Am 4. Juni findet bundesweit der dritte Hitzeaktionstag statt. Die Initiatoren, darunter die Bundesärztekammer, wollen für die gesundheitlichen Gefahren durch extreme Hitze sensibilisieren. Damit Krankenhäuser und Praxen jedoch konkrete Maßnahmen zum Hitze- und Klimaschutz umsetzen können, braucht es gezielte finanzielle Förderungen und umfassende Beratungsangebote.
von Marc Strohm
Extreme Hitze kann gefährlich sein – insbesondere für ältere Menschen, Vorerkrankte sowie Säuglinge und Kleinkinder. Experten gehen davon aus, dass Hitzewellen künftig häufiger auftreten und länger andauern werden. In Nordrhein hat die Ärzteschaft bereits begonnen, Maßnahmen zu ergreifen, um besser gegen Hitze gewappnet zu sein. Dabei setzen Praxisinhaber meist auf bauliche Maßnahmen wie Verschattungen oder den Einsatz von Ventilatoren. Andere streichen ihre Praxisräume in kühlenden Farben oder setzen auf sonnenreflektierenden Folien an den Fenstern. Einige verlegen ihre Sprechstunden für vulnerable Patienten an heißen Tagen in die kühlen Morgen- oder Abendstunden oder stellen in den Wartezimmern kostenlos kühle Getränke zur Verfügung. Darüber hinaus legen Ärzte für ihre Patienten Informationsflyer zum Umgang mit Hitzewellen aus oder nehmen an Fortbildungen zum Hitzeschutz teil. Entsprechende Checklisten für Praxen helfen dabei, den Hitzeschutz zu strukturieren (siehe Kasten). Für die Krankenhäuser wurden in den letzten Jahren Hitzeaktionspläne aufgelegt. „Viele Ärztinnen und Ärzte haben sich in den letzten Jahren auf den Weg gemacht, um Krankenhäuser und Praxen hitzeresilient zu gestalten. Doch Hitzeschutz gibt es nicht zum Nulltarif“, erklärte Dr. Oliver Funken, Mitglied des Vorstandes der Ärztekammer Nordrhein und Vorsitzender des ÄkNo-Ausschusses Prävention, Gesundheitsförderung und Klimawandel. Es mangele oft an finanziellen Mitteln für umfassende Maßnahmen – insbesondere in der ambulanten Versorgung. Förderangebote, die speziell auf das Gesundheitswesen zugeschnitten sind, fehlen derzeit weitgehend, betont der Hausarzt aus Rheinbach.
Auch beim diesjährigen Hitzeaktionstag, der am 4. Juni stattfindet, gehört unter anderem eine auskömmliche Finanzierung zu den Anliegen. „Damit kommunale Hitzeaktionspläne wirkungsvoll umgesetzt werden können, bedarf es der finanziellen und personellen Unterstützung der Kommunen durch die Länder und den Bund sowie umsetzungsorientierter Vernetzungs- und Beratungsangebote“, heißt es auf der Homepage www.hitzeaktionstag.de. Wie auch in den Vorjahren verfolgt der Hitzeaktionstag unter anderem das Ziel, die Vernetzung zwischen den am Hitzeschutz beteiligten Akteuren zu fördern.
Enge finanzielle Spielräume
In den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern ist das Thema Hitzeschutz für Patientinnen und Patienten, aber auch für die Mitarbeitenden bereits fest im Bewusstsein der Verantwortlichen verankert, erklärte die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen auf Anfrage des Rheinischen Ärzteblattes (RÄ). Um den Hitzeschutz in den Kliniken konsequent voranzutreiben, seien allerdings häufig umfassende Modernisierungen erforderlich. Viele Einrichtungen verfügten über sehr alte Bausubstanz. Um die Einrichtungen hitze- und klimaschutzgerecht aufzustellen, brauche es entsprechende Gebäudehüllen sowie Möglichkeiten zur Verschattung und zur Modernisierung der Lüftungstechnik. Doch vielen Krankenhäusern fehlten die finanzielle Mittel, um solche Investitionen eigenständig zu stemmen. Laut Berechnungen des hcb – Institute for Health Care Business aus dem Jahr 2022 belaufen sich die Kosten für einen klimaneutralen Umbau der Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen auf rund 7,1 Milliarden Euro. Dies umfasse neben der Sanierung der Gebäudehüllen beispielsweise auch den Einbau von Photovoltaik-Anlagen sowie eine Umstellung auf LED-Beleuchtungen.
Das Land Nordrhein-Westfalen stellt den Krankenhäusern im Zuge der neuen Krankenhausplanung rund 2,5 Milliarden Euro bereit, wobei ein Drittel dieser Mittel für Klimaanpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen ist, erklärte das NRW-Gesundheitsministerium auf Anfrage des RÄ. Dazu zählten beispielsweise Hitzeschutzmaßnahmen an Fassaden und Dächern, der Einbau von Sonnenschutzverglasungen sowie die Verschattung von Patientenzimmern durch neugepflanzte Bäume. Bundesweit rechnet die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) mit einem Investitionsbedarf von rund 31 Milliarden Euro für die klimaneutrale Umrüstung aller Kliniken. Die Finanzierung soll – so die Forderung der DKG – aus Rückflüssen der CO₂-Abgaben erfolgen.
Auch die Praxen berücksichtigen
Neben den Krankenhäusern leistet auch die niedergelassene Ärzteschaft einen wichtigen Beitrag zum Hitzeschutz, betonte ÄkNo-Vorstandsmitglied Funken. Insbesondere Hausärztinnen und Hausärzte berieten ihre vulnerablen Patientinnen und Patienten in ihren Sprechstunden beispielsweise über Verhaltensregeln bei hohen Temperaturen und mögliche veränderte Wirkungen bestimmter Medikamente. Eine eigenständig abrechenbare „Klimasprechstunde“ mit einer eigenen EBM-Ziffer könnte ein zusätzlicher Anreiz sein, dieses Engagement weiter auszubauen, betonte Funken. Eine repräsentative Befragung der gemeinnützigen Stiftung Gesundheit zeigte, dass bisher etwa 30 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte ihre Patienten gezielt zum Umgang mit Hitze berieten. Daneben setzen laut Stiftung Gesundheit fast 60 Prozent der Ärztinnen und Ärzte beim Hitzeschutz auf bauliche Maßnahmen, etwa durch Klimatisierung der Praxisräume. Doch finanzielle Förderprogramme des Landes für komplexere Umbaumaßnahmen, die speziell auf Arztpraxen zugeschnitten sind, existieren derzeit nicht, teilte das NRW-Gesundheitsministerium auf Anfrage des RÄ mit. Allerdings haben Arztpraxen, die zu den „kleinen und mittleren Unternehmen“ zählen, die Möglichkeit, bei der Innovationsförderagentur NRW Beratungen und Förderungen in Anspruch zu nehmen – insbesondere zu naturbasierten und nachhaltigen Maßnahmen zu Klimaanpassungen. Dazu zählten beispielsweise Maßnahmen zur Verschattung oder zur Schaffung von Verdunstungskühle (siehe Kasten).
Müll vermeiden für mehr Umweltschutz
Darüber hinaus können Krankenhäuser und Praxen einen effektiven Beitrag zum Umweltschutz im Bereich der Müllvermeidung leisten, betont Funken. Nach Angaben der DKG fielen in Krankenhäusern pro Bett im Schnitt mehr als 1.400 Kilogramm Abfall im Jahr an; eine Privatperson verbrauche im gleichen Zeitraum etwa 450 Kilogramm. Einheitliche Standards für ein nachhaltiges und digitales Abfall- und Wertstoffmanagement in Krankenhäusern gibt es bislang nicht, erklärte die nordrhein-westfälische Krankenhausgesellschaft auf Anfrage des RÄ. Aktuell entwickle sie daher mit dem Unternehmen CIRCULARMED GmbH aus Bonn eine entsprechende Lösung, um einen nachhaltigen Umgang mit medizinischem Abfall zu fördern. Im ambulanten Bereich setzt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf pragmatische Vorgaben, um die Müllproduktion zu reduzieren. Oftmals seien niedergelassene Ärztinnen und Ärzte mit Vorschriften konfrontiert, die für Krankenhäuser gelten, sich jedoch nicht direkt auf die Gegebenheiten in der Arztpraxis übertragen ließen, heißt es in einer entsprechenden Erklärung. Die KBV plädiert daher für die Umsetzung „pragmatischer Vorgehensweisen“, um notwendigen Hygieneanforderungen weiterhin gerecht zu werden und zugleich ressourcenschonend zu handeln.
Der Hitzeaktionstag am 4. Juni dient unter anderem der Vernetzung der am Hitzeschutz beteiligten Akteure. Mehr Informationen dazu unter www.hitzeaktionstag.de
Die Innovationsförderagentur NRW bietet Förderungen und Beratungen für kleine und mittlere Unternehmen zu naturbasierten Maßnahmen zur Klimaanpassung.
Interessierte finden den Kontakt unter: www.in.nrw/massnahmen/klimaanpassung-unternehmen-nrw
Für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte hat die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein Informationen zum Hitzeschutz zusammengetragen. Darunter finden sich auch Muster-Hitzeaktionspläne für Praxen: www.kvno.de/praxis/service/klima-und-hitzeschutz
Auf der Webseite www.klima-gesund-praxen.de finden Ärztinnen und Ärzte unter anderem Informationen, um die Praxis klimaneutral aufzustellen.
Informationsmaterialien für Patientinnen und Patienten finden Ärzte unter
www.klima-mensch-gesundheit.de/hitzeschutz/