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Entschließungen der Kammerversammlung am 21. März 2015 im Wortlaut


Bund-Länder-Eckpunkte zur Krankenhausreform

  1. Die Kammerversammlung fordert die Bundesregierung und die Bundesländer auf, die gravierende Unterdeckung im Bereich der Investitionsfinanzierung durch die Bundesländer zu beenden. Bundesweit besteht hier eine Finanzierungslücke von 3,3 Mrd. Euro pro Jahr; allein in Nordrhein-Westfalen fehlen Jahr für Jahr 700 Mio. Euro. Bund und Länder müssen daher weiterhin an einer Lösung für dieses zentrale Problem arbeiten.
  2. Die Kammerversammlung lehnt eine Ausweitung von Bürokratie, einen falsch verstandenen Wettbewerb und erweiterte Steuerungsbefugnisse der gesetzlichen Krankenkassen („Qualitätsverträge“) in Konkurrenz zur staatlichen Verantwortung in der Landeskranken­hausplanung ab.
  3. Die Kammerversammlung wendet sich entschieden gegen eine immer stärkere Zentralisie­rung von Vorgaben zur qualitätsorientierten Versorgung beim Gemeinsamen Bundesaus­schuss und den ihm zuarbeitenden Instituten ohne strukturierte Einbeziehung der Ärzte­kammern als Vertretung aller Ärztinnen und Ärzte.
  4. Die Kammerversammlung fordert die Landesregierung auf, die vorstehenden Punkte bei den weiteren Gesprächen zwischen Bund und Ländern aufzugreifen. Die Ärztekammer Nordrhein ist bereit, die Landesregierung dabei und bei der konkreten Umsetzung in unserem Landesteil aktiv zu unterstützen.

E-Health: Versichertenstammdatendienst streichen – Patientenzentrierte medizinische Anwendungen fördern!

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein unterstreicht das Interesse der Ärzteschaft an einer sicheren elektronischen Vernetzung untereinander sowie mit anderen an der Gesundheits­versorgung Beteiligten. Das geplante Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen („E-Health-Gesetz“) soll dazu dienen, durch schnellen und gut organisierten Informationsaustausch die Qualität der Patientenbehandlung zu verbessern sowie die Abläufe in Praxis und Klinik zweckmäßiger zu gestalten. Der Referentenentwurf des Gesetzes enthält jedoch Regelungen, die der Überarbeitung bedürfen:

1. Versichertenstammdatendienst

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Vertragsärzte entgegen ihrem erklärten Willen diese originären Verwaltungsaufgaben der Krankenkassen übernehmen sollen. Mittels eines Online-Verfahrens soll in der Arztpraxis abgeglichen werden, ob die auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeicherten Versichertendaten aktuell sind und die elektronische Gesundheitskarte noch gültig ist. Vertrags­ärzten, die ab dem 1. Juli 2018 keine Versichertenstammdatenprüfung vornehmen, droht eine Honorarkürzung in Höhe von 1 Prozent.

Die Verpflichtung der Ärzteschaft zur Übernahme einer originären Aufgabe der Krankenkassen mit der Androhung einer scharfen Sanktion zu verbinden, schwächt die ohnehin geringe Akzeptanz der Telematik-Infrastruktur erheblich. Es handelt sich um einen erheblichen Eingriff in das professionelle Handeln eines freien Berufes und eine weitere Belastung der Arztpraxis mit staatlicher Bürokratie.

Die Kammerversammlung fordert, die Verpflichtung der Ärzte zur Durchführung des Versicherten-Stammdatenmanagements gänzlich zu streichen.

2. Förderung medizinischer Anwendungen

Der vom Gesetzgeber 2003 eingeleitete Aufbau einer Telematik-Infrastruktur im Gesundheitswesen macht nur Sinn, wenn dabei medizinisch sinnvolle Anwendungen zum Nutzen der Patienten im Mittelpunkt stehen - zum Beispiel ein Medikationsplan oder der Notfalldatensatz auf der elektro­nischen Gesundheitskarte.

Sowohl für chronisch kranke Patienten als auch bei Notfällen ist ein Medikationsplan sinnvoll, um sowohl Arzneimittelinteraktionen zu minimieren als auch den Patienten einen besseren Überblick über ihre notwendigen Medikationen zu geben. Dies sollte die Compliance deutlich verbessern. Eine Untergrenze von 5 Medikamenten, die zur Erstellung eines Medikationsplanes führen soll, erscheint nicht sinnvoll. Die Selbstmedikation muss mit einbezogen werden.

Um die positiven Effekte eines Medikationsplanes und des Notfalldatensatzes auf die Patientenver­sorgung in Patientenverantwortung möglichst zügig nutzen zu können, ist eine Anschubfinanzierung notwendig. Die Kammerversammlung fordert, die bedarfsgerechte Entwicklung medizinischer An­wendungen zu fördern und eine bessere Patientenversorgung in den Mittelpunkt der Telematik-Entwicklung zu rücken, nicht aber Verwaltungsfunktionalitäten.

3. Evaluation der Tests

Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes haben die Kassen bereits fast eine Milliarde Euro aus Beitragsgeldern in das Telematikprojekt gesteckt. Weitere unnötige Geldausgaben können nur ver­mieden werden, wenn innerhalb der Ärzteschaft eine ausreichende Akzeptanz geschaffen wird:

  • Unreife und praxisuntaugliche telematische Anwendungen, die den Ablauf in Praxis und Krankenhaus stören, müssen ausgeschlossen sein.
  • In Nordrhein-Westfalen hat die Ärzteschaft die Einrichtung eines Ärztlichen Beirats erreicht.
    Dieser begleitet die Tests und spricht Empfehlungen aus. Der Beirat leistet einen wesent­lichen Beitrag dazu, die Telematik-Anwendungen frühzeitig und ergebnisoffen intensiv auf ihre Praxistauglichkeit hin zu prüfen und die Interessen von Patienten und Ärzten zu wahren. So ist auf Vorschlag der Ärzteschaft auch eine sogenannte "Stand-Alone-Lösung" vor­gesehen, sodass Ärztinnen und Ärzte Daten auch ohne direkte Online-Anbindung der Praxisverwaltungssysteme abgleichen können.

Die Kammerversammlung fordert, dass der Gesetzgeber für jede Anwendung eine Evaluation der Tests in den Regionen zur Voraussetzung macht, sodass nur nachweislich erfolgreiche Anwendun­gen flächendeckend eingeführt werden dürfen.

4. Arztbriefschreibung

Arztbriefe unter Vertragsärzten sowie zwischen Vertragsärzten und Krankenhausärzten sind für die Qualität der Versorgung von großer Bedeutung.

Dasselbe gilt für den elektronischen Entlassbrief, der nichts anderes als ein vorläufiger Arztbrief ist, welcher am Tag der Entlassung mit den bis dahin vorhandenen Informationen ausgestellt werden kann. Er muss strukturell und technisch genauso ausgestaltet sein wie der elektronische Arztbrief.

Die Kammerversammlung fordert sowohl für den elektronischen Arztbrief als auch für den Entlass­brief, dass deren Inhalte, Struktur und technische Spezifikationen nur unter verbindlicher Mitwirkung auch der Bundesärztekammer als der einzigen sektorenübergreifenden Vertretung der Ärztinnen und Ärzte entwickelt werden dürfen. Die Empfehlung des Ärztlichen Beirats NRW(„Anforderungen an den elektronischen Arztbrief aus ärztlicher Sicht“) ist dabei zu beachten.

Anforderungen an den elektronischen Arztbrief aus ärztlicher Sicht (51,07 KB)  Stand: 27.10.2010

5. Schutz der Patientendaten

Die ärztliche Schweigepflicht ist kein Arztprivileg, sondern ein Patientenrecht. Wenn moderne Tele­kommunikations- und Informationstechnologie den Alltag in Klinik und Praxis immer stärker durch­dringt, so ist es ärztliche Aufgabe, zum Schutz des Patienten auf einen hinreichenden Schutz der Patientendaten zu bestehen.

Die Kammerversammlung besteht darauf, dass alle Komponenten der Telematik-Infrastruktur vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik geprüft und zertifiziert werden müssen.

Jede geplante Anwendung muss einer Nutzenanalyse unter Berücksichtigung der Patient-Arzt-Beziehung, der Kosten und der Risiken unterzogen werden.

6. Testung dezentraler Speichermedien in der Hand des Patienten

Gemäß der gültigen Beschlusslage Deutscher Ärztetage und weiterer ärztlicher Gremien fordert die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein, dezentrale Speichermedien in der Hand des Patienten, alternativ zu einer zentralen Telematik-Infrastruktur mit ihren bekannten Datenschutzrisiken, ergebnisoffen zu testen. 


Notdienstreform

Die Notdienstreform in der von der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung beschlossenen Fassung vom 11. Februar 2015 wird von der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein abgelehnt. Gewachsene Strukturen der Notfallversorgung im Kammerbereich Nordrhein, die sich bewährt haben und funktionieren, müssen erhalten bleiben.

Die Notdienstreform muss sich darauf beschränken, Lösungen für die Regionen zu finden, in denen die Versorgung nicht ausreichend gewährleistet ist, ohne dabei funktionierende Strukturen zu belasten.


Reform des ambulanten ärztlichen Notfalldienstes

In den letzten Wochen ist es in weiten Teilen des Kammerbereiches bei Bürgerinnen und Bürgern, Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern wie bei politisch Verantwortlichen zu einer intensiven Aus­einandersetzung mit der Zukunft des ambulanten ärztlichen Notfalldienstes in Nordrhein gekommen:

  • Bürgerinnen und Bürger möchten sich auch in Zukunft darauf verlassen können, dass im Notfall auch außerhalb der regulären Sprechstundenzeiten in zumutbarer Entfernung und in der bewährt hohen Qualität die notwendige ärztliche  Versorgung zur Verfügung steht - unabhängig davon, ob es um sie selbst, einen  Angehörigen, insbesondere geriatrisch oder pädiatrisch akut Erkrankte geht.
  • Die ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte erwarten für ihr hohes Engagement bei der Notfall­versorgung von Patientinnen und Patienten eine effektive und effiziente Organisation des Notfall­dienstes, bei leistungsgerechter Honorierung. Sie wollen bei geplanten Veränderungen im Sinne der Subsidiarität, wie bisher bewährt, einbezogen werden.
  • Krankenhausärztinnen und Krankenhausärzte möchten ihre Aufgaben in der stationären Notfall­versorgung weiterhin konzentriert wahrnehmen können, ohne dass es zu einer Mehr- oder sogar Überlastung durch die Versorgung ambulanter Notfälle kommt.
  • Ärztinnen und Ärzte in Praxis und Klinik wünschen sich mehr Kooperationsmöglichkeiten in der Notfallversorgung ihrer Patientinnen und Patienten, um den Herausforderungen gerecht werden zu können, die sich aus der demographischen Entwicklung der Bevölkerung wie auch der Ärzteschaft selbst künftig ergeben werden.

Diese berechtigten Erwartungen müssen der Maßstab für alle Entscheidungen zum ambulanten und stationären ärztlichen Notfalldienst in Nordrhein sein.

In Nordrhein trägt die Ärztekammer auf landesgesetzlicher Grundlage die Verantwortung für die Sicherstellung des ambulanten ärztlichen Notfalldienstes. Die Kassenärztliche Vereinigung trägt auf Grundlage des Sozialgesetzbuches die Verantwortung für die Sicherstellung des ambulanten ärztlichen Notfalldienstes, die jedoch nur die Versorgung von gesetzlich krankenversicherten Patientinnen und Patienten umfasst.

Die Kammerversammlung bekräftigt, dass aufgrund dieser Verantwortlichkeiten der ambulante ärztli­che Notfalldienst auch zukünftig gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung auf der Grundlage der Gemeinsamen Notfalldienstordnung organisiert werden soll.

Die Kammerversammlung fordert den Kammervorstand daher auf,

  • sorgfältig zu prüfen, ob die Vorschläge, die sich aus den von der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein am 11. Februar 2015 gefassten Beschlüssen ergeben, den eingangs formulierten berechtigten Erwartungen gerecht werden,
  • gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung die Organisation des ambulanten Notdienstes in Nordrhein weiterzuentwickeln,
  • Dienstbelastung und Kostenfolgen für die ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte zu bewerten,
  • die Konsequenzen für die Inanspruchnahme der Notfallambulanzen der Krankenhäuser sowie des Rettungsdienstes und damit der dort tätigen Ärztinnen und Ärzte zu prüfen,
  • regionale Besonderheiten in die Bewertung einzubeziehen und dabei die Einschätzung der Kreisstellenvorstände und Bezirksstellenausschüsse zu berücksichtigen,
  • die Wirtschaftlichkeit veränderter Strukturen zu bewerten und dabei zu berücksichtigen, dass Verlagerungseffekte, die zu einer Schwächung der Regelversorgung führen würden, vermieden werden müssen. In diesem Zusammenhang sind auch die am 1. April 2015 in Kraft tretenden Änderungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab zu berücksichtigen.

Die Kammerversammlung bittet den Vorstand, ihr auf Basis dieser Erkenntnisse in der nächsten Sitzung Bericht darüber zu erstatten, ob und ggf. welche Änderungen an der Gemeinsamen Notfall­dienstordnung erforderlich sind.

Die Kammerversammlung bittet den Vorstand, bis dahin Entscheidungen über eventuelle Änderungen an den Organisationsplänen in den einzelnen Kreisstellen ebenfalls an den vorgenannten Erwartungen und Kriterien auszurichten.


Vergütung ärztlicher Bereitschaftsdienst

Der Vorstand der Ärztekammer Nordrhein wird beauftragt, gemeinsam mit den Bürgermeistern und Landräten, sowie den Kommunal- und Landespolitikern in einer konzertierten Aktion auf die Krankenkassen einzuwirken, eine kostendeckende Vergütung für den Betrieb der Notfallpraxen (NFP) in NRW zu zahlen. Der Notfalldienst ist dazu aus der von den Krankenkassen an die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo) zu zahlenden Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) auszugliedern; vertraglich ist eine feste Notfalldienstvergütung in Euro und Cent als Einzelleistung zu vereinbaren, und zwar zumindest in der bisherigen Höhe.


Reform des ambulanten ärztlichen Notfalldienstes

Die Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) begrüßt die Intention der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo), den organisierten ärztlichen Notfalldienst qualitativ und zukunftssicher weiterzuentwickeln.

Die ÄkNo nimmt die gemeinsame ärztliche Verantwortung für die Rahmengebung zur ärztlichen Versorgung rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr sehr ernst.

Im Zuge der Neugestaltung des organisierten ärztlichen Notfalldienstes stehen auch die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes sowie der Notfallambulanzen der Krankenhäuser im Focus des Interesses.

Neben den berechtigten Interessen der im organisierten ärztlichen Notfalldienst tätigen Kolleginnen und Kollegen sind ebenso die Interessen der im Rettungsdienst eingesetzten Notärztinnen und Notärzte sowie der in den Krankenhäusern dienstleistenden Kolleginnen und Kollegen unter Berücksichtigung der veränderten und sich weiter verändernden Inanspruchnahme durch die Patientinnen und Patienten zu beachten.

Eine Neuorganisation, die von vorneherein viele Betroffene außen vor läßt, kann die ÄkNo nicht mittragen.

Die ÄkNo bietet deshalb der KVNo an, unter Berücksichtigung der den beiden Institutionen vorliegenden Daten eine umfassende, zukunftsfähige Organisationsreform mit zu entwickeln.


Kommunikationsüberwachung von Ärzten

Im Zuge des geplanten Antikorruptionsgesetzes für Gesundheitsberufe wird die Ermöglichung einer Telekommunikationsüberwachung von Ärzten und Arztpraxen diskutiert. Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein erteilt solchen Überlegungen eine klare Absage.

Die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Ärzten und insbesondere zwischen Ärzten und Patienten muss geschützt bleiben. Die Möglichkeit, solche Gespräche zu überwachen, würde das für die Behandlung notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient empfindlich beeinträchtigen.

Der Vorstand der Ärztekammer Nordrhein wird aufgefordert, jeglichen Tendenzen zur Kommunikationsüberwachung von Ärzten mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln entgegen zu treten.


Direktausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten

In der Diskussion über die psychotherapeutische Aus- und Weiterbildung bekräftigt die Kammer­versammlung der Ärztekammer Nordrhein ihre Ablehnung und die ablehnende Haltung der Bundesärztekammer, eine Direktausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten zu institutionalisieren.


Versorgungsstärkungsgesetz: Chancen zur Verbesserung nutzen

Die Kammerversammlung sieht sich durch die Diskussion in den letzten Monaten in ihren Forderungen nach Änderungen am Entwurf des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes bestätigt.

Änderungen an diesem Gesetzentwurf sind noch möglich. Die Kammerversammlung ruft insbesondere dazu auf:

  1. auf bürokratische und ungeeignete Maßnahmen wie Terminservicestellen und die kontra­produktive Soll-Regelung zum Aufkauf von Arztpraxen zu verzichten. Stattdessen ist eine Analyse des tatsächlichen Versorgungsbedarfs erforderlich. Denn die gegenwärtig in der Planung verwendeten Parameter bilden weder im ambulanten noch im stationären Sektor die eigentliche Zielgröße „Bedarf“ angemessen ab. Der tatsächliche Versorgungsbedarf muss auch Grundlage für die Entscheidung über die in der „Sonderregion Ruhrgebiet“ geltenden abweichenden Verhältniszahlen sein.
  2. Regresse endlich vollständig abzuschaffen und damit ein klares Zeichen für die Attraktivität der ambulanten ärztlichen Tätigkeit und die freiberufliche Orientierung am Patientenwohl zu setzen.
    Umfassende wirtschaftliche (Regress) und rechtliche (Strafanzeige) Verantwortlichkeit eines Einweisers kann es aufgrund der vielschichtigen Beziehungsebenen (räumliche Zuordnung, Kapazität, Dringlichkeit, Kompetenz etc.) niemals geben und ist somit im besonderen Vertragsverhältnis Arzt-Patient auch nicht darstellbar.
    Das sozialtechnische Instrument der Prüfungen besonders auf Grundlage von Durchschnitts­vergleichen hat zur Folge, dass der Arzt in seiner Verordnungsweise ständig unter Druck gesetzt wird, gerade nicht unabhängig im Sinne des einzelnen Patienten zu handeln, wie es nach ärztlichem Ethos und Berufsordnung geboten wäre.
  3. dem Vorschlag des Bundesrates zu folgen und bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2016 einen basiswirksamen Ausgleich für unbegründete Unterschiede in der durchschnittlichen morbiditätsorientierten Gesamtvergütung je Versicherten vorzunehmen. Patientinnen und Patienten in Nordrhein haben das Recht, nicht schlechter gestellt zu werden als Patienten in anderen Bundesländern.
  4. das vorgesehene „Fallmanagement“ der Krankenkassen bei Arbeitsunfähigen nicht einzu­führen. Eine unmittelbare Intervention der Krankenkassen in den Behandlungsprozess, wie es der Gesetzentwurf vorsieht („Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind“), ist im Interesse der betroffenen Patientinnen und Patienten abzulehnen. Es verletzt die Rechte der Patienten auf eine geschützte Arzt-Patienten-Beziehung. Die mit der vom Kabinett beschlossenen Fassung vorgesehene schriftliche Zustimmung des Versicherten löst dieses Problem nicht.
  5. bei der Krankenhausentlassung die von der nordrheinischen Ärzteschaft geforderte gesetz­liche Festschreibung und Finanzierung der bisher schon bewährten Mitgabepraxis zu ver­wirklichen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung zur Ausstellung von Rezepten birgt Risiken für die Arzneimitteltherapiesicherheit, weil sie zu zusätzlichen Medikamenten­wechseln, Doppelmedikation durch Patienten aus eigenem Bestand und einem verspäteten Aufsuchen des weiter­behandelnden Arztes führen kann.
  6. die vorgesehenen psychotherapeutischen Sprechstunden verpflichtend mit der Nutzung spezifisch ärztlicher Kompetenzen zu verbinden. Die Erkenntnis, dass in der Patienten­versorgung die Bereiche „Leib“ und „Seele“ nicht getrennt betrachtet werden dürfen, gehört zu den großen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Sie muss auch für das neue Instrument der psychotherapeutischen Sprechstunden leitend sein.
    Eine offene psychotherapeutische Sprechstunde für unselektierte Patienten durch psycholo­gische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten darf es im Interesse der Patientensicherheit nicht geben. Denn nur Ärzte verfügen über die somatische, die pharmakologische und die sozialmedizinische Aus- und Weiterbildung zur sicheren und für die ganzheitliche Patientenversorgung erforderlichen Ausgestaltung einer solchen Sprech­stunde.

Die Kammerversammlung lehnt ab:

  1. die geplante Änderung in § 79 b SGB V zur Besetzung des Beratenden Fachausschusses Psychotherapie, wonach dieser mit 5 überwiegend psychotherapeutisch tätigen Ärztinnen/Ärzten und 1 überwiegend psychotherapeutisch tätigen Ärztin/Arzt für Kinder- und Jugendmedizin zu besetzen sei. Das Überwiegen psychotherapeutischer Tätigkeit schließt eine breite Gruppe von Ärztinnen und Ärzten aus, die integrativ somatisch-medizinisch und psychotherapeutisch tätig sind.
    Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein bittet den Vorstand, die ihm zur Verfügung stehenden Einflussmöglichkeiten zu nutzen, um eine Korrektur dieses Gesetzes­textes zu bewirken mit der Formulierung: „Die Vertreter der Ärztinnen und Ärzte müssen auch psychotherapeutisch tätig sein, darunter soll eine Ärztin/ein Arzt sein, die/der die Kinder- und Jugendmedizin vertritt“.

Praxis und Klinik in Nordrhein stehen Seite an Seite

Das Ärztebündnis Nordrhein fordert die Ärztekammer Nordrhein auf, sich für den Erhalt der flächendeckenden ambulanten, wohnortnahen Versorgung durch Haus- und Fachärzte einzusetzen, die durch das Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) gefährdet ist.

Die Ärztekammer Nordrhein möge die Folgen des Gesetzes gegenüber den Vertretern der Lokalpolitik erläutern und auf den Ernst der Lage aufmerksam machen.

Das Ärztebündnis Nordrhein weist auf die Folgen für Städte, Kommunen und Kreise hin: Das Versorgungsstärkungsgesetz hat unmittelbare, lokale und regionale Konsequenzen für die Versorgung der Patienten. Die Folgen des Gesetzes sind geeignet, die Lebensqualität und die Attraktivität der nordrheinischen Städte, Gemeinden und Landkreise erheblich zu mindern:

  • der geplante Praxisaufkauf dünnt die haus- und fachärztliche Versorgungslandschaft aus
  • weniger Praxen bedeuten weniger Anlaufstellen für zu vergebende Termine
  • die Kliniken selbst arbeiten an der personellen Kapazitätsgrenze, so dass sie für zusätzliche Aufgaben nicht gerüstet sind
  • die Terminservicestellen – die auch aus anderen Gründen in der Kritik stehen – können mangels ausreichender Praxiskapazitäten vor Ort nicht im Sinne der ambulanten Versorgung arbeiten, sondern müssen die Patienten schneller in die Klinikambulanzen überweisen

Dies sind Folgen, die die Versorgungssicherheit und die Lebensqualität in Nordrhein aus Patientensicht einschränken. Dies kann nicht im Interesse funktionierender Gemeinwesen sein. Praxen und Kliniken in Nordrhein stehen hier Seite an Seite. Beide sind nicht bereit, die negativen Folgen des Versorgungsstrukturgesetzes zu tragen und sich gegeneinander ausspielen zu lassen.


Notdienstreform

Die Notdienstreform in der Fassung der von der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Versorgung Nordrhein beschlossenen Fassung vom 11. Februar 2015 wird von der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein abgelehnt.

Gewachsene Strukturen der Notfallversorgung im Kammerbereich Nordrhein, die sich bewährt haben und funktionieren, müssen erhalten bleiben. Die Notdienstreform muss sich darauf beschränken, Lösungen für die Regionen zu finden, in dem die Versorgung nicht ausreichend gewährleistet ist, ohne dabei funktionierende Strukturen zu belasten.


Helfen, wo Hilfe nötig ist: Medizinische Versorgung von Flüchtlingen und in internationalen Krisen verbessern

  1. Die Kammerversammlung begrüßt, dass Bund und Länder über die Einführung einer Gesundheits­karte für Flüchtlinge auch in Flächenländern beraten und fordert eine zügige Umsetzung dieses Vorhabens.
  2. Die Kammerversammlung begrüßt den Vorschlag der Landesgesundheitskonferenz, regionale Beratungsstellen aufzubauen. Diese sollen für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus und für Menschen mit ungeklärtem Versicherungsschutz die Kostenübernahme notwendiger Diagnostik und Behandlungen klären und ggf. auch über einen Hilfsfonds ermöglichen. Die Kammerver­sammlung fordert die Landesregierung auf, zügig auf die Etablierung solcher Clearingstellen hinzuwirken.
  3. Die Kammerversammlung betont die Notwendigkeit von Sprach- und Kulturmittlern als Voraus­setzung für eine gute ärztliche Versorgung. Ausbildung und Einsatz von Sprach- und Kulturmittlern müssen deswegen weiter gefördert werden.
  4. Die Kammerversammlung fordert für Ärztinnen und Ärzte und andere Angehörige von Gesund­heitsfachberufen, die Hilfe in internationalen Krisengebieten leisten, eine gute Absicherung von Risiken, die sich aus dem Einsatz ergeben und gute Rahmenbedingungen für die Vorbereitung und die Zeit nach der Rückkehr aus dem Einsatz.
  5. Die Kammerversammlung dankt denjenigen Kolleginnen und Kollegen für ihr herausragendes Engagement, die sich – oft mit eigenen Mitteln und ohne materielle oder ideelle Anerkennung – in Deutschland und weltweit bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und in internationalen Krisen einsetzen.