Die fachärztliche Weiterbildung soll strukturierter ablaufen. Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung sollen insbesondere am Anfang ihrer Laufbahn besser angeleitet werden, um ihre Patienten sicher versorgen zu können. Der 128. Deutsche Ärztetag hat deshalb im vergangenen Jahr in Mainz nach kontroverser Debatte beschlossen, eine verpflichtende Fortbildung in Didaktik für Weiterbilderinnen und Weiterbilder einzuführen. In Nordrhein werden in diesem Sommer die ersten „Train the Trainer“-Kurse starten.
von Heike Korzilius
Eine bessere Lehre, häufigeres Feedback und mehr Wertschätzung sowie mehr Struktur in der Weiterbildung – diese Punkte standen im vergangenen Jahr ganz oben auf der Wunschliste der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung, die sich an der jährlich von der Ärztekammer Nordrhein durchgeführten Evaluation zur Situation in der Weiterbildung beteiligten. Bei diesem eher kritischen Stimmungsbild war es wenig überraschend, dass lediglich 54 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung ihre Weiterbildungsstätte weiterempfehlen würden. Jüngere Zahlen als die aus dem Frühjahr 2024 liegen aktuell noch nicht vor. Doch sie unterscheiden sich kaum von denen aus dem Vorjahr. Dabei ist eine gute Weiterbildung das Fundament für eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung.
In der Plicht sehen hier viele die zur Weiterbildung befugten Ärztinnen und Ärzte. Um Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten angemessen vermitteln zu können, müssten diese auch medizindidaktisch geschult werden, forderte der Deutsche Ärztetag im Mai 2024 in Mainz. Allerdings schloss sich erst nach hitziger Debatte und im zweiten Anlauf eine Mehrheit der Delegierten der Forderung an, dass die Landesärztekammern „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ eine verpflichtende Fortbildung in Didaktik für Weiterbilder einführen. Viele Delegierte hatten in einer ersten Abstimmung noch gegen die Vorlage votiert, weil sie befürchteten, das Angebot solcher „Train the Trainer“-Kurse könne die Kammern organisatorisch und finanziell überfordern. Der Kompromiss sieht nun vor, dass die neue Regelung zunächst nur für alle neu ernannten Weiterbilderinnen und Weiterbilder gilt. Ziel sei es, die Qualität von Supervisionen, Feedback und der verpflichtenden „Logbuch-Gespräche“ zur Lernstandserhebung zu steigern sowie die Planung der Weiterbildung zu verbessern, heißt es im entsprechenden Beschluss des Ärztetages.
Geplant sind 90 Kurse im Jahr
Die Mängel, die es hier gibt, belegen die Ergebnisse der Evaluation der Weiterbildung von 2024: So gab nur etwas mehr als die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (51,3 Prozent) an, dass sie mindestens einmal im Jahr ein Weiterbildungsgespräch führten. 72 Prozent beklagten, dass das eigentlich erforderliche Weiterbildungsprogramm häufig nicht ausgehändigt werde, während 34 Prozent zwar ein solches Programm erhielten, dieses aber im Arbeitsalltag nicht angewendet werde.
Um den Weiterbildern mehr didaktisches und kommunikatives Rüstzeug an die Hand zu geben, sollen in Nordrhein die nunmehr verpflichtenden Seminare „Didaktiktraining für Weiterbilder“ im Sommer starten. Konzipiert hat sie die Ärztekammer Nordrhein zusammen mit der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein, die von der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung des Landesteils gemeinsam getragen wird. „Der Fortbildungsaufwand ist beträchtlich“, erklärt Professor Dr. Gisbert Knichwitz, Vorsitzender des Fortbildungsausschusses der Akademie und Mitglied in deren Vorstand. „Jedes Jahr werden in Nordrhein rund 900 Weiterbilderinnen und Weiterbilder neu befugt. Die müssen fortan alle geschult werden.“ 90 „Train the Trainer“-Kurse wolle die Akademie jährlich auflegen. Das Schulungskonzept sehe eine Einheit von acht Stunden in Präsenz vor, in der medizindidaktische Inhalte mit praktischen Übungen verknüpft würden. Eine dreistündige Einheit auf einer Online-Lernplattform bereite die Teilnehmer mit speziellen Aufgaben, in denen sie ihre eigene Weiterbildungssituation reflektierten, auf den Präsenzunterricht vor.
Keine „abgehobene“ Didaktik
Knichwitz bestätigt, dass viele Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung tendenziell weniger zufrieden seien mit der Qualität ihrer Weiterbildung und ihrem Lernfortschritt. Dazu trage sicherlich auch die fortschreitende Arbeitsverdichtung bei, so der Akademie-Vorstand. Andererseits stünden auch die Weiterbilder vor neuen Herausforderungen. Zu nennen seien hier beispielsweise mangelnde Sprachkenntnisse bei einer steigenden Zahl von Weiterzubildenden mit Migrationshintergrund sowie generationsbedingte Mentalitätsunterschiede und Prioritätensetzungen. „Unsere Didaktik- und Kommunikationsschulungen zielen darauf, den Weiterbildern evidenzbasierte Methoden an die Hand zu geben, mit deren Hilfe sie effektive Mitarbeitergespräche führen und im Bedarfsfall auch konstruktiv-korrektives Feedback geben können“, betont Knichwitz. Außerdem gehe es darum, im Arbeitsalltag möglichst effizient und nachhaltig praktische Fertigkeiten vermitteln zu können. „Wir wollen dazu beitragen, dass die Weiterbilder ihrer Rolle und Verantwortung möglichst professionell und erfolgreich gerecht werden“, sagt der Akademie-Vorstand.
Entstanden ist das Seminarkonzept für Nordrhein unter Federführung des Kinderarztes und Medizindidaktikers Dr. Bernhard Steinweg, Geschäftsführer des Studiendekanats der Medizinischen Fakultät am Universitätsklinikum Bonn. Ihm ist wichtig, dass es bei den Schulungen nicht darum geht, „abgehobene“ didaktische Konzepte zu vermitteln, sondern Inhalte, die im herausfordernden ärztlichen Alltag praktisch umsetzbar sind. „Ziel einer guten Weiterbildung ist es doch, junge Kolleginnen und Kollegen schnellstmöglich dazu zu befähigen, ärztliche Tätigkeiten eigenverantwortlich und sicher für die Patientinnen und Patienten durchzuführen“, sagt Steinweg im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. Das sei auch im Sinne der Weiterbilder, die mit einem „fitten Team“ an ihrer Seite in ihrer Arbeit entlastet würden.
Im Kern gehe es bei den Trainings deshalb darum, die Befugten dafür zu sensibilisieren, dass sie für eine gute und effiziente Weiterbildung einen Plan benötigen – und zwar orientiert an den konkreten ärztlichen Tätigkeiten, die sie ihren Weiterzubildenden in einem angemessenen Zeitrahmen anvertrauen wollten. „Die entscheidenden Fragen, die sich die Weiterbilder stellen müssen, sind: Was erwarte ich von meinen Weiterzubildenden? Welche ärztlichen Tätigkeiten sollen sie schnellstmöglich selbstständig und patientensicher durchführen können? Was können sie bereits? Was will und kann ich ihnen in welchem Zeitraum beibringen? Und welche Kenntnisse beziehungsweise Fertigkeiten müssen sie sich selbst aneignen?“, erklärt Steinweg. Es reiche nicht, solche Fragen in einem Jahresgespräch zu erörtern. Die Weiterbilder müssten Entwicklungen und Fortschritte kontinuierlich im Arbeitsalltag beobachten, möglicherweise Kollegen verschiedener Berufsgruppen nach ihren Eindrücken befragen oder auch Überprüfungssituationen schaffen. Entscheidend ist nach Ansicht von Steinweg in diesem Zusammenhang, dass die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung in ihrem Alltag regelmäßig ein strukturiertes Feedback erhalten. Nur damit könne man sie dabei unterstützen, sich weiterzuentwickeln und die vereinbarten Weiterbildungsziele zu erreichen. „Doch ein solches Feedback findet in den meisten Fällen nicht statt“, kritisiert der Medizindidaktiker. „Deswegen sind die Ergebnisse der Weiterbildungsevaluationen so, wie sie sind. Und die Weiterzubildenden brauchen viel länger als eigentlich notwendig, bis sie fit sind und ihnen die ärztlichen Tätigkeiten beispielsweise für die Dienste vollständig anvertraut werden können.“
Eine Frage der Priorisierung
Die neue Pflicht zur didaktischen Fortbildung stoße nicht bei allen Weiterbildungsbefugten auf uneingeschränkte Zustimmung. Viele zweifelten angesichts von Arbeitsverdichtung und Kostendruck an der Umsetzbarkeit formaler Weiterbildungskonzepte. „Natürlich müssen meine Kursteilnehmer sich die Werkzeuge, die ich ihnen an die Hand gebe, zunächst einmal aneignen, aber dann können sie sie relativ einfach und praktisch in ihrem Arbeitsalltag umsetzen“, meint Steinweg. „Und am Ende ist das alles, wie immer im Leben, eine Frage der Priorisierung.“ Eine gute Weiterbildung koste Zeit und Geld. „Aber dieses System wird nicht besser, wenn nicht in die Weiterbildung investiert wird“, sagt Steinweg.
Baustein für mehr Qualität
Lange galt die Weiterbildung als eine Art „Abfallprodukt“ der täglichen Arbeit. „Weder das Medizinstudium noch die ärztliche Weiterbildung bereiten uns strukturiert auf unsere Aufgabe vor, unsere fachlichen Kompetenzen weiterzuvermitteln“, erklärte im vergangenen Jahr die junge Berliner Internistin Friederike Bennett gegenüber der Ärztezeitung. Sie hatte beim Deutschen Ärztetag in Mainz federführend den Antrag für die „Train the Trainer“-Seminare eingebracht. Diese seien ein Baustein, die Qualität in der Weiterbildung zu verbessern, sagte Bennett. Und sie stehen für einen Kulturwandel, wie nicht zuletzt die Diskussionen auf Deutschen Ärztetagen belegen, bei denen Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung regelmäßig bessere Strukturen, Anleitung und Lehre einfordern.
Andrej Weissenberger würde diese Forderung sofort unterschreiben. Er ist seit September 2023 Arzt in Weiterbildung in der Kinderheilkunde am Städtischen Klinikum Solingen. Weissenberger gehört zu jener Hälfte der Weiterzubildenden, die ihre Weiterbildungsstätte weiterempfehlen würden. „Die Weiterbildung verläuft bei uns sehr gut strukturiert“, sagt er im Gespräch mit dem Rheinischen Ärzteblatt. „Wir arbeiten mit Checklisten und festen Einarbeitungsplänen. Außerdem haben wir immer eine Ansprechperson, die während der Rotation durch die unterschiedlichen Abteilungen für uns zuständig ist.“ Häufig seien das andere Ärztinnen in Weiterbildung, die bereits länger dabei seien und vor allem in Fragen der Organisation über mehr Erfahrung verfügten. Sie wüssten, wie man ein Rezept erstellt oder das Programm bedient, mit dem die Patientenakten geführt werden. Die fachliche Anleitung übernähmen in der Regel die Oberärztinnen und Oberärzte. Und mindestens einmal im Jahr führe man mit dem Chefarzt ein Feedback-Gespräch. „Er nimmt sich dafür auch wirklich Zeit“, sagt Weissenberger. Gesprochen werde über Stärken und Schwächen und darüber, was man nach eigener Einschätzung noch vertiefen müsse.
Doch der angehende Kinderarzt ist sich auch bewusst, dass es nicht überall so läuft wie an seiner Klinik. Kollegen aus anderen Häusern beklagten häufig, dass es bei der Einarbeitung an Struktur fehle. „Die Leute wissen oft nicht, wo sie hingehen müssen, wer für sie zuständig ist. Auch fachlich muss man sich – frisch aus dem Studium – erstmal orientieren“, meint Weissenberger. „Wenn dann die Struktur fehlt, ist der Einstieg schwer.“
Lehre wird professionalisiert
Er findet es gut und wichtig, dass die Lehre in der Weiterbildung durch die „Train the Trainer“-Seminare professionalisiert wird. „Kommunikation und Didaktik sind ja nicht von Vornherein die Stärke von Ärztinnen und Ärzten“, sagt Weissenberger, der im vergangenen August von der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein in den Vorstand der Ärztlichen Akademie gewählt wurde. Der angehende Kinderarzt weist darauf hin, dass die Approbation zwar zur Berufsausübung berechtigt, die praktische Weiterbildung aber nicht ersetzen kann. „Theoretisch ist man Arzt, aber die Praxis fehlt total“, sagt Weissenberger. Er selbst habe eine steile Lernkurve durchlaufen – zuletzt bei seiner Rotation auf die Intensivstation. „Ich durfte dort gleich in der ersten Woche einen Einschwemmkatheter bei einem Neugeborenen legen“, so Weissenberger. Die diensthabende Oberärztin habe den Standpunkt vertreten, dazu müsse er in der Lage sein, weil er früher oder später auch einmal allein im Dienst sein könnte, wenn ein solcher Eingriff notwendig werde. „Die Ärztin hat sich zunächst ein Anatomiebuch genommen und mit mir alles einmal theoretisch durchgesprochen. Dann hat sie mir erklärt, wie das Material funktioniert“, so Weissenberger. Beim Legen des ersten Einschwemmkatheters habe er zugesehen, den zweiten habe er unter Anleitung selbst gelegt und den dritten völlig selbstständig angebracht. „Das war genauso, wie ich mir das erhoffe und wie ich es eigentlich auch erwarte“, fasst Weissenberger seine Lernerfahrung zusammen. Medizindidaktiker Steinweg wäre wahrscheinlich begeistert gewesen.
www.aekno.de/cme
Informationen rund um das Fortbildungsangebot „Didaktiktraining für Weiterbilder – eine kompetenzorientierte Weiterbildung gestalten“ finden sich unter
www.akademie-nordrhein.de/didaktik-weiterbilder