Eine erste Evaluation zu den Auswirkungen des Konsumcannabisgesetzes lässt vorerst keinen dringenden Handlungsbedarf erkennen. Die CDU/CSU drängt gleichwohl auf Einschränkungen der Teillegalisierung. Zudem soll dem missbräuchlichen Erwerb von Medizinal-Cannabis ein Riegel vorgeschoben werden.
von Thomas Gerst
Zunächst einmal vorsichtige Entwarnung: Drastische Folgen der Teillegalisierung des Cannabiskonsums seit April 2024 sind bislang nicht zu verzeichnen. „Die vorliegenden Ergebnisse lassen bis jetzt keinen dringenden Handlungsbedarf in Bezug auf die untersuchten Bereiche erkennen“, heißt es im Zwischenbericht der Evaluation des Konsumcannabisgesetzes (KCanG), der pünktlich zum 1. Oktober 2025 vorlag. Koordiniert vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung, sollen die Auswirkungen der Teillegalisierung über einen vierjährigen Zeitraum bis April 2028 untersucht werden. In den ersten 18 Monaten nach Inkrafttreten des KCanG seien keine grundlegenden Veränderungen beim Umgang mit Cannabis festzustellen, wird im Zwischenbericht die Auswertung bisher vorliegender Daten zusammengefasst. „Während der Konsum von Cannabis bei Jugendlichen weiterhin leicht zurückzugehen scheint, ist bei Erwachsenen nach wie vor eine leichte Zunahme des Cannabiskonsums zu beobachten.“ Auch seien keine schwerwiegenden Veränderungen in der Entwicklung von Suchterkrankungen oder in der Gefährdung der Verkehrssicherheit festzustellen. Einschränkend wird aber darauf hingewiesen, dass der Untersuchungszeitraum noch zu kurz sei, um verlässlich die Auswirkungen der Teillegalisierung des Cannabiskonsums durch das KCanG auf akute und chronische Gesundheitsprobleme bestimmen zu können.
Laut Zwischenbericht gibt es allerdings den problematischen Sachverhalt, dass die gemäß KCanG bisher bestehenden legalen Cannabis-Anbauvereinigungen keinen maßgeblichen Beitrag zur Verdrängung des Schwarzmarkts leisten könnten. Es sei auch nicht zu erwarten, „dass sich diese Entwicklung ohne normative Korrekturen verändern wird“.
Von einer weiteren Lockerung der Cannabis-Vorschriften ist allerdings unter der aktuellen Regierungskoalition nicht auszugehen. Die ursprünglich vorgesehene gesetzliche Regelung zur Schaffung von Modellregionen, in denen die kontrollierte Abgabe von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften oder Apotheken erprobt werden sollte, konnte nach Scheitern der Ampel-Koalition nicht mehr realisiert werden. Der Versuch des ehemaligen Landwirtschaftsministers Cem Özdemir, ein solches Verfahren im November 2024 noch auf dem Verordnungswege durchzusetzen, darf mittlerweile als gescheitert angesehen werden. Die von ihm für die Prüfung und Genehmigung entsprechender Anträge ermächtigte Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung steht nunmehr unter der Fach- und Dienstaufsicht des CSU-geführten Landwirtschaftsministeriums auf dem Standpunkt, dass ein gesondertes Gesetzgebungsverfahren zur Regelung von Modellvorhaben unabdingbar sei. Auf Anfrage teilt die Bundesanstalt mit, dass sie bei derzeitiger Rechtslage keine Möglichkeit sehe, Erlaubnisse zu den beantragten Cannabis-Modellvorhaben zu erteilen.
Regulierungsbedarf sehen mittlerweile viele beim Erwerb von Cannabis auf der Grundlage des Medizinal-Cannabisgesetzes. Die Versorgung mit Medizinal-Cannabis sei einfacher geworden, heißt es im Zwischenbericht der Evaluation des Konsumcannabisgesetzes, wobei anzunehmen sei, dass auch Konsumierende ohne medizinischen Bedarf Medizinal-Cannabis beziehen.
Deutlich wird diese Entwicklung auch auf der Grundlage von Daten zum Import von Medizinal-Cannabis nach Deutschland. Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erhöhte sich dieser vom ersten Quartal 2024 bis zum zweiten Quartal 2025 um mehr als das Fünffache von 8.143 Kilogramm auf 43.257 Kilogramm. Offenbar hat sich mit der Teillegalisierung von Cannabis zu Konsumzwecken im Frühjahr 2024 und der Herauslösung von Medizinal-Cannabis aus dem Betäubungsmittelrecht ein zunächst vom Gesetzgeber nicht vorhergesehener bequemer Weg zum Erwerb von Medizinal-Cannabis zu Konsumzwecken über Onlineplattformen nach privatärztlicher Verordnung aufgetan. Nun mögen manche nichts Schlimmes daran finden, dass auf diese Weise eine Gelegenheit geschaffen wurde, sich über Onlineapotheken mit einem Rauschmittel zu versorgen, dessen Konsum nach dem Konsumcannabisgesetz mit Wirkung vom 1. April 2024 zwar legal, dessen Verkauf jedoch weiterhin illegal ist. Dies sei allemal besser, als Konsumenten zurück auf den Schwarzmarkt mit gegebenenfalls zweifelhafter Ware zu drängen.
Ordnungspolitische Fehlentwicklung
Allerdings kommt man nicht an der Einschätzung vorbei, dass es sich bei der nun bestehenden Möglichkeit des Erwerbs von Medizinal-Cannabis zu Konsumzwecken um eine ordnungspolitische wie auch berufspolitische Fehlentwicklung handelt. Insofern war auch das Echo auf den vom Bundesgesundheitsministerium im Juli 2025 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes überwiegend positiv. Der am 8. Oktober vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf sieht die Verpflichtung zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt bei erstmaliger Verschreibung von Medizinal-Cannabis und bei Folgeverschreibungen innerhalb von vier Quartalen vor. Zudem ist ein Verbot des Versandhandels mit Cannabisblüten zur medizinischen Verwendung vorgesehen. Zu einer positiven Bewertung der angestrebten Gesetzesänderung kommt etwa der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Sven Dreyer. „Da Medizinal-Cannabis zurecht ein verschreibungspflichtiges Medikament ist, ist es nicht die Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten, Freizeitkonsumenten (also ohne medizinische Indikation) Medizinal-Cannabis zu verordnen.“ Die Rechte schwerkranker Menschen würden durch die angestrebte Neuregelung nicht eingeschränkt. Ein regelhafter persönlicher Kontakt zum Arzt sei hier Standard und die angemessene Versorgung mit Medizinal-Cannabis weiterhin gesichert, betont Dreyer.
Schon im Juni 2025 hatte die Gesundheitsministerkonferenz der Länder die Bundesregierung aufgefordert, Leitplanken für die Telemedizin zu entwickeln, um Online-Plattformen vorzubeugen, „deren Fokus weniger auf ärztlicher Versorgung und primär auf Gewinnerzielung liegt – etwa durch die schnelle Ausstellung von Verschreibungen gegen Entgelt ohne angemessene ärztliche Beratung“. Mit Blick auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von September 2025 (EuGH, C-115/24) könnte es bei der Umsetzung eines solchen Vorhabens aber Probleme geben. Der EuGH hat über grundsätzliche Fragen der grenzüberschreitenden Telemedizin geurteilt und entschieden, dass telemedizinische Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats zu erbringen seien, in dem der Gesundheitsdienstleister ansässig ist. Hier stellt sich die Frage, wie die Einlösung von Rezepten für Medizinal-Cannabis in deutschen Apotheken untersagt werden kann, wenn sie von Ärzten im Ausland auf Grundlage des dort geltenden Rechts ohne persönlichen Kontakt zum Patienten ausgestellt wurden.
Das weitere politische Schicksal der Cannabis-Gesetzgebung scheint offen. Aus Reihen der CDU/CSU, die sich von vornherein gegen die Teillegalisierung des Cannabiskonsums ausgesprochen hatte, kommen nach dem Zwischenbericht der Evaluation des KCanG erneut Forderungen nach regulierenden Eingriffen, wenn nicht gar nach Rücknahme des Gesetzes. Im Koalitionsvertrag mit der SPD wurde vereinbart, das Gesetz im Herbst 2025 ergebnisoffen zu evaluieren. Ein Entgegenkommen der SPD beim KCanG scheint auf Grundlage des Zwischenberichts kaum vorstellbar. Hier sieht man sich eher in der Pflicht, die Errungenschaften in der Drogenpolitik der letzten Legislatur verteidigen zu müssen, wie es SPD-Fraktionsmitglied Carmen Wigge auf der Online-Plattform „Abgeordneten Watch“ zum Ausdruck bringt. Sie ist davon überzeugt, „dass eine europarechtskonforme Voll-Legalisierung von Cannabis und der Verkauf in lizensierten Fachgeschäften der beste Weg ist“.
Studien zum Konsumverhalten
Die aktuell vom Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit vorgelegte Drogenaffinitätsstudie zeigt bei Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren für das Jahr 2025 gegenüber 2023 leicht rückläufige Prozentwerte in Bezug auf Cannabiskonsum. In der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen stieg der Anteil der Männer mit Cannabiskonsum von 26,9 auf 31,6 Prozent; bei den jungen Frauen ging dieser Anteil leicht zurück von 19,4 auf 18,8 Prozent.
Die kürzlich im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Ergebnisse des Epidemiologischen Sucht-
surveys zeigen für das Jahr 2024 hochgerechnet auf die deutsche Gesamtbevölkerung Daten zu Abhängigkeit und Missbrauch beim Cannabiskonsum. Hiernach erfüllten 1,0 Prozent der Gesamtbevölkerung (515.000 Personen) die Kriterien einer Cannabisabhängigkeit und 0,5 Prozent (257.000 Personen) die eines Cannabismissbrauchs. Im Vergleich dazu lagen die entsprechenden Werte beim Alkoholkonsum bei 4,2 Prozent (2,2 Mio.) und 3,3 Prozent (1,7 Mio.).


