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Gesundheit- und Sozialpolitik

Qualitätssicherung im Zeichen der Corona-Pandemie

22.01.2021 Seite 21
RAE Ausgabe 2/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 2/2021

Seite 21

Die Träger der Qualitätssicherung in NRW veranstalteten Anfang Dezember 2020 eine virtuelle Konferenz rund um die Frage, wie Qualitätssicherung in Praxen und Krankenhäusern in Zeiten der Corona-Pandemie gelingen kann.

von Jürgen Brenn

„Qualitätssicherung – eine Herausforderung in besonderen Zeiten“ betitelten die Träger der Qualitätssicherung (QS) in NRW eine Informationsveranstaltung, zu der sich knapp 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor ihren Monitoren versammelten. Die Online-Veranstaltung organisierte die QS-Geschäftsstelle Nordrhein. Moderiert wurde sie von deren Leiterin Dr. Susanne Macher-Heidrich. Die Referentinnen und Referenten wagten sowohl einen Blick in die Zukunft der einrichtungsübergreifenden QS-Maßnahmen und -Richtlinien sowie einen Blick zurück und zogen ein Resümee, wie QS auch im corona-geschüttelten Jahr 2020 umgesetzt werden konnte.

Zukünftig mehr Transparenz und Öffentlichkeit

Die medizinische Qualitätssicherung habe vor rund 30 Jahren als zartes Pflänzchen in einem geschützten Bereich zwischen Gesetzlichen Krankenkassen, der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und den beiden Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe zu wachsen begonnen, sagte Thomas Fritz, Vorsitzender des Lenkungsgremiums der Landesarbeitsgemeinschaft DeQS NRW. Die Entwicklung im Laufe der Jahre sei beeindruckend und die nun etablierte DeQS (datengestützte einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung) ein komplexes Unterfangen mit vielen Komponenten und Playern, landes- sowie bundesweit. Wichtigstes Ziel aller QS-Bemühungen sei nach wie vor, „die Kliniken und Arztpraxen bei der Verbesserung der Behandlungsqualität zu unterstützten“, betonte Fritz. Allein diesem Zweck dienten zum Beispiel die rund 760.000 Datensätze zum Verfahren „Perkutane Koronarintervention und Koronarangiographie“, die in den Qualitätsreport 2019 des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) einflossen. Davon kamen allein rund 196.000 Datensätze aus NRW. Diese Datensätze könnten nicht nur zum Nutzen der Leistungserbringer herangezogen werden, sondern zukünftig als Basisstatistik für Patienteninformationen dienen. Der Gesetzgeber plane, mehr Transparenz in das QS-Verfahren zu bringen und die vorliegenden Daten für die Allgemeinheit verständlich und regelmäßig zu veröffentlichen. Das stelle einen Ansatz dar, der nach Ansicht von Fritz weiterverfolgt werden muss.
Die neue DeQS führt schrittweise bestehende QS-Verfahren unter einem Dach zusammen. Sie richtet sich an Krankenhäuser sowie Vertragsärztinnen und -ärzte, berichtete Emanuel Voigt, von der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Die DeQS umfasste 2019 sechs Verfahren wie beispielsweise die Perkutane Koronarintervention und Koronarangiographie oder die Nierenersatztherapie bei chronischem Nierenversagen einschließlich Pankreastransplantationen. Anfang 2021 kamen noch weitere neun Verfahren aus dem Bereich der QS im Krankenhaus hinzu. Dies bedeutet Voigt zufolge nicht nur, dass neue Strukturen des Datenaustausches auf Bundes- und Landesebene geschaffen werden und sich einspielen müssen. Auch „technische Herausforderungen“ seien noch zu bewältigen.

QS flexibel in der Pandemie

Dass diese Umstellung in Zeiten der Corona-Pandemie erfolgen sollte, stellte und stellt die Leistungserbringer vor enorme Herausforderungen, auf die der G-BA als Richtliniengeber allerdings frühzeitig reagierte. Bereits im März und April traten zahlreiche Ausnahmeregelungen in Kraft, die das Ziel hatten und haben, „zur Entlastung der Krankenhäuser von administrativen Aufgaben beizutragen“, wie es in der Begründung für die Sonderregelungen heißt. Die Verpflichtungen im Rahmen der gesetzlichen Qualitätssicherung nach SGB V sollten dadurch „so weit wie möglich minimiert“ werden.

Konkret zählte Dr. Andreas Grundmeier von den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte als Entlastung auf, dass die Kliniken von der quartalsweisen Datenlieferung befreit wurden. Die Dokumentationspflicht blieb allerdings bestehen. Auch die Unterschreitung der geforderten hundertprozentigen Dokumentationsrate sollte für 2020 als unverschuldet gelten, wenn die Einrichtungen zu viele Personalausfälle verzeichneten oder die Patientenzahlen so hoch waren, dass ein flexibler Personaleinsatz erforderlich wurde. Zudem wurde zeitweise der Strukturierte Dialog ausgesetzt und dessen Zeitrahmen verschoben, sodass „zeitliche Flexibilität“ gewonnen werden konnte. Die Einführung spezieller ICD-Zusatzcodes, die bei ambulant erworbenen Pneumonien bei Covid-19-Patienten angegeben werden sollen, ermöglicht es, diese Patienten gesondert in der Auswertung der Dokumentationen zu betrachten, sagte Grundmeier. Auch die vom G-BA beschlossenen temporären Änderungen zu den Personal-Mindestanforderungen in verschiedenen Bereichen erlaube den Kliniken, Pflegepersonal bei pandemiebedingt deutlich erhöhten Patientenzahlen ebenso wie bei krankheits- und quarantänebedingten Ausfällen flexibel einsetzen zu können. 

G-BA steuerte erneut nach

Schon in der ersten Corona-Welle sei zum Beispiel innerhalb des Klinikums Essen-Mitte eine zweite Klinik nur für Covid-19-Patienten entstanden, was auch eine Neuallokation von Personal zur Folge haben musste, wie Grundmeier erläuterte. Der Facharzt für Innere Medizin und spezielle internistische Intensivmedizin bezeichnete den Maßnahmenkatalog, den der G-BA bereits im Frühjahr beschlossen hatte, im Zusammenspiel mit den vor Ort in den Krankenhäusern ergriffenen Schritten als „besondere Entwicklungen und Maßnahmen in besonderen Zeiten“. Mit Blick auf die Qualitätssicherung ergänzte er: „Das oft als statisch empfundene System reagierte rasch und flexibel.“ 

Nur einen Tag nach der Informationsveranstaltung beschloss der G-BA angesichts weiter gestiegener Infektions- und Patientenzahlen, zahlreiche der im Frühjahr geregelten Flexibilisierungen und zeitlichen Streckungen in das Jahr 2021 hinein zu verlängern. Der Bundesausschuss reagierte damit erneut auf die aktuelle Lage bei den Leistungserbringern.

Der entsprechende Beschluss sowie sämtliche weitere Sonderregelungen aufgrund der Pandemie finden sich auf www.g-ba.de/service/sonderregelungen-corona/ unter dem Stichpunkt „Qualitätssicherung“.