Vorlesen
Forum

Die Arbeit der Gutachterkommission – Kontinuität und Wandel im Zeichen von Corona

21.01.2021 Seite 26
RAE Ausgabe 2/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 2/2021

Seite 26

  • Johannes Riedel, Präsident des Oberlandesgerichts a. D. und Vorsitzender der Gutachterkommission. © Jochen Rolfes
  • Prof. Dr. Hans Friedrich Kienzle, Geschäftsführendes Kommissionsmitglied © Jochen Rolfes
Die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein unterstützt Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte bei der außergerichtlichen Klärung der Frage nach dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers. Über die Arbeit der Gutachterkommission, auch in Zeiten von Corona, berichtete der Vorsitzende, Präsident des Oberlandesgerichts a. D. Johannes Riedel, der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein am 
14. November 2020 in Düsseldorf, die erstmals audiovisuell stattfand. 

von Tina Wiesener und Beate Weber

Die erweiterten Kontaktbeschränkungen zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 prägten auch die Arbeit der Gutachterkommission und ihrer Geschäftsstelle. Bereits im Frühjahr dieses Jahres zeichnete sich unter dem Eindruck der Corona-Lage eine spürbare Zurückhaltung der Patientinnen und Patienten bei der Antragstellung ab. Der Bestand an offenen erstinstanzlichen Verfahren konnte innerhalb eines Jahres zwar weiter deutlich gesenkt werden, die Erledigungszahl des letzten Berichtszeitraumes wurde vor diesem Hintergrund jedoch erwartungsgemäß nicht wieder erreicht, berichtete der Vorsitzende der Gutachterkommission, Präsident des Oberlandesgerichts a.D. Johannes Riedel, mit Blick auf die den Delegierten vorgelegte statistische Übersicht (siehe Kasten). Gleichzeitig blieb die durchschnittliche Verfahrensdauer mit 10,4 Monaten weiterhin stabil: Mehr als zwei Drittel der Verfahren waren nach elf Monaten und nach einem Jahr mehr als drei Viertel erledigt. Die Quote anerkannter Behandlungsfehler bei den erledigten Begutachtungen liegt mit 28,37 Prozent auf dem Niveau des Vorjahres und damit etwas unterhalb der langjährigen durchschnittlichen Quote von knapp einem Drittel.
Ob es künftig auch in nennenswertem Umfang Behandlungsfehlervorwürfe im Zusammenhang mit Corona geben wird, lässt sich derzeit noch nicht absehen.

Plenarsitzung online

In Folge der pandemischen Lage waren Präsenzveranstaltungen von einem auf den anderen Tag nicht mehr möglich. Hiervon betroffen waren auch die Zusammenkünfte des Plenums der Gutachterkommission, die alle zwei Monate in den Räumen der Ärztekammer stattfinden und dem intensiven, fallbezogenen Austausch der medizinischen und juristischen Kommissionsmitglieder untereinander dienen. Nach Etablierung einer geeigneten Software und der Schaffung der technischen Voraussetzungen wurde die Plenarsitzung ab Sommer zu einer Live-Online-Veranstaltung umgestaltet. Seither tragen in den derzeit überwiegend monatlich stattfindenden Veranstaltungen juristische und medizinische Kommissionsmitglieder, zum Teil auch gemeinsam, bis zu drei Begutachtungsfälle vor und stellen diese zur Diskussion. 

Für die Kommunikation untereinander ist die Nutzung der Chatfunktion und für Diskussionsbeiträge die Aufschaltung in die Konferenz vorgesehen. Bisher haben sich an jeder dieser Online-Sitzungen bis zu 60 Kommissionsmitglieder beteiligt. 

Diese Veränderungen der Diskussionskultur werden die Kommissionsarbeit sicher noch monatelang begleiten, sagte der Vorsitzende bei der Kammerversammlung. Auch wenn es in dieser besonderen Zeit nicht möglich sei, die Plenarsitzungen mit persönlichen Begegnungen zu verbinden, so biete das virtuelle Format doch einen gut nutzbaren Raum für Fachgespräche und Austausch der Kommissionsmitglieder. Gleichzeitig hob Riedel die gelungene Harmonisierung der Vielzahl von Abläufen an die neuen Anforderungen hervor. Er dankte allen Kommissionsmitgliedern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle dafür, dass sie 2020 im Zeichen von Corona die Arbeitsfähigkeit der Gutachterkommission im Interesse der Verfahrensbeteiligten so effektiv und flexibel aufrechterhalten haben.  

Neue Verfahrensordnung seit 1. Dezember 2020

Wie in vielen anderen Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen werden seit dem 1. Dezember 2020 auch in Nordrhein bei neu eingehenden Anträgen die Haftpflichtversicherer und die Behandlungseinrichtung, für welche die Ärztin oder der Arzt tätig geworden ist (zum Beispiel Krankenhaus oder MVZ als Arbeitgeber), in den Kreis der Verfahrensbeteiligten aufgenommen. Dies bedeutet keine grundlegende Veränderung für Ärzte oder Patienten, denn aus rechtlichen Gründen waren die Haftpflichtversicherer und die Behandlungseinrichtungen immer schon angemessen zu berücksichtigen. Die Aufnahme in den Kreis der Beteiligten dient insofern vor allem der Klarheit und Einheitlichkeit des Verfahrens. Als ein wesentlicher Kernpunkt des Verfahrens wird auch weiterhin auf Antrag eines Beteiligten ein abschließendes Gutachten erstellt werden. Die seit dem 1. Dezember 2020 auf neu eingehende Vorgänge anzuwendende Verfahrensordnung der Gutachterkommission ist abrufbar unter www.aekno.de/gutachterkommission/verfahrensordnung.

Die Kammerversammlung hat im März 2020 mit der Verabschiedung dieser neuen Verfahrensordnung auf der Grundlage der auf Bundesebene erarbeiteten Rahmenverfahrensordnung einen wichtigen Schritt zur Vereinheitlichung des Wirkens der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen unternommen, so der Vorsitzende mit Blick auf künftige Entwicklungen (siehe „Neue Verfahrensordnung der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler“, RÄ 9/2020: 26-27). 

 
Wechsel der Amtsperiode

Mit dem 1. Dezember 2020 hat auch die nunmehr 12. Amtsperiode der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein begonnen.

Der Vorstand der Ärztekammer Nordrhein hat den Vorsitzenden der Gutachterkommission, Präsident des Oberlandesgerichts a. D. Johannes Riedel, und das Geschäftsführende Kommissionsmitglied, Professor Dr. Hans Friedrich Kienzle, sowie weitere 113 medizinische und sechs juristische Kommissionsmitglieder einstimmig erneut in die Kommission berufen. Vorwiegend aus Altersgründen ist eine größere Zahl von langjährigen Kommissionmitgliedern für die kommende Amtsperiode nicht erneut berufen worden. Der Vorsitzende dankte den ausscheidenden Kommissionsmitgliedern nochmals ausdrücklich für ihre oft über viele Jahre geleistete Arbeit in der Gutachterkommission, die höchste Anerkennung gefunden habe. Die Arbeitsfähigkeit der Kommission könne jedoch auch in Zukunft nur dann gesichert werden, wenn für ein Engagement in der Kommission ausreichend viele Ärztinnen und Ärzte gewonnen werden könnten, sei es als Gutachter oder Gutachterin oder auch als Mitglied. Mit Blick auf die neue, 12. Amtsperiode der Gutachterkommission bleibe es ein besonderes Anliegen der Kommission, mehr weibliche Mitglieder für die Kommissionsarbeit zu gewinnen, so Riedel. Ein entsprechender Brief des Präsidenten an die leitenden Ärztinnen im Kammerbereich sei auf positive Resonanz gestoßen, sodass die Hoffnung bestehe, dem Vorstand bald auch weitere weibliche Kommissionsmitglieder zur Berufung vorschlagen zu können. Auch sei eine weitere Juristin als Kommissionsmitglied im Blick. 

Abschließend brachte der Vorsitzende gegenüber der Kammerversammlung den Dank der Gutachterkommission zum Ausdruck: „Wir wissen uns gut aufgehoben und sind dankbar, dass wir reibungslos arbeiten können.“ 


Dr. med. Tina Wiesener ist Leiterin der Geschäftsstelle der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein.
Dr. med. Beate Weber ist die für die Dokumentation und Auswertung zuständige Referentin der Geschäftsstelle der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein.