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Praxis

Zusammenarbeit zum Wohle der Betroffenen

22.02.2024 Seite 23
RAE Ausgabe 3/2024

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 3/2024

Seite 23

Seit mehr als einem Jahr können Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen von der Behandlung im Rahmen des Versorgungsprogramms „KSVPsych“ profitieren. In ganz Nordrhein arbeiten dafür Fachleute bereits eng zusammen. Bei einer Informationsveranstaltung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein berichteten sie von ihren Erfahrungen und motivierten zur Teilnahme am Netzwerk.

von Ina Armbruster

Die Lebensqualität von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen steht im Fokus der Versorgung – darin waren sich alle Vertreterinnen und Vertreter der bestehenden Netzverbünde einig. Sie berichteten bei einer Informationsveranstaltung der KV Nordrhein Ende Januar über ihre Erfahrungen mit der Behandlung nach der KSVPsych-Richtlinie, kurz für „berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf“. Das Programm, das seit Oktober 2022 zur Regelversorgung gehört, basiert auf dem Innovationsfondsprojekt NPPV, das die KV Nordrhein vor einigen Jahren auf den Weg gebracht hatte. Seitdem hat sich die Versorgung der Teilnehmenden deutlich verbessert. 
Behandlerinnen und Behandler arbeiten fach- und systemübergreifend in regionalen Netzverbünden zusammen. Ein Netzverbund muss aus mindestens zehn Mitgliedern bestehen. Beteiligt sind unter anderem Fachärztinnen und -ärzte für Psychiatrie, psychosomatische Medizin und Nervenheilkunde sowie Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Außerdem ist die Zusammenarbeit mit einer Fachklinik verpflichtend. Die Verbünde kooperieren eng mit weiteren Berufsgruppen und Leistungserbringenden, etwa in den Bereichen Ergo- und Soziotherapie oder der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege. Eine gemeinsame IT-Plattform erleichtert die Absprachen.

Vorteile für die Betroffenen

„Patientinnen und Patienten profitieren insbesondere durch den Austausch zwischen den Leistungserbringenden und durch die Unterstützung einer nichtärztlichen Koordinationsperson, zum Beispiel einer Medizinischen Fachangestellten“, erklärte Melina Haack, Referentin des Bereichs Gesundheitspolitik und Strategische Sicherstellung der KV Nordrhein. 

Dr. Thilo Hashemi, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie aus Mettmann, nimmt am Verbund für den Raum Düsseldorf teil. „Viele sind durch ihre Erkrankungen nicht in der Lage, Dinge in die Wege zu leiten oder umzusetzen, die man besprochen hat“, sagte er aus Erfahrung. Das gelinge durch die engmaschige Begleitung wesentlich besser – und so verbessere sich auch der Zustand der Patientinnen und Patienten. Außerdem könnten die Betroffenen durch die intensive ambulante Betreuung in ihrem gewohnten sozialen Umfeld bleiben und den „Drehtür-Effekt“ in den Kliniken vermeiden. Diese Erkenntnis teilte Dr. Marc Schneider, ebenfalls Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie aus Moers und im Netzverbund für die Region des Ruhrgebiets: „Die meisten sind dankbar, wenn wir anstelle eines Klinikaufenthalts eine andere Lösung finden können. Damit steigt auch die Therapie-Motivation.“ Einen weiteren Vorteil sieht Schneider in der engen Zusammenarbeit mit den Soziotherapeutinnen und -therapeuten, die teils noch weitere Einblicke in das Leben der Betroffenen erhalten: „Viele Probleme werden erst im häuslichen Umfeld deutlich, seien es Chaos in der Wohnung, Briefberge oder familiäre Konflikte. Wenn ich diese Faktoren mit einbeziehe, kann ich die Therapie entsprechend anpassen.“

Wichtig ist: Alle ziehen an einem Strang. „Früher liefen die Behandlungen oft unabhängig und parallel zueinander – und die Ideen gingen nicht immer in die gleiche Richtung“, berichtete Susanne Rauch, Fachdienstleitung des Sozialpsychiatrischen Zentrums des Caritas-Verbands Moers-Xanten. „Jetzt stimmen wir uns ab. Das ist eine große Chance für die Patientinnen und Patienten.“

Vorteile für die Behandelnden

Auch Julia Leithäuser, Psychologische Psychotherapeutin aus Bonn, sieht das Netzwerk als Bereicherung für ihre Arbeit. Organisatorisch schätzt sie die Zusammenarbeit mit dem Dienstleister IVP Networks. Dieser hat einen Rahmenvertrag mit der KV Nordrhein abgeschlossen und unterstützt unter anderem beim Beitritt in den Verbund, der Organisation und der Abrechnung.

Die Abrechnung erfolgt – ohne separate Formulare – über festgelegte EBM-Ziffern. Besondere Leistungen, etwa Fallbesprechungen oder die Koordination der Versorgung durch eine nichtärztliche Person, werden entsprechend vergütet. Auch wenn die Vergütung gut ist, ist der größte Gewinn nicht monetär, wie Yigit Sinan Saltik, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus Alsdorf, es für alle Teilnehmenden auf den Punkt brachte: „Die Patienten danken es einem. Das ist ganz wichtig für mich.“ 

Ina Armbruster ist Online-Redakteurin bei der KV Nordrhein.
 

Infos in Kürze

  • Derzeit gibt es vier Netzverbünde, die das Gebiet Nordrhein abdecken.
  • Interessierte können einem der bestehenden Verbünde beitreten oder selbst einen neuen gründen. Die KV Nordrhein und IVP Networks unterstützen. 
  • Rund 2.500 Patientinnen und Patienten nehmen am Programm teil.  


Weitere Informationen unter:
www.kvno.de/ksvpsych