfen, gezielt mit allen Beteiligten zu kommunizieren. Das kollegiale Miteinander bei uns in Solingen funktioniert sehr gut, das hat sich auch in diesen besonderen Zeiten bewährt.

 „Wer sich zu früh zu verbissen auf eine Fachrichtung festlegt, könnte etwas verpassen.“

RÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzende in Solingen bewirken?
Blasberg: Auch wir hoffen auf eine baldige Rückkehr zur Normalität. Es freut uns sehr, dass wir in der Pandemie so kooperativ zusammenarbeiten konnten und können. Kliniken und Praxen haben sich gut ergänzt. Wir haben hier in Solingen das ausgezeichnete Netzwerk SoliMed. Uns hat es nicht an Einsatz und Engagement gefehlt. Wir haben, wie die anderen Kreise auch, sehr schnell eine Routine mit den Krisenstäben etabliert, die auch heute noch bei Bedarf tagen. In diesem Zusammenhang ist mir allerdings aufgefallen, dass die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, die MFA, aber auch das Pflegepersonal noch zu wenig gewürdigt werden, obwohl sie von Anfang an einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt waren. Ein einfaches Dankeschön reicht nicht mehr aus. Die Arbeit insbesondere der unteren Gehaltsgruppen muss deutlich mehr wertgeschätzt werden. 

RÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Blasberg: Sie sollen immer neugierig bleiben, das finde ich sehr wichtig in unserem Beruf. Gut zuhören ist auch von Vorteil. Ich denke, es ist in dieser digitalisierten Zeit essenziell für Ärztinnen und Ärzte, nicht zu technikgläubig zu werden. Und das sage ich als Nuklearmedizinerin (lacht). Aber die Kommunikation mit den Patienten, der direkte Austausch, das, was Patienten uns über ihre Schmerzen und Leiden berichten, ist die Basis des ärztlichen Handelns. Ein Blick über den Tellerrand schadet übrigens auch nie. Wer sich zu früh zu verbissen auf eine Fachrichtung festlegt, könnte etwas verpassen. Ich wollte anfangs Chirurgin werden und bin inzwischen sehr froh, doch in der Nuklearmedizin gelandet zu sein.

RÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Blasberg: Ich selbst bin ja eine der Quotenfrauen. Ich kam auf diesem Weg zur ehrenamtlichen Tätigkeit und habe das noch keine Minute bereut. Ich denke, es wird immer Kolleginnen und Kollegen geben, die sich berufspolitisch engagieren wollen und solche, die man noch überzeugen muss. Man übernimmt das Ehrenamt auch, weil es Spaß macht. Von denen, für die man sich engagiert, bekommt man im Gegenzug ganz viel zurück. Über die Kammerarbeit die ärztliche Selbstverwaltung und damit sein eigenes berufliches Schicksal mit zu beeinflussen, das ist schon außergewöhnlich. Unsere Kreisstelle hat sich in der neuen Wahlperiode verjüngt und ist weiblicher geworden.

Das Interview führte Vassiliki Latrovali.

Dr. Heike Blasberg wurde 1962 in Solingen geboren. Sie studierte in Düsseldorf Medizin und absolvierte das Praktische Jahr im heutigen Helios Klinikum in Wuppertal. Für ihre Weiterbildung zog es sie an das heutige Evangelische Klinikum Bethel (EvKB) in Bielefeld, dann an das Kreiskrankenhaus Lüdenscheid und schließlich wieder zurück in die Heimat. Die Fachärztin für Nuklearmedizin war seit 1999 in Solingen niedergelassen. Auch heute noch arbeitet sie als angestellte Ärztin in der Praxis, die mittlerweile Teil eines MVZ ist.