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Gesundheits- und Sozialpolitik

„Postpandemische Perspektiven für die Krankenhäuser“

11.12.2020 Seite 20
RAE Ausgabe 1/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 1/2021

Seite 20

Die Krankenhäuser in Deutschland sind vor allem bei der Versorgung schwer an COVID-19 erkrankter Patienten gefordert. Deren aufwendige Behandlung ist personalintensiv und bringt Kliniken unter finanziellen Druck. © andresr/iStockphoto.com
Der 43. Deutsche Krankenhaustag fand rein virtuell statt und stand unter dem Leitthema „Postpandemische Perspektiven für die Krankenhäuser“.

von Jürgen Brenn

Die Corona-Pandemie hat nicht nur die weltgrößte Medizinmesse Medica, die traditionell im Spätherbst in den Düsseldorfer Messehallen stattfindet, in den virtuellen Raum gedrängt. Auch der zeitgleich veranstaltete 43. Deutsche Krankenhaustag fand erstmals komplett im Internet statt. Dieser stand nicht allein wegen der Rahmenbedingungen unter dem Eindruck der Pandemie. Unter dem Motto „Postpandemische Perspektiven für die Krankenhäuser“ versuchten die Organisatoren, trotz der Krise nach vorn zu blicken.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dankte den Ärztinnen und Ärzten sowie den Pflegekräften in den Kliniken in seiner Videobotschaft ausdrücklich für deren Einsatz vor Ort. „Wir können uns auf die Krankenhäuser verlassen“, sagte Spahn. Er versprach den Krankenhäusern, dass ihnen kein finanzieller Schaden durch die Pandemie entstehen solle und verwies auf die getroffenen Regelungen im Krankenhauszukunftsgesetz, das unter anderem 100 Millionen Euro als Sonderleistungen für die Pflege vorsehe. Aber auch den Erlösrückgang sowie Mehraufwendungen berücksichtige das Gesetz. Darüber hinaus sei Mitte November beschlossen worden, den Rettungsschirm 2.0 für die Krankenhäuser aufzuspannen, um deren Absicherung für 2020 und 2021 zu garantieren. Von dem Krankenhauszukunftsgesetz erwartet Spahn unter anderem bei der Digitalisierung einen „deutlichen Schub“. Er setze große Hoffnungen auf die Vernetzung innerhalb der Kliniken sowie zwischen den Akteuren im Gesundheitswesen unter anderem mit Hilfe von Telemedizin und der elektronischen Patientenakte. Gleichzeitig müsse die IT-Sicherheit insbesondere in den Kliniken immer mit im Fokus bleiben, betonte der Minister.

Auch die diesjährige Präsidentin des Kongresses und Pflegedirektorin des Josefinum Augsburg, Dr. Sabine Berninger, forderte, die Digitalisierung der Krankenhäuser voranzutreiben. Dabei müssten sich die eingesetzten Programme an den Nutzern orientieren, forderte Berninger und stellte fest, dass die konsequente Umsetzung der Digitalisierung das Arbeiten in den Häusern verändern werde.
„Wann, wenn nicht jetzt“ solle damit begonnen werden, verlässliche Rahmenbedingungen in den Krankenhäusern zu schaffen, fragte die Kongresspräsidentin. Sie ermunterte die Politik, den Rahmen „pandemisch, pragmatisch zu optimieren“. Um die Behandlung, vor allem auch die Intensivbehandlung von Covid-19-Patienten, zu gewährleisten, benötige man genügend qualifiziertes Personal, denn die Maschinen auf den Intensivstationen müssten von qualifizierten Menschen bedient werden. Auch müsse jetzt in die gemeinsame Diskussion rund um Vorhaltekosten, Sockelbeträge oder Qualitätsbudgets eingestiegen werden, so Berninger. „Ein ‚weiter so‘, darf es nicht geben.“ Sie forderte die Politik auf: „Halten Sie uns den Rücken frei, damit wir unsere Aufgabe erledigen können, die Patienten zu versorgen.“

„Die Krankenhäuser haben sich auf die vor uns liegenden Monate vorbereitet und profitieren dabei von den Erfahrungen aus dem Frühjahr“, sagte Dr. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), auf dem Krankenhaustag. Durch den Aufbau von Reservekapazitäten besonders auf den Intensivstationen verfügten die Häuser nun über deutlich mehr Beatmungsbetten. Die Ausstattung mit dem entsprechenden Fachpersonal könne allerdings oft nur dadurch erreicht werden, dass zusätzliche Mitarbeiter in Kurzqualifikationen für den Einsatz im Intensivbereich vorbereitet würden, beschrieb der DKG-Präsident die Situation vor Ort. 

Der Präsident des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands, Privatdozent Dr. Michael Weber, ergänzte, dass die Personalknappheit insbesondere in der Pflege aufgrund von Erkrankungen und Quarantäne derzeit nur durch einen eingeschränkten Regelbetrieb in den Häusern zu kompensieren sei. Er forderte: „Die Pflegepersonalgrenzen sollten weiter ausgesetzt bleiben“, um auf Ausfälle bei Mitarbeitern flexibler reagieren zu können.

Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands, schlug auf dem Deutschen Krankenhaustag angesichts der pandemischen Lage vor, die gestufte Krankenhausversorgung in Deutschland zu erhalten, um die Kliniken künftig zu entlasten. Den Fokus auf Maximalversorger, wie von Gutachtern empfohlen, lehne er ab, sagte Düllings. „So haben auch in der Pandemie Erkrankte einen schnellen Zugang bis hin zu Maximalversorgern und diese eine Entlastung durch Regelversorger.“ Deutschland dürfe nicht den gleichen Fehler machen wie andere Länder. Als gutes Bespiel aus der Corona-Pandemie bezeichnete Düllings die „Etablierung und Finanzierung von Polikliniken an Krankenhäusern wie in Österreich und der Schweiz, um den Patienten ohne aufwendige Umwege und Zeitverluste eine integrierte ambulant-stationäre Versorgung zu bieten.“