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Entschließungen der Kammerversammlung am 21. November 2015 im Wortlaut


Angriffe auf Einrichtungen der Krankenversorgung

Die Kammerversammlung spricht allen Angehörigen und Freunden der bei Angriffen auf Einrichtungen der Krankenversorgung Getöteten und Verletzten das zutiefst empfundene Beileid und Mitgefühl aus.

Die Kammerversammlung verurteilt jeden Angriff auf Einrichtungen der Krankenversorgung und sonstiger humanitärer Hilfen.

Es muss weltweit gewährleistet bleiben, dass Menschen, die sich der Versorgung Verletzter und sonstig Erkrankter gerade in Krisengebieten widmen, vor kriegerischen Handlungen geschützt sind.


Forderungen der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen in Nordrhein-Westfalen - Forderungen an die Landesregierung

Die hohe Zahl neu aufgenommener Flüchtlinge stellt Deutschland vor eine bisher nicht gekannte Aufgabe. Ärztinnen und Ärzte leisten schon jetzt ihren herausragenden Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderung und wollen dies auch zukünftig  leisten. Damit die erforderliche medizinische Versorgung gelingen kann, sind vorrangig folgende Voraussetzungen zu schaffen:

  1. Einheitliche Standards für die ärztliche Untersuchung bei der Aufnahme in Gemeinschafts­einrichtungen
  2. Frühzeitige Impfungen bei Asylsuchenden in Gemeinschaftsunterkünften gemäß den Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes
  3. Bereitstellung von geschultem medizinischem Fachpersonal (z. B. Medizinische Fachangestellte, Pflegekräfte) in ausreichender Zahl in allen Einrichtungen als Ansprechpartner für alltägliche gesundheitliche Fragestellungen der Flüchtlinge sowie für die Erkennung akuter gesundheitlicher Probleme
  4. Bereitstellung von Sprach- und Kulturmittlern als Voraussetzung für eine gute medizinische Versorgung. Ausbildung und Einsatz von Sprach- und Kulturmittlern müssen stärker gefördert werden
  5. Strukturierte Weiterleitung in die ärztliche Versorgung auf Basis transparenter Zuordnungskriterien
  6. Einrichtung ärztlicher Sprechstunden vor Ort in Gemeinschaftseinrichtungen für Flüchtlinge als Brücke zur gezielten und bedarfsgerechten Vermittlung in die ärztliche Regelversorgung in den entsprechenden Fachgebieten. Dazu gehört auch die notwendige Erkennung und Behandlung psychischer Erkrankungen, z. B. als Folgen psychischer Traumatisierungen
  7. Transparenz für Flüchtlinge und Ärzte über den von staatlicher Seite gewährten Leistungsumfang in der medizinischen Versorgung
  8. Weitergabe von Untersuchungsbefunden an Dritte (Behörden, Einrichtungsbetreiber) nur soweit dafür gesetzliche Vorgaben bestehen; im Übrigen Mitteilung der Untersuchungsbefunde alleine an die untersuchte Person und Bereitstellung der Befunde zur weiteren Behandlung für Ärztinnen und Ärzte durch geeignete Archivierung
  9. Beschleunigung der Anerkennungsverfahren  für berufliche Qualifikationen nach dem Berufsanerkennungsgesetz ,den in der Bundesärzteordnung geregelten Anforderungen u. a. gesetzlichen Normen anstelle der im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vorgesehenen besonderen Regelung zur Ermächtigung der vorübergehenden Ausübung von Heilkunde

Statement zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen

Grundsätzlich kann nach dem aktuellen Stand des Wissens und den bisher umfangreich vorliegen­den Erfahrungen davon ausgegangen werden, dass von Flüchtlingen weder für die Allgemeinbevölkerung noch für helfende Personen ein erhöhtes Infektionsrisiko ausgeht.

Eine generelle (ärztliche) „Inaugenscheinnahme“, die lediglich auf die Identifikation vermeintlicher Ansteckungsgefahren abzielt, ist daher eine Vergeudung von wertvollen Ressourcen. Diese Ressourcen werden an anderer Stelle im Rahmen der Flüchtlingsversorgung dringend benötigt.

Eine ärztliche Erstuntersuchung aller Flüchtlinge nach Ankunft in Deutschland zur Feststellung des medizinischen Versorgungsbedarfes setzt voraus, dass eine Anamnese erhoben wird, eine gezielte Untersuchung stattfindet und ein Angebot für die Behandlung evtl. festgestellter Erkrankungen gegeben ist. Nur so können für die Flüchtlinge ernsthafte Erkrankungen festgestellt werden. Bisher fehlen dafür meist zeitliche und ökonomische Ressourcen. Durch eine „Inaugenscheinnahme“, die sich auf die Feststellung von Infektionen beschränkt, erfahren die Flüchtlinge hingegen erneut Repressalien, die es aus humanitären und medizinischen Gründen zu vermeiden gilt.

Statt dieser somit wertlosen und im schlimmsten Falle sogar erneut traumatisierenden „Inaugen­scheinnahme“ erscheint folgende, immer symptomorientierte, medizinische Versorgung von Flücht­lingen humanitär, nicht traumatisierend, medizinisch zielführend und ist zudem ökonomisch:

  1. Bereitstellung von geschultem medizinischem Fachpersonal wie (Kinder- und Jugend-) KrankenpflegerInnen, Medizinischen Fachangestellte/ArzthelferInnen oder SanitäterInnen in ausreichender Zahl in allen Flüchtlingseinrichtungen als AnsprechpartnerInnen für alltägliche gesundheitliche Fragestellungen sowie für die Erkennung akuter gesundheitlicher Probleme der Flüchtlinge.
  2. Bei Vorliegen akuter gesundheitlicher Probleme unverzügliche Weiterleitung in ambulante oder stationäre ärztliche Versorgung ohne institutionelle Barrieren.
  3. Einrichtung einer medizinischen Sprechstunde vor Ort in Flüchtlingseinrichtungen zur Notfallversorgung und Ermittlung chronischer gesundheitlicher Störungen und bei Bedarf ungehinderter Zugang zur ärztlichen Regelversorgung in den entsprechenden medizinischen Fachdisziplinen.

Unberührt von den oben stehenden Ausführungen ist die unverzügliche gesetzliche Untersuchungspflicht bzgl. ansteckungsfähiger Lungentuberkulose nach § 36 (4) IfSG aufgrund der Unterbringung in Gemeinschaftseinrichtungen für einen Zeitraum von länger als 3 Tagen.

Zur Reduzierung der Ansteckungsrisiken für Flüchtlinge untereinander, vor allem bei Unterbringung in Gemeinschaftseinrichtungen, sollten Schutzimpfungen, vordringlich gegen Masern/Mumps/Röteln sowie Windpocken, darüber hinaus entsprechend den Empfehlungen der STIKO, angeboten werden.


Verbesserung der Qualitätsindikatoren im Bereitschaftsdienst

Die Kammerversammlung bittet den Vorstand, sich mit den Vorständen der Kassenärztlichen Vereinigung dahingegen zu einigen, dass beide Körperschaften unbeschränkten Zugriff auf Informationen über die Qualität (z.B. Einsatzzeiten, Reaktionszeiten) haben, um die Struktur der übertragenen Aufgaben zu gewährleisten. Dies soll ein Garant der gemeinsamen qualitativen Fortentwicklung des Bereitschaftsdienstes sein.


Änderung der Gemeinsamen Notfalldienstordnung

Im gemeinsamen Notfalldienst ist sicherzustellen, dass beiden Körperschaften unbeschränkten Zugriff auf Informationen über die Qualität und die Struktur der übertragenen Aufgaben gewährt wird. Dies beinhaltet auch eine regelmäßige Berichterstattung an beide Körperschaften. Dies soll ein Garant der gemeinsamen qualitativen Fortentwicklung des Bereitschaftsdienstes sein.


Gleichbehandlung angestellter Ärzte in der Notfalldienstordnung

Der Vorstand der Ärztekammer Nordrhein wird aufgefordert, unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen einzuleiten, damit in der Notfalldienstordnung die Benachteiligung der in Arztpraxen angestellten Ärzte gegenüber den in MVZ angestellten Ärzten zeitnah beendet wird.


Neue Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

Aus gegebenem Anlass fordert die Kammerversammlung den Vorstand der Ärztekammer Nordrhein auf, umgehend auf den Vorstand der Bundesärztekammer einzuwirken, Transparenz über den Ablauf und Stand der Verhandlungen zur neuen „Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)“ herzustellen. Die Kammerversammlung sieht die Beschlusslage der Deutschen Ärztetage zur GOÄ als conditio sine qua non und als nicht verhandelbar!

Der Vorstand der Ärztekammer Nordrhein wird aufgefordert, den Mitgliedern der Kammer­versammlung über die Umsetzung und die Reaktion auf diesen Beschluss des Vorstandes der Bundesärztekammer zeitnah zu berichten.


 

Moratorium für Terminservicestellen in der GKV

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein möge beschließen:

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert den Bundesgesundheitsminister zu einem Moratorium für die Einführung der Terminservicestellen auf. Die Praxen stehen vor neuen Problemen.

Angesichts der auf die Ärzte und Angestellten in den Praxen zukommenden Belastungen, sind die Terminservicestellen eine bürokratische Verschwendung von Ressourcen, die der Versorgung unserer Patienten verloren gehen.

Einer ausreichenden und zweckmäßigen Versorgung ist der Vorrang einzuräumen, damit die anstehende Arbeit überhaupt bewältigt werden kann.


Geschäftsordnung der Ärztekammer

Der Vorstand möge die nötigen Schritte unternehmen, dass in der Geschäftsordnung der Geschäftsordnungsantrag „Schluss der Rednerliste“ aufgenommen wird.