Die ambulante Versorgung steht für Sicherheit und Verlässlichkeit. Damit sie diese Aufgabe auch künftig erfüllen kann, braucht sie stabile Rahmenbedingungen und eine Politik, die auf Zusammenarbeit setzt.
  
von Christopher Schneider
 Hinter dieser Forderung versammelten sich sowohl Vorstand als auch Delegierte der Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) am 26. September. Die von einigen Krankenkassen zuletzt postulierte finanzielle „Nullrunde“ für die ambulante Versorgung wies die VV deutlich zurück. „Anstelle von Finanzeinschränkungen brauchen wir endlich Strukturen, die die Arbeit in den Praxen erleichtern und Innovationen ermöglichen“, sagte der KVNO-Vorstandsvorsitzende Dr. Frank Bergmann. Die Politik müsse den ambulanten Sachverstand viel stärker gestaltend einbeziehen.
Innovationen aus eigener Kraft
 Dass die Vertragsärzteschaft nicht nur Forderungen stellt, sondern Lösungen liefert, zeigen mehrere Projekte: Im Kreis Kleve entsteht die erste „Startpraxis“, die 2026 den Betrieb aufnehmen soll. Dort werden junge Ärztinnen und Ärzte an die Selbstständigkeit herangeführt. Bewerbungen sind noch möglich. Parallel erprobt die KVNO den Einsatz von Physician Assistants (PA) in Haus- und Facharztpraxen. Auch die Videosprechstunde im Notdienst sowie die digitale Vernetzung der Leitstellen über die 116117 belegen die Innovationskraft der Selbstverwaltung.
 Ein zentrales Hemmnis bleiben allerdings praxisferne Regelungen, wie etwa Regresse, die auf Formfehlern beruhen, aber keine Schäden verursachen. „Solche existenzbedrohenden Rückzahlungen müssen abgeschafft werden“, forderte Bergmann in Richtung Politik.
 Auch bei der ärztlichen Weiterbildung sieht die KVNO Reformbedarf: Inhalte müssten sich stärker am Bedarf der ambulanten Versorgung orientieren. Die VV sprach sich deshalb klar für eine „Weiterbildungsoffensive“ aus, die auch eine künftig unbegrenzte Förderung fachärztlicher und psychotherapeutischer Stellen umfasst.
 Scharfe Kritik äußerte Bergmann an Plänen des Bundesgesundheitsministeriums, Apotheken beim Impfen, in der Diagnostik und bei Verordnungen mehr Kompetenzen einzuräumen. „Diese Leistungen gehören in ärztliche Hände – schon aus Gründen der Patientensicherheit“, stellte er klar. Wenn Apotheken solche Tätigkeiten übernähmen, müssten sie auch die volle Haftung tragen – inklusive rechtssicherer Dokumentation.
 
 Neue Pauschalen und Zulassungsregeln
 KVNO-Vize Dr. Carsten König informierte die VV über die ab 2026 kommende Vorhaltepauschale für Hausärzte, deren Voraussetzungen nach Berechnungen der KVNO von den meisten Praxen erfüllt werden dürften. Dazu avisierte König den Kolleginnen und Kollegen mit den Abrechnungsunterlagen für das zweite Quartal eine Übersicht: „Sie können dann auf einen Blick sehen, welche Kriterien Sie in welchem Umfang bereits erfüllen.“ Verbesserungsbedarf sieht er hingegen bei der geplanten Versorgungspauschale für Chroniker: Hier müsse eine digitale Kennzeichnungspflicht helfen, Doppelabrechnungen zu vermeiden. Dieses Regressrisiko müsse ausgeschlossen werden, so König.
 Zudem seien Korrekturen im Entwurf zur Zulassungsverordnung notwendig. „Junge Ärzte wünschen sich flexible Arbeitszeitmodelle – darauf müssen auch die Zulassungsgremien mit effizienteren, schnelleren Arbeits- und Genehmigungsprozessen reagieren. Wir brauchen mehr digitale Abläufe und weniger Papier“, sagte König. Über bestimmte Vorgänge, wie zum Beispiel Praxisverlegungen, könne die KV auch direkt entscheiden, ohne dass dafür der Ausschuss physisch zusammenkommen muss. Entsprechenden Korrekturbedarf habe die KVNO bereits bei den Bundesgremien angebracht.
 Erfreulich sind die aktuellen Zahlen zur Weiterbildung: Fast 600 Ärztinnen und Ärzte nutzten 2024 die Angebote des Kompetenzzentrums Allgemeinmedizin – ein Rekord. Besonders stark wuchs das Interesse an Seminaren zur Vorbereitung auf die Niederlassung. Um diesen Trend zu verstärken, bereitet die KVNO laut König für 2026 eine neue Nachwuchskampagne für das Rheinland vor.
Partner auf Augenhöhe
 Vorstand und Delegierte sehen die KVNO mit zahlreichen Projekten gut für künftige Herausforderungen aufgestellt. Doch die Botschaft ist klar: Ohne kräftigen politischen Rückenwind wird die ambulante Versorgung ihre tragende Rolle nicht ausfüllen können. „Wir haben als Selbstverwaltung viel erreicht“, fasste König zusammen. „Aber wir brauchen Partner auf Augenhöhe – in der Politik wie bei den Kostenträgern –, die Verantwortung übernehmen und unsere Arbeit nachhaltig unterstützen.“ 
Christopher Schneider ist stellvertretender Pressesprecher der KV Nordrhein.
  


