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Mein Engagement

„Gesellschaft kann nur mit Ehrenamt funktionieren“

21.01.2021 Seite 51
RAE Ausgabe 2/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 2/2021

Seite 51

Dr. Peter Kaup reiste 2020 mit der Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany nach Armenien. Er und sein Team unterstützen Kliniken in Jerewan bei der Bekämpfung von SARS-CoV-2. © Michael Bokelmann
Neben ihrem Beruf engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen: die Kreisstellenvorsitzenden der Ärztekammer Nordrhein. Doch welche Eigenschaften machen einen Vorsitzenden eigentlich aus und wie begeistert man die junge Ärztegeneration für das Ehrenamt? Diese Fragen stellten wir Dr. Peter Kaup, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen, in unserer Reihe „Mein Engagement“.

RÄ: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Straßenbahn und möchten Ihrem Sitznachbarn erklären, was die Ärztekammer ist. Was würden Sie sagen?
Kaup: Die Ärztekammer ist ein sehr wichtiges Organ unserer beruflichen Selbstverwaltung, denn sie fördert und unterstützt die Kommunikation der Ärztinnen und Ärzte untereinander. Sie dient uns in allen Angelegenheiten des Alltags, kümmert sich um die Weiterbildung, vernetzt alle Ärzte im Kammergebiet und in ganz Deutschland.

RÄ: Welche Eigenschaften sollte ein Kreisstellenvorsitzender Ihrer Meinung nach mitbringen?
Kaup: Ich glaube nicht, dass nur Vorsitzende diese Eigenschaften aufweisen sollten (lacht). In unserem Beruf hat jemand, der enorme Kommunikationsbereitschaft mitbringt, viele Vorteile. Ins Amt des Kreisstellenvorsitzenden wird man, wie ein Klassensprecher, von seinen Kolleginnen und Kollegen gewählt. Dazu muss man sie von sich überzeugen. Belastbarkeit und Empathie spielen ebenfalls eine große Rolle, denn man hat tagtäglich mit ganz unterschiedlichen Menschen zu tun. Wenn man dann noch lösungsorientiert denken und handeln kann, ist man auf einem guten Weg. Dies unterscheidet sich, wie ich finde, nicht von den Eigenschaften, die ein guter Arzt oder eine gute Ärztin mitbringen sollte.

"Auch ich sehne die Zeit herbei, wo ich die Menschen wieder persönlich begrüßen kann."


RÄ: Was möchten Sie als Kreisstellenvorsitzender in Oberhausen bewirken?
Kaup: Wir möchten in unserer Kreisstelle in erster Linie die Dinge, die wir eingeführt haben, auch fortführen. In der Coronakrise haben wir noch einmal mehr auf Kommunikation und kollegiales Miteinander gesetzt. Die unterschiedlichen Bereiche haben sich durch diese Ausnahmesituation noch besser vernetzen können, wofür wir sehr dankbar sind. Uns ist es gelungen, ambulant, stationär und im Öffentlichen Gesundheitsdienst tätige Kolleginnen und Kollegen zusammenzubringen und gemeinschaftlich unseren Beitrag im Kampf gegen die Pandemie zu leisten. Die Herausforderung des „Sich-nicht-treffen-könnens“ haben wir gut gemeistert. Aber auch ich sehne die Zeit herbei, wo ich die Menschen wieder persönlich begrüßen kann. Die Corona-Lage ist bei uns aktuell angespannt, aber zu bewältigen. Aus einem unserer Altenheime teilte man uns auf die Frage nach dem Impfbeginn mit: „Wir haben schwere Arme, aber leichte Herzen“.

RÄ: Welchen Rat würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die heute in den Beruf starten?
Kaup: Lasst Euch von dem Bürokratie- und Verwaltungsdrumherum nicht frustrieren. Wir haben die Möglichkeit, uns in vielen Berufsfeldern zu erproben, auszuprobieren – das ist das Besondere an diesem Beruf. Die Wertschätzung, die uns unsere Patientinnen und Patienten entgegenbringen, all ihre Sorgen, Ängste und Freuden geben einem Kraft. Es ist ein Privileg, diesen Beruf ausüben zu dürfen.

RÄ: Wie würden Sie die junge Ärztegeneration davon überzeugen, sich ehrenamtlich in der Ärztekammer zu engagieren?
Kaup: Ich glaube, da muss man niemanden überzeugen. Wenn ich auf meinen eigenen Werdegang schaue, da habe ich während des Studiums und zu Beginn meines Berufslebens gedacht, für das Ehrenamt habe ich keine Zeit, das ist nicht wichtig. Mit dem Alter, eventuell auch mit eigener Familie, werden einem viele Aspekte plötzlich bewusster. Gesellschaft, so wie wir sie wollen, funktioniert nur mit Menschen, die sich im Ehrenamt engagieren. Es lohnt sich, selbst wenn man nicht in allen Situationen die Anerkennung erhält, die man sich erhofft. Im Rettungsdienst beispielsweise wird man schon einmal beschimpft und beworfen – aber nicht von allen und erst recht nicht von denjenigen, mit denen man für die gute Sache zusammenarbeitet. 

Das Interview führte Vassiliki Latrovali

Dr. Peter Kaup ist Facharzt für Anästhesiologie und Facharzt für Allgemeinmedizin. Mit I.S.A.R. Germany war er bereits in Ostafrika und auf den Philippinen im Einsatz. Vergangenes Jahr unterstütze er die Kliniken in Armeniens Hauptstadt Jerewan bei der Bekämpfung von SARS-CoV-2. „Der Enthusiasmus und der Einsatz des medizinischen Personals vor Ort sind bemerkenswert. Es gibt immer noch 24-Stunden-Schichten, die Kliniken sind außer in den OP-Sälen kaum mit Klimaanlagen ausgestattet. Man trägt die volle Montur an Schutzkleidung bei 35 Grad im Schatten.“