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Versäumnisse bei der postoperativen Überwachung: Fehlinterpretierte Bewusstseinsstörung

21.02.2023 Seite 28
RAE Ausgabe 3/2023

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 3/2023

Seite 28

Infolge unterlassener postoperativer Diagnostik, insbesondere zur Hämoglobinkonzentration sowie zur Ein- und Ausfuhr geriet ein hochbetagter Patient nach einer Frakturosteosynthese in einen nicht mehr umkehrbaren lebensbedrohlichen Zustand, sodass er nachfolgend verstarb. Versäumnisse bei der postoperativen Überwachung sind regelmäßig als Befunderhebungsfehler zu qualifizieren. - Folge 136 der Reihe "Aus der Arbeit der Gutachterkommission".

von Ralf-Ulrich Scherer, Ludwig Brandt, Rainer Rosenberger und Beate Weber

Die Gutachterkommission hat sich häufiger mit dem gegen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte gerichteten Vorwurf einer nicht ausreichenden Diagnostik einer postoperativ aufgetretenen akuten Bewusstseinsstörung im Rahmen einer Krankenhausbehandlung auseinanderzusetzen. In einer Auswertung abgeschlossener Begutachtungen der Jahre 2012 bis 2017 stellten die Kommissionsmitglieder fest, dass gerade bei der Betreuung bewusstseinsgestörter Patientinnen und Patienten ein besonderes Risiko für sogenannte Befunderhebungsfehler besteht (siehe Rheinisches Ärzteblatt, Heft 7, 2018: 28-31). Die Bewusstseinsstörung, so die Autoren, könne vielfältige Ursachen haben. Die Behandler stünden oftmals vor der schwierig zu entscheidenden Frage, ob es sich lediglich um ein – häufig vorkommendes – sogenanntes Durchgangssyndrom handle oder eine andere, weiter abzuklärende Ursache, wie beispielsweise eine Hypoxie, eine Anämie, eine Exsikkose, zu bekämpfende Schmerzen und/oder ein septisches Geschehen zugrunde liege. Unterblieben in einem solchen Fall die gebotene Überwachung mit regelmäßiger Inaugenscheinnahme des Patienten, Laboranalysen, Ein- und Ausfuhrkontrollen, eine indizierte Bildgebung oder Beiziehung eines neurologischen Konsiliarius, machten sich Ärztinnen und Ärzte haftungsrechtlich eines Befunderhebungsfehlers schuldig, der fast regelmäßig nach § 630h Abs. 5 S.2 BGB in Bezug auf die Frage der Schadensursächlichkeit zur Beweislastumkehr führe, sodass sich die behandelnden Ärzte insoweit entlasten müssten. Sie müssten dann beweisen, dass ihr Fehler nicht ursächlich war, was zumeist nicht gelingen könne.

Zur Vertiefung und Verdeutlichung der Problematik soll nachfolgend über einen aktuellen Fall berichtet werden, bei dem die Gutachterkommission einen solchen Befunderhebungsfehler festgestellt hat.

Vorgebrachte Vorwürfe

In ihrem Begutachtungsantrag beklagte die Tochter des verstorbenen über 90-jährigen Patienten, dass die von ihr im Verfahren belasteten Unfallchirurgen den Vater Ende Juni 2018 nach Osteosynthese einer pertrochantären Femurfraktur nicht ausreichend überwacht und insbesondere keine Flüssigkeitsbilanzierung vorgenommen hätten, sodass es zu einer Exsikkose und einem Nierenversagen gekommen sei. Vor dem Eingriff sei ihr Vater ein aktiver Mensch mit gut eingestellter Parkinsonerkrankung gewesen. Postoperativ sei ihr Vater am Folgetag wach und ansprechbar gewesen. In den Folgetagen habe er über Schmerzen geklagt, die analgetisch unter anderem fehlerhaft mit – bei Parkinsonsyndrom kontraindiziertem – Targin® behandelt worden seien, was zu Müdigkeit und zu Zuckungen geführt habe. Mehrfach sei er auf andere Stationen verlegt worden, sodass eine Kontinuität in der Versorgung und ein ausreichender Informationsfluss nicht sichergestellt gewesen seien. Erst spät sei eine postoperative hochgradige Anämie festgestellt und behandelt worden. Man habe dann bei ihrem Vater einen Ileus vermutet, tatsächlich habe aber ein nicht erkannter erheblicher Harnverhalt vorgelegen. Der Zustand ihres Vaters habe sich trotz nachfolgender Verlegung auf eine Überwachungsstation nicht mehr stabilisieren lassen, sodass er am elften postoperativen Tag verstarb.

Stellungnahmen der belasteten Ärzte

Die im Verfahren beschuldigten Unfallchirurgen und Anästhesisten wiesen die Vorwürfe zurück. Der Oberarzt der Intensivstation führte in seiner Stellungnahme aus, der Patient sei nach RTW-Einlieferung mit stationärer Aufnahme am Vorabend erstmals am nachfolgenden OP-Tag durch die Klinik für Anästhesiologie betreut worden. Aufgrund der Vorerkrankungen sei zunächst geplant gewesen, den Eingriff in Spinalanästhesie durchzuführen, was aber aufgrund von Schmerzen und mangelnder Mitarbeit des Patienten nicht möglich gewesen sei, sodass die Osteosynthese dann in Allgemeinanästhesie erfolgt sei. Aus dem Aufwachraum habe der Patient bei stabilem Kreislauf und suffizienter Spontanatmung wieder auf die Normalstation verlegt werden können.

Die Unfallchirurgen führten aus, dass man bei Verschlechterung des Zustands und der Vigilanz des Patienten am dritten postoperativen Tag ein neurologisches Konsil angefordert habe. Der Neurologe, der den Patienten bereits seit Jahren kannte, habe am fünften postoperativen Tag ein bekanntes idiopathisches Parkinson-Syndrom genannt und aktuell ein postoperatives delirantes Syndrom als wahrscheinliche Diagnose angenommen. Er habe ein Schädel-CT und ein EEG mit nachfolgender Wiedervorstellung empfohlen. Einen an diesem Tag erstmals festgestellten Hb-Abfall auf 6,1 g/dl sowie ein Anstieg des Kreatinins von 0,92 auf 2,32 mg/dl habe man mit zwei Erythrozyten-Konzentraten behandelt, da man ursächlich eher eine mangelnde Nierendurchblutung bei festgestellter Blutungsanämie für das akute Nierenversagen angenommen habe, zumal mehrfach eine nasse Schutzhose beschrieben worden sei.

Am Nachmittag des sechsten postoperativen Tages sei der diensthabende Oberarzt telefonisch vom Bereitschaftsarzt darüber informiert worden, dass der Patient ein geblähtes Abdomen habe, einen reduzierten Allgemeinzustand zeige sowie steigende Nierenretentionswerte und Infektionswerte bestünden. Der erste Versuch einer Dauerkatheteranlage durch den anwesenden Bereitschaftsarzt sei fehlgeschlagen. Der Oberarzt sei bei seiner Ankunft darüber informiert worden, dass zwischenzeitlich – ohne Rücksprache – ein Dauerkatheter durch den Schwiegersohn (ein Arzt) des Patienten gelegt worden sei. Zum geplanten zweiten Versuch durch den Bereitschaftsarzt habe sich der Patient gerade beim Schädel-CT befunden. Bei deutlich reduziertem Allgemeinzustand des Patienten sei durch den Oberarzt eine Verlegung auf die Intensivstation mit Betreuung durch die Anästhesisten veranlasst worden, die noch am selben Abend stattgefunden habe.
Die Anästhesisten berichten in ihrer Stellungnahme, dass der Patient in akut reduziertem Allgemeinzustand mit deutlicher Vigilanzminderung übernommen worden sei. Er habe unter Raumluftatmung eine SpO2 von 80 Prozent gehabt, die unter Sauerstoffinsufflation aber rasch auf über 90 Prozent angestiegen sei. Er sei mit einem Blutdruck von 160/80 mmHg mäßig hyperton und minimal tachykard (100 bpm) gewesen. Man habe den vorbestehenden Morbus Parkinson mit Amantadininfusionen behandelt. Ein pneumonisches Infiltrat im Oberlappen und ein nitritpositiver Harnwegsinfekt seien mit Piperacillin/Tazobactam behandelt worden. Hierunter und nach Einmalpunktion von 900 ml serösem Pleuraerguss habe sich der Patient respiratorisch stabil und in den folgenden zwei Tagen auch zunehmend vigilanter gezeigt. Die Retentionsparameter hätten sich rasch verbessert. Die Vigilanzminderung habe man auf die Urämie in Kombination mit einer infektbedingten Exsikkose zurückgeführt. Erst ab dem zehnten postoperativen Tag sei es zu einer respiratorischen Verschlechterung gekommen, die sich trotz NIV-Therapie und begleitender Morphingabe nicht gebessert habe. Radiologisch habe diese Verschlechterung mit einer Zunahme des bereits bekannten Infiltrates korreliert. In einem ausführlichen Gespräch habe man sich mit den Angehörigen einvernehmlich auf eine Therapiezieländerung geeinigt und die intensivmedizinischen Maßnahmen beendet.

Begutachtung

Das im Verfahren beauftragte unfallchirurgische Kommissionsmitglied kam in seinem Gutachten zu der Feststellung, dass die einfache, nicht dislozierte pertrochantäre Femurfraktur des Patienten am Tag nach der abendlichen Aufnahme durch einen Gamma-Nagel bei gegebener Indikation regelgerecht osteosynthetisch versorgt wurde. Die präoperative Röntgendiagnostik habe zwar nicht dem fachärztlichen Standard entsprochen, dies sei aber vermutlich ohne Nachteil geblieben, da die fehlende Information bei der intraoperativen Bildwandler-Durchleuchtung nachgeholt werden könne. Sowohl das Ergebnis dieser Untersuchung als auch der Osteosynthese selbst könnten zwar gutachterlich nicht gewürdigt werden, da die Dokumentation dazu bei der Begutachtung nicht vorlag, explizite Vorwürfe zur Frakturversorgung seien von den Angehörigen im Verfahren aber auch nicht vorgebracht worden.

Aus anästhesiologischer fachsachverständiger Sicht wurde bei dem ASA III Patienten sachgerecht eine Allgemeinanästhesie gewählt. Als Risikofaktoren bestanden laut Prämedikationsbogen bei dem hochbetagten, schlanken Patienten (BMI 20,07) unter anderem eine koronare Eingefäßerkrankung mit Zustand nach PTCA und Stent, eine Refluxösophagitis, der Verdacht auf eine COPD sowie auf eine Prostatahyperplasie und ein mit Madopar® behandelter Morbus Parkinson. Als Dauermedikation wurde im Arztbrief eine ASS 100-Prophylaxe und unter anderem die Einnahme von Tamsulosin, Levodopa, Amlodipin, Rasagilin und Atorvastatin ausgewiesen. Bei der Risikoaufklärung wurde der Patient als etwas verwirrt und schwerhörig beschrieben. Die präoperativen Blutwerte wurden unter anderem mit einem Hb von 11,6 g/dl, Quick von 106 Prozent, 157.000 Thrombozyten, Kreatinin 0,97 mg/dl und Kalium von 4,5 mmol/l bestimmt. Die präoperative Röntgen-Thoraxaufnahme zeigte weder ein Infiltrat, noch eine Lungenstauung oder einen Erguss.

Postoperative Behandlung

Die im Verfahren beteiligten Kommissionsmitglieder stellten nach Sichtung der vorgelegten Dokumentation fest, dass die postoperative Betreuung durch die Unfallchirurgen bis zur Verlegung auf die Intensivstation behandlungsfehlerhaft war.

Der hochbetagte Patient wurde in den ersten fünf postoperativen Tagen auf drei verschiedenen peripheren Stationen betreut. Gründe für die Verlegungen, und klinische Befunde bei den ersten beiden Übernahmen wurden dabei nicht niedergelegt. Damit war für den Patienten nicht durchgängig nur ein Stationsarzt verantwortlich. Inwieweit eine sachgerechte Informationsweitergabe erfolgte, muss in Anbetracht der spärlichen Dokumentation zumindest angezweifelt werden. Durch diese, in ihrer Notwendigkeit nicht nachvollziehbaren organisatorischen Maßnahmen wurde der Entwicklung eines postoperativen kognitiven Defizits bei dem hochgradig gefährdeten Patienten Vorschub geleistet, gerade auch im Hinblick auf einen bestehenden Morbus Parkinson, was als Sorgfaltsmangel zu rügen ist.

Desorientiertheit

Ab dem zweiten postoperativen Tag wurde der Patient wiederholt als desorientiert und unruhig, teils wehrhaft, teils schläfrig und antriebsarm beschrieben. Die Verständigung war erschwert bis unmöglich. Nach der Dokumentation in der Krankenakte erhielt er täglich seine Medikation, was nach den Pflegberichten teilweise mit Schwierigkeiten verbunden war. Wiederholt wurde im Pflegebericht über eine bestehende Schluckstörung und auch über Aspirationen berichtet. Das Gebiss wurde am fünften postoperativen Tag von den Angehörigen mitgebracht. Der Patient erhielt Joghurt, Puddingsuppe, Kompott und ab dem dritten postoperativen Tag Breikost. Trotz geringer oraler Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und sommerlicher Temperaturen wurde erst ab dem Nachmittag des dritten postoperativen Tages eine Flüssigkeitssubstitution angeordnet. An diesem Tag wurde eine erste Urinausscheidung vermerkt. Auch nachfolgend kam die Diurese nicht ausreichend in Gang, was aber nur durch Beurteilung der Schutzhose („feucht“) erfasst wurde.
Ab dem vierten postoperativen Tag traten abends „leichte Zuckungen“ auf, was gutachterlich als Hinweis gedeutet werden kann, dass die Parkinsonmedikation nicht optimal erfolgte. Targin® wurde an diesem Tag auf Bestreben der Tochter abgesetzt, da sie unberechtigterweise von einer Kontraindikation bei Parkinsonerkrankung ausging. Das bei „Vigilanzminderung“ am dritten postoperativen Tag angeordnete neurologische Konsil erfolgte am fünften postoperativen Tag. Genannt wird neben dem bekannten idiopathischen Parkinson-Syndrom ein postoperatives delirantes Syndrom. Empfohlen wird ein EEG und eine zerebrale CT-Untersuchung, die am siebten postoperativen Tag erfolgte.

Zustandsverschlechterung

Noch am Mittag des sechsten postoperativen Tages wurde der Allgemeinzustand des Patienten vom Stationsarzt fälschlich als stabil eingeschätzt. Nach zwischenzeitlicher Erneuerung des durchgebluteten Verbandes wurde der Patient eine Stunde nach der ärztlichen Visite auf eine dritte Station verlegt. Hier wurden bei der Übernahme große Hämatome im Bereich der rechten Hüfte und am Oberschenkel notiert. Der als kachektisch und exsikkiert beschriebene Patient war zu diesem Zeitpunkt extrem unruhig, nestelte, reagierte zwar auf Ansprache, sprach aber verschwommen. Von den Ärzten aufgrund fehlender postoperativer Kontrollen unbemerkt hatte sich zu diesem Zeitpunkt eine anämische Hypoxie mit der Folge einer zerebralen Dysfunktion manifestiert, woran auch die nachfolgende Verabreichung zweier Erythrozyten-Konzentrate bei einem Hb von 6,1 g/dl nichts mehr ändern konnte.

Am siebten postoperativen Tag wurde mittags nach Hinweis der Ehefrau ein Trommelbauch durch die Pflege festgestellt und zunächst ein Ileus vermutet. Das tatsächlich zugrunde liegende postrenale Nierenversagen bei Harnverhalt mit vier Litern Blasenvolumen wurde erst am späten Nachmittag – bei zunächst frustranem Katheterisierungsversuch und zwischenzeitlicher Durchführung der aufgrund des Neuro-Konsils geplanten zerebralen Computertomographie und eines Röntgen-Thorax - durch die Angehörigen selbst verifiziert. In den Stunden zuvor erfolgte nach den Unterlagen fehlerhaft keine Inaugenscheinnahme durch den mehrmals telefonisch informierten Arzt vom Dienst. Nach Einschaltung des Oberarztes wurde der Patient um 23 Uhr, das heißt erst zehn Stunden nach der gravierenden Zustandsverschlechterung, auf die Intensivstation verlegt und dort nachfolgend sachgerecht behandelt.

Der Befund der Schädel-CT von diesem Nachmittag lautete: „Fortgeschrittene Mikroangiopathie. Bei Bewegungsartefakten keine sichere Blutung, keine frische territoriale Ischämie“. Die Röntgen-Thoraxuntersuchung im Liegen zeigte einen auslaufenden Pleuraerguss und ein pneumonisches Infiltrat im Oberlappen rechts.

Abschließende Bewertung

Trotz des hohen Alters, der bereits präoperativ bestehenden Anämie und Kachexie sowie bei Vorliegen einer Prostatahypertrophie wurden postoperativ fehlerhaft bis zum sechsten Tag zunächst weder die Entwicklung der Hämoglobinkonzentration überwacht noch die Einfuhr und Ausfuhr kontrolliert. Obwohl sich die delirante Symptomatik täglich verschlechterte, wurde ursächlich weder eine Exsikkose ausreichend bedacht und substituiert noch wurde eine Anämie bei dem frisch operierten zuvor verunfallten und unter ASS-100-Medikation stehenden Patienten in Erwägung gezogen. Die Blutungsanämie wurde erst am sechsten postoperativen Tag mit einer Hb-Konzentration von 6,1 g/dl auf der dritten betreuenden Station aufgedeckt und mittels Erythrozyten-Konzentraten ausgeglichen, als sich bereits eine hypoxämische Situation manifestiert hatte.
Aufgrund der zuvor unterlassenen Befunderhebung ist nicht nachvollziehbar, wann sich die hypoxämische Anämie entwickelte und klinisch auswirkte. Im OP-Bericht wurde der intraoperative Blutverlust nicht quantifiziert. Auch die über die Redon-Drainagen abfließenden Blutmengen wurden nicht erfasst. Die Drainage wurde am zweiten postoperativen Tag entfernt. Nachfolgend sind mehrfach Nachblutungen an der Austrittsstelle und große Hämatome im Bereich der operierten Hüfte, des Gesäßes und des Oberschenkels beschrieben worden. Auch in Anbetracht der Grunderkrankungen des Patienten, unter anderem einer mit Stent behandelten koronaren Eingefäßerkrankung, dem Verdacht auf eine COPD und der Parkinson-Erkrankung wären bereits ab dem ersten postoperativen Tag engmaschige Hämoglobinkontrollen erforderlich gewesen. Hierdurch hätte der Zeitpunkt der nicht mehr tolerierbaren Anämie in Anbetracht der außerdem bestehenden Exsikkose zeitnah erkannt und der vermutlich über mehrere Tage bestehenden hypoxämischen Situation des Patienten umgehend entgegengewirkt werden können und müssen. Dem Patienten hätte bei sachgerechter Diagnostik und Therapie das bedrückende Erleben eines Delirs in Ausmaß und Dauer erspart werden und er hätte sich postoperativ erholen können.

Auch der Schluckstörung und den beschriebenen Aspirationen des Patienten wurde in Hinblick auf eine mögliche parenterale Ernährung von den Ärzten keine ausreichende Bedeutung zugemessen. Weder wurde das nötige neurologische Konsil forciert, noch die dabei empfohlene zerebrale Diagnostik zeitnah umgesetzt. Auch der Harnverhalt (vier Liter Blasenvolumen) mit Trommelbauch wurde am siebten postoperativen Tag nicht umgehend beseitigt. Die Folge war, dass der Patient in diesem belastenden unwürdigen Zustand eine zerebrale CT und Röntgen-Thorax erdulden musste, bis seine Angehörigen nachfolgend die Harnblase entlasteten. Der Patient geriet letztendlich in einen lebensbedrohlichen Zustand, der auch durch eine ab dem siebten postoperativen Tag nachts eingeleitete sachgerechte Intensivtherapie nicht mehr umkehrbar war, sodass er am elften postoperativen Tag verstarb.

Das Unterlassen der Laborkontrollen, insbesondere der Hämoglobinkonzentration und der Flüssigkeitsbilanzierung wurde von der Gutachterkommission als Befunderhebungsfehler und als grob behandlungsfehlerhaft bewertet. Den Unfallchirurgen wird es in Ermangelung dokumentierter getroffener Maßnahmen schwerlich gelingen zu beweisen, dass die Zustandsverschlechterung des Patienten mit Todesfolge nicht durch ihre Unterlassungen bedingt war, sondern alters- und krankheitsbezogen unvermeidbar auch dann aufgetreten wäre, wenn sie den Patienten zeitnah adäquat behandelt hätten.

Professor Dr. Ralf-Ulrich Scherer und Professor Dr. Ludwig Brandt sind stellvertretende ärztliche Kommissionsmitglieder, Rainer Rosenberger ist stellvertretender Vorsitzender und Dr. Beate Weber ist die für die Dokumentation und Auswertung zuständige Referentin der Gutachterkommission Nordrhein.