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Dr. Pia-Alina Buckhorst, Truppenärztin

„In den Sanitätsbereichen dominieren die Frauen“

19.05.2025 Seite 47
RAE Ausgabe 6/2025

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 6/2025

Seite 47

Dr. Pia-Alina Buckhorst begann im Juli 2014 ihre Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr. Bis 2020 studierte sie Humanmedizin im Modellstudiengang der RWTH-Aachen. Daraufhin folgte die Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz. Aktuell ist Buckhorst im Sanitätsversorgungszentrum in Köln-Raderthal tätig. © Bundeswehr

Job, Beruf, Berufung? – An dieser Stelle berichten junge Ärztinnen und Ärzte über ihren Weg in den Beruf, darüber, was sie antreibt und warum sie – trotz mancher Widrigkeiten – gerne Ärztinnen und Ärzte sind.

RÄ: Frau Dr. Buckhorst, wie haben Sie Ihre Medizinausbildung bei der Bundeswehr erlebt?
Buckhorst: Ich habe vor gut zehn Jahren an einem Auswahlverfahren für die Sanitätslaufbahn in Köln teilgenommen. Dort wurde sowohl meine Eignung als zukünftige Ärztin als auch als Offizierin geprüft. Ich erhielt sofort eine Zusage. Wenig später habe ich meine verkürzte Grundausbildung im bayerischen Straubing angetreten. Das war eine sehr spannende und lehrreiche Zeit, in der ich körperlich und mental durchaus an meine Grenzen gekommen bin. Aber ich habe in dieser Zeit auch sehr viele Freundschaften geknüpft. Dieser Zusammenhalt und die Kameradschaftlichkeit machen für mich die Bundeswehr aus.

Als Studienort habe ich mich für Aachen entschieden, weil ich unbedingt den dortigen Modellstudiengang Medizin absolvieren wollte. Man fängt dort relativ früh an, mit Patienten zu arbeiten und zum Beispiel körperliche Untersuchungstechniken zu lernen. Während des Medizinstudiums war ich von der Bundeswehr beurlaubt. Mein Auftrag war quasi, das Studium in der Regelstudienzeit zu absolvieren. Zusätzlich musste ich jedes Jahr für den Erhalt meiner Individuellen Grundfertigkeiten (IGF) sorgen, sprich: schießen und marschieren gehen, das Sportabzeichen und einen speziellen Sporttest machen und Kleiderschwimmen absolvieren. In den Semesterferien stand der Offizierslehrgang auf dem Programm. Meine Weiterbildung in Allgemeinmedizin habe ich am Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz absolviert.
 
Außer der Gynäkologie decken wir bei der Bundeswehr so gut wie alle Fächer ab. Das ist der Tatsache geschuldet, dass es früher deutlich weniger Soldatinnen gab. Diese werden bei gynäkologischen Beschwerden meist zu zivilen Fachärztinnen und Fachärzten geschickt.
 
RÄ: Wie ist es denn, als Frau in einer von Männern dominierten Arbeitswelt tätig zu sein?
Buckhorst: Man muss ganz klar sagen, dass in den Sanitätsbereichen die Frauen dominieren. Grundsätzlich habe ich persönlich aber auch nie eine Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern erfahren. Für alle Soldatinnen und Soldaten gelten die gleichen Voraussetzungen und Anforderungen. Uns eint zudem der Auftrag, dem Land zu dienen. Häufig ist es aber auch eine Persönlichkeitsfrage, ob man sich durchsetzen kann oder nicht. Man muss auf jeden Fall eine eigene Stimme haben.

RÄ: Was prägt zurzeit Ihren ärztlichen Alltag?
Buckhorst: Hier im Sanitätsversorgungszentrum in Köln-Raderthal betreuen wir rund 3.500 Soldatinnen und Soldaten. Im Unterschied zu den zivilen allgemeinmedizinischen Kollegen gehen wir nicht nur unserer hausärztlichen Tätigkeit nach, sondern wir haben auch einen sogenannten Begutachtungsauftrag. In diesem Rahmen prüfen wir zum Beispiel, ob ein Soldat im Ausland einsetzbar ist oder ob ein Laufbahnwechsel erfolgen kann. Die Truppenärztin oder der Truppenarzt ist quasi die erste Instanz, die prüft, welche Anforderungen und Leistungen die Soldaten erfüllen können. Da steckt allerdings auch viel Bürokratie dahinter. Generell gilt es, die Balance zu finden zwischen Patientenbehandlung und Begutachtung, also der Prüfung, ob jemand weiterhin tauglich ist für den Dienst in der Bundeswehr. Schwierig wird es bei psychiatrischen Erkrankungen, wie zum Beispiel posttraumatischen Belastungsstörungen.


RÄ: Wie gehen Sie mit solchen Fällen um?
Buckhorst: Die Patienten fallen in der Regel im Dienst für lange Zeit aus, denn die Erlebnisse, die sie verarbeiten müssen, sind teilweise wirklich heftig. Dabei hat jeder Mensch unterschiedliche Resilienzen, um mit solch belastenden Situationen umzugehen. Häufig treten Beschwerden auch erst lange Zeit nach dem traumatischen Ereignis auf, beispielsweise in Form von Panikattacken. Sobald nur ansatzweise der Verdacht einer posttraumatischen Belastungsstörung nach einem Einsatz vorliegt, kümmern wir uns ganz intensiv um die Betroffenen. Ein solcher therapeutischer Prozess ist äußerst langwierig. Es sind viele stationäre und ambulante Sitzungen notwendig, um den Patienten wieder soweit zu stabilisieren, dass ein „normales“ Leben wieder möglich ist. Und da bin ich auch als Ärztin gefordert, dass auch diejenigen, die nicht mehr für die Bundeswehr arbeiten können, nicht untergehen, dass sie stabil im Leben stehen und auch finanziell für sich sorgen können. 


Das Interview führte Vassiliki Temme