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Mail aus Düsseldorf

24.09.2021 Seite 10
RAE Ausgabe 10/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 10/2021

Seite 10

© privat

Eine Oder-Neiße-Grenze dazwischen; eine Welt entfernt. Nach meiner Scheinfreiheit beschlossen meine Familie und ich kurzerhand, eine Reise in den Osten anzutreten. Wir nahmen uns vor, auf Spurensuche nach der deutsch-polnischen Vergangenheit zu gehen. Die historischen Ereignisse, die ich in der Oberstufe für das Geschichte-Abitur gelernt hatte, sollten Gestalt bekommen. Erst gab es auch die Idee, in den Süden nach Spanien oder Italien zu reisen, aber die Infektionszahlen spielten nicht mit. Anders sah es jedoch eben in Polen aus mit einer Trauminzidenz von 1,2 pro 100.000 Einwohner! Dort angekommen wirkte es so, als würden die Polinnen und Polen bereits in einem post-pandemischen Zeitalter leben.

Maskenpflicht gab es bloß vereinzelt, und das kulturelle Programm, das man seit anderthalb Jahren in Deutschland nur sehr abgeschwächt vorfand, lief in Polen auf Hochtouren: von Straßenkonzerten, wo Blasorchester Louis Armstrong spielten, bis zu Chopin-Konzerten mit Wein und Kuchen auf höchstem Niveau. In den malerischen Altstädten, die im zweiten Weltkrieg meist zu achtzig Prozent zerstört und erneut rekonstruiert worden waren, gesellten sich mobile Impfteams zu Straßenmusikern, zogen sowohl Impfwillige als auch Zuhörer an und bereicherten sich auf diese Weise gegenseitig. Hochzeitspaare tanzten in Parks und Restaurants mit strahlenden Gesichtern, da sie sich endlich im Kreise ihrer Familien und Freunde das Ja-Wort geben konnten. Die Bilder erweckten ein Gefühl der Zuversicht. Es war ein mulmiger, doch optimistischer Blick in die Zukunft. Denn die Geschichte lehrt uns auch, dass alle Pandemien endlich sind. Die Rückkehr zur Normalität wird kommen, sie bleibt wohl nur eine Frage der Zeit.

Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin? Schreibt mir an medizinstudium(at)aekno.de.