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Praxis

Zentrale Dienstplanung: Nordrhein organisiert Notdienst neu

09.12.2025 Seite 20
RAE Ausgabe 1/2026

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 1/2026

Seite 20

In künftig 20 Fahrdienstbezirken wird den Kooperationsärztinnen und -ärzten mindestens ein Auto mit Fahrer für Hausbesuche zur Verfügung stehen. © KV Nordrhein

Die Fahrdienstreform der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein startet 2026, dann übernehmen Kooperationsärzte den Notdienst flexibel und planbar.

von Simona Meier

Ab 2026 sichern Kooperationsärztinnen und -ärzte den Fahrdienst im Notdienst flexibel und freiwillig, dann startet in Nordrhein ein neues Modell im ärztlichen Bereitschaftsdienst. Für die Zusammenarbeit sind künftig rund 500 Kooperationsärztinnen und -ärzte im Einsatz, wenn Notfälle abends, an Wochenenden und Feiertagen auftreten und immobile Patienten zu Hause behandelt werden müssen. In den Notdienstpraxen bleibt die Versorgung unverändert. Los geht es in den Pilotregionen Neuss und Düsseldorf. Ab April 2026 wird das Modell auf das gesamte Gebiet Nordrhein ausgeweitet. „Die Reform des Fahrdienstes ist für uns der Startpunkt einer zukunftsfähigen und sicheren Gestaltung des ärztlichen Notdienstes in Nordrhein“, sagt der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Dr. Frank Bergmann. Die Dienstverpflichtung im „Sitzdienst“ bleibe hiervon unberührt. „Wir stellen die bisherige Dienstverpflichtung im Fahrdienst allerdings ruhend und damit beginnt ein neuer Weg“, so Bergmann. Im Mittelpunkt der Neuausrichtung stehen eine zentrale Dienstplanung und Organisation mit optimierten Fahrdienstbereichen. Ein ganzes Team setzte das Konzept in kurzer Zeit mit dem Ziel um, freiwillige Kooperationsärzte zu gewinnen. Dem Projekt ging eine intensive Phase der Analysen und Planung voraus, in der das Projektteam eng mit dem Vorstand und der Geschäftsführung der KV Nordrhein zusammenarbeitete. Ziel war ein sicheres Fundament für die neue Struktur und die Gewinnung geeigneter Kooperationsärztinnen und -ärzte.

Keine Suche nach Vertretungen

Wer zum Notdienst in Nordrhein verpflichtet ist, muss diesen wahrnehmen, auf Freizeit verzichten oder eine ärztliche Vertretung beauftragen. „Dann stellt man seinen Dienst zur Disposition und zahlt gerade in ländlichen Gebieten sehr viel Geld dafür, dass eine Vertretung diese Aufgabe übernimmt“, erklärt Oliver Reucher, Bereichsleiter Notdienst der KV Nordrhein. So etwas entfällt künftig komplett. „Die Kooperationsärzte arbeiten direkt mit uns zusammen, wir machen eine Dienstplanung und der niedergelassene Arzt hat mit dem Fahrdienst nichts mehr zu tun“, sagt er. Damit entfällt auch die ärztliche Haftung für die Vertretung und der Planungsaufwand für den Einzelnen.
 
Entlastung für Ärztinnen und Ärzte
 

Künftig absolvieren die Fahrdienste im Notdienst ausschließlich Ärztinnen und Ärzte, die zuvor eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen haben und sich bewusst für diese Tätigkeit entscheiden. Belastende Notdienste nach Feierabend, Verschiebungen und die Suche nach Ersatz entfallen. 
Organsiert von der Gesundheitsmanagementgesellschaft (GMG) übernehmen die Kooperationsärzte Hausbesuche im Fahrdienst. „Damit sichern sie die medizinische Versorgung außerhalb der regulären Praxiszeiten“, sagt Reucher. Nachts, an Wochenenden und an Feiertagen soll das neue Konzept dafür sorgen, dass Patientinnen und Patienten zuverlässig ärztliche Hilfe erhalten. Gleichzeitig soll es die Teilnahme am Notdienst für die Ärztinnen und Ärzte deutlich erleichtern. „Wir haben circa 100.000 Fälle pro Jahr mit über 300.000 Stunden Bereitschaftsdienst und individuellen Regelungen in über 50 Bezirken“, sagt Reucher. Zusätzlich zu den normalen Sprechstundenzeiten bedeuten diese Aufgaben Belastungen für die Ärzte. Das wird jetzt grundlegend anders. Einen ersten Testbereich gab es in Köln. Fallzahlen, Strecken, die zu fahren sind und Einwohnerzahlen schaute sich das Team mit wissenschaftlichen Daten für den Bereich Nordrhein an.
 
Künftig 20 Fahrdienstbezirke

Ziel ist eine zentrale Dienstplanung und Organisation, die Fahrdienstbereiche werden dazu optimiert. „Die bisher 54 Fahrdienstbezirke bekommen einen neuen Zuschnitt, wir reduzieren das Ganze auf 20 Bereiche“, erklärt Dr. Raina Schedwill, zuständig für Notdienstprojekte bei der KV Nordrhein. Diese Fahrdienstbereiche werden nach Bedarf besetzt und auch dynamisch angepasst. Künftig gibt es je nach Bedarf in jedem Bereich mindestens ein Auto mit Fahrer, der die Kooperationsärztinnen und -ärzte fährt. Auch Digitalisierung spielt eine Rolle. Ähnlich einer Leitstellen-Software kommuniziert der Arzt mit der 116117: „Der Arzt erhält ein Tablet, da werden die Einsätze dokumentiert, und es kommen Ersteinschätzungen zum Patienten an. Ähnlich wie im Rettungswagen“, sagt Schedwill. Weit über 100.000 Stunden Dienstaufwand auf Seiten der Ärzte will die KV Nordrhein mit diesen Maßnahmen reduzieren. „Wir machen eine zentrale Dienstplanung“, sagt Dr. Raina Schedwill.

Freiwillig und Selbständig

Grundsätzlich sind die Ärztinnen und Ärzte im Rahmen der Niederlassung zum Notdienst verpflichtet und für den Fahrdienst wird diese Verpflichtung mit den neuen Maßnahmen „ruhend“ gestellt. „Wir setzen jetzt komplett auf Freiwilligkeit“, heißt es von Seiten der KV Nordrhein. „Die Kooperationsärzte sind selbstständig, sie zahlen ein Nutzungsentgelt und sind im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit selbst organisiert, wir stellen quasi nur den Service“, sagt Oliver Reucher. Die Fahrten rechnen die Kooperationsärzte nach den Regelungen des EBM ab. Das gilt auch für Privatärzte oder nicht niedergelassene Ärzte. Das neue Konzept umfasst auch die Zahlung von Sicherstellungspauschalen in bestimmten Regionen in Nordrhein. Als Teil der Notdienstversorgung werden die Kooperationsärzte jetzt in die Satzung aufgenommen.

Solidarische Umlage
 

Finanziert wird das ganze durch eine neue solidarisierte Umlage von 242 Euro, die jetzt für Sitz- und Fahrdienst gilt. „Da sind wir bei ungefähr 80 Euro mehr pro Quartal, im Vergleich zum reinen Sitzdienst, aber damit entfallen zusätzliche Kosten und Belastungen für die Ärztin und den Arzt“, sagt Reucher. Für die Ärztinnen und Ärzte bedeutet das: „Sie müssen sich gar nicht mehr kümmern.“ Sie bekommen keinen Dienstplan mehr, werden nicht mehr herangezogen und müssen keine Vertretung mehr besorgen. Auch hohe Kosten, die eine Vertretung mit sich bringen kann, gehören im neuen Konzept der Vergangenheit an. „In einer ländlichen Region kann eine Vertretung an Weihnachten schnell mal 1.500 Euro für acht Stunden kosten, damit man diesen Dienst nicht übernehmen muss“, erklärt Reucher.
 
Nachfrage ist groß

Schon jetzt ist die Nachfrage groß, es haben sich fast 700 Ärztinnen und Ärzte auf die Ausschreibung zum Kooperationsarzt im Fahrdienst beworben. Das neue Konzept werde sehr gut angenommen, heißt es vom Team der Notdienst-Projekte. Das Modell setzt die KV Nordrhein sehr zukunftsorientiert auf, mit einer engen technischen Anbindung an die Leitstellen. „Wir haben Großstadtregionen und wir haben Flächenregionen, dass wir das in einem Schlag ausrollen, ist schon etwas Besonderes“, sagt der KV Nordrhein-Vorsitzende Bergmann. Prinzipiell könne jeder teilnehmen an dem neuen Modell. Auch wer niedergelassen sei und sage „Fahrdienst ist meine Leidenschaft“ könne sich jetzt als Kooperationsarzt melden. 

Notdienste oft K.-o.-Kriterium

In ländlichen Regionen ist der Notdienst oft ein Hinderungsgrund bei der Frage der Niederlassung. „Wir fragen auch, was Interessierte an der Niederlassung hindert und da kommt immer speziell der Fahrdienst zur Sprache“, sagt Nina Hammes, Geschäftsführerin der KV Nordrhein. Künftig wird dieser Punkt entfallen. Auch mehr Kostentransparenz sei im neuen Konzept vorhanden. „Wir vermuten durch Schätzungen, dass fünf bis zehn Millionen Euro pro Jahr an Vertreterkosten zusammenkommen, das sehen wir als KV Nordrhein natürlich nicht“, sagt sie. Insofern können diese Kosten gegenüber den Kostenträgern bei den Krankenklassen auch nicht transparent gemacht werden. „Wir haben es seit zwei Jahren erstmals geschafft, dass wir die Kostenträger an den Strukturkosten des Notdienstes beteiligt haben“, so Hammes.

Attraktiv auch in der Fläche

Die Einführung des Kooperationsarztmodells stellt die ärztliche Notfallversorgung in Nordrhein jetzt auf ein neues Fundament. Für die Umsetzung des neuen Konzeptes benötigte die KV Nordrhein gerade mal ein Jahr. Die Verantwortlichen reagieren damit auf die zunehmenden strukturellen Herausforderungen, wie den steigenden Altersdurchschnitt der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, die wachsende Arbeitsbelastung und den Fachkräftemangel. „Klar definierte Abläufe, eine transparente Vergütung und organisatorische Unterstützung bieten uns die Chance, dass das Engagement im Notdienst langfristig attraktiv bleibt“, sagt die KVNO-Geschäftsführerin Nina Hammes. „Wir stellen auch in Regionen, in denen es eigentlich wirtschaftlich nicht interessant ist, durch die Sicherstellungspauschale sicher, dass dort Ärzte hinkommen“, sagt sie. Die KV Nordrhein stellte in der Vergangenheit bereits fest, dass es in manchen Gegenden Schwierigkeiten gab, die Notdienste durch entsprechende Vertretungen zu besetzen. Für den Start in den Pilotregionen ist man optimistisch. „Hier waren nach Freischaltung der Dienstpläne innerhalb von 24 Stunden dreiviertel der Dienste vergeben“ sagt das Team der Notdienstprojekte. 


Simona Meier ist Redakteurin im Auftrag der KV Nordrhein. 
 

Aktiv mitmachen

Kooperationsärztinnen und -ärzte sind selbstständig tätig und daher nicht sozialversicherungspflichtig. Voraussetzung für die Teilnahme ist eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens drei Millionen Euro. Ebenso liegt die Beschaffung und Ausstattung des Notfallkoffers sowie des notwendigen medizinischen Materials in der Eigenverantwortung der teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte. Für die Tätigkeit im Fahrdienst wurde eine neue Vergütungsstruktur entwickelt, die neben einer Zielvergütung auch Sicherstellungspauschalen vorsieht.