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Entschließungen der Kammerversammlung am 2. März 2024 im Wortlaut


Entbudgetierung im Bereich der vertragsärztlichen Tätigkeit

Die Kammerversammlung fordert die volle Bezahlung der EBM-Leistungen entsprechend den im EBM ausgewiesenen Eurobeträgen. Eine Entbudgetierung im hausärztlichen und im fachärztlichen Bereich soll dazu durch den Gesetzgeber möglichst schnell erfolgen.

Der Gesetzgebungsprozess zur Krankenhausfinanzierung muss zügig abgeschlossen werden

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein ruft die Landesvertreter und das Bundesgesundheitsministerium auf, den Dialog um eine Zukunft der Krankenhausfinanzierung jetzt fortzuführen und die Gesetzgebung zeitnah abzuschließen. Aktuell besteht durch die vom DRG-System eingeführte Imbalance der Behandlungskosten zu Erlösen in vielen Fachgebieten und der langfristig zu geringen Investitionskostenfinanzierung der Länder ein Kipppunkt, in dem ungeplant und nicht zielgerichtet Krankenhäuser in finanzielle Schieflagen geraten sind. Dies erhöht auch die Unsicherheit bei den Beschäftigten, welche sich andere Tätigkeitsfelder abseits der Medizin suchen werden, was beim aktuellen Fachkräftemangel fatal wäre. Das Personal braucht Sicherheit und auch für die Patientenversorgung braucht es langfristige Planbarkeit.

Das Krankenhaustransparenzgesetz muss kritisch betrachtet werden

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein kritisiert das geplante Krankenhaustransparenzgesetz in seiner aktuellen Ausführung. Es zeichnet sich durch einen immensen Mehrbedarf an finanziellen und personellen Ressourcen aus, die hierdurch der Krankenversorgung nicht mehr zur Verfügung stehen. Ein Vorteil der Patientinnen und Patienten durch ein Mehr an Sicherheit wird hiermit nicht erreicht. Vielmehr zeichnet sich das dunkle Szenario ab, dass bei der einfachen Betrachtung von Zahlen zu Komplikationen ohne eine Risikostratifizierung nach Vorerkrankungen der behandelten Patientinnen und Patienten ein "Wettbewerb" entsteht, nur Patientinnen und Patienten mit geringem Komplikationsrisiko zu behandeln oder Eingriffe mit hohem immanenten Risiko nicht mehr durchzuführen. Dies wird kurzfristig eine Reduktion der Behandlungsmöglichkeiten bei schweren Erkrankungen und für deutlich vorerkrankte Patientinnen und Patienten mit sich bringen.

Beteiligung der Ärztekammer an der Reform des Notdienstes

Die Kammerversammlung fordert die Gesundheitsminister des Bundes und der Länder auf, die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern an den Überlegungen und der Ausgestaltung der Reform der Notfallversorgung auf Bundes- und Landesebene zu beteiligen.

Dabei sind folgende Aspekte im Interesse der geordneten Sicherstellung der
Patientenversorgung zu berücksichtigen:

  1. Patientinnen und Patienten sind vor Fehlversorgung zu schützen und im Rahmen einer einheitlichen Ersteinschätzung (Triage) dem richtigen und notwendigen Versorgungsweg zuzuführen.
  2. Der Erwartungshaltung der Bevölkerung, eine Routineversorgung 24/7 auch unter Inanspruchnahme der Kliniken erhalten zu können, muss politisch entgegengewirkt werden.
  3. Während der regulären Praxisöffnungszeit ist eine zusätzliche Routineversorgung von Notfällen in integrierten Notfallzentren 24/7 nicht notwendig.
  4. Das Gesundheitsbewusstsein und die Gesundheitsaufklärung in der Bevölkerung zu schärfen, ist dringend geboten, um die Notdienstkapazitäten vor überflüssiger Inanspruchnahme zu schützen.

Sozialversicherungspflicht für Ärzteschaft im ärztlichen Notdienst aufheben

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert den Gesetzgeber auf, schnellstmöglich eine Grundlage zur Ausnahme von der Sozialversicherungspflicht für Ärztinnen und Ärzte im ärztlichen Notdienst zu schaffen.

Finanzierung der Vorhaltekosten des ärztlichen Notdienstes

Die Kammerversammlung beschließt, dass die Finanzierung des ärztlichen Notdienstes nicht mehr allein zu Lasten der notdiensthabenden Ärztinnen und Ärzte im niedergelassenen Bereich gehen darf und fordert, dass die Ärztinnen und Ärzte im Notdienst mittels der Finanzierung der Vorhaltekosten des ärztlichen Notdienstes außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung durch die Gesetzlichen Krankenkassen entlastet werden.

Die Weiterentwicklung des Notdienstes hat zu einem erheblichen Kostenanstieg in den letzten drei Jahrzehnten geführt. Die Ausgestaltung des Notdienstes wird sich weiter fortsetzen durch die flächendeckende Einführung von zentralen Portalpraxen, INZ und externem Fahrdienst.

Kostentransparenz Notdienst und Notdienstpraxen

Die Kammerversammlung fordert die KVNO auf, die Finanzierung des Notdienstes über ein alternatives Modell zu finanzieren. Die Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen an der Finanzierung der Notdienste und der Notdienstpraxen sowie deren Betrieb durch eine Umlagefinanzierung aus den erwirtschafteten Geldern der Regelversorgung zu finanzieren, ist aufzugeben.

Cannabis-Legalisierung stoppen - Die Bundesländer sollten im Bundesrat dem Gesetz nicht zustimmen und es in den Vermittlungsausschuss überweisen

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein unterstützt die Forderungen von Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, der die Regierungen der Bundesländer auffordert, das Cannabisgesetz im Bundesrat zu stoppen, um es im Vermittlungsausschuss zu überarbeiten, da durch das vom Bundestag verabschiedete Gesetz eine gefährliche Droge verharmlost wird. Auch in den Ländern gibt es aufgrund vielfältiger Warnungen von Ärzteschaft, Justiz, Polizei sowie Pädagoginnen und Pädagogen über die Parteigrenzen hinweg erhebliche Bedenken gegen das Gesetz.

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein stellt sich hinter den Antrag Ic-08 des 127. Deutschen Ärztetages 2023 und betont nochmals dessen Forderungen.

Sucht-Unterstützungsprogramme müssen die Cannabislegalisierung begleiten

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein erinnert an ihren Beschluss zur Cannabislegalisierung. Eine Legalisierung dieses Suchtmittels bedarf der besonderen Verantwortung des Staates für seine Bürger. Diese ist aktuell nicht in ausreichendem Maße gegeben.

Unterstützungsprogramme für den Ausstieg, aber unbedingt auch Aufklärungsprogramme, die vor den Risiken eines Gebrauchs informieren, müssen ausgerollt sein, bevor es zur "Markteinführung" kommt. Anderenfalls droht ein ähnlich risikobehafteter Umgang, wie dieser aktuell bereits beim Konsum von Alkohol oder Nikotin besteht, mit all seinen gesundheitlichen Langzeitfolgen.

Transparente Arztsuche bei den Körperschaften

Die Kammerversammlung fordert die Kassenärztliche Vereinigung nachdrücklich auf, dass in deren (Online-)Praxissuche – auf die die Ärztekammer verlinkt – klar angegeben ist, ob ein Arzt niedergelassen oder angestellt ist, und wenn angestellt, wer der Arbeitgeber ist (MVZ, BAG oder Einzelpraxis).

Der Vorstand der Ärztekammer wird gebeten, der Umsetzung Nachdruck zu verleihen.

Ablehnung einer Bundes-Ethik-Kommission

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein ruft das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW dazu auf, für eine Beibehaltung der Ethikkommissionen auf Landesebene zu votieren und fordert den Bundesgesundheitsminister auf, die Planungen zur Einrichtung einer Bundes-Ethik-Kommission zu beenden.

Die gemäß Referentenentwurf des Medizinforschungsgesetzes geplante Bundes-Ethik-Kommission soll einer Bundesoberbehörde unterstellt sein und die Mitglieder sollen durch das Bundesministerium für Gesundheit berufen werden.

Keine der Bestimmungen von § 7 Absatz 3 HeilBerG NRW, nach der die Mitglieder der Ethik-Kommission in ihrer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung unabhängig, an Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gremium verantwortlich sind, findet sich im Referentenentwurf für die Bundes-Ethik-Kommission wieder. Damit fehlt schon seit Beginn eine Rechtsgrundlage, die eine hinreichende Unabhängigkeit im Sinne der Deklaration von Helsinki zum Patientenschutz gewährleistet.

Zudem wird mit einer Bundes-Ethik-Kommission eine parallele Struktur aufgebaut, die vollständig überflüssig ist. Bereits jetzt bestehen an allen Ärztekammern Ethik-Kommissionen, die in den letzten Jahren zeitnahe und gewissenhafte, sowie wissenschaftlich fundierte Entscheidungen getroffen haben. Eine neue zentrale Ethik-Kommission birgt das Risiko, dass es hier bei nicht entsprechender Personalausstattung zu längeren Wartezeiten und komplexeren Antragsverfahren kommt.

Positivlisten nutzen

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein begrüßt die derzeitige
Veröffentlichung von Positivlisten für mögliche Tätigkeiten schwangerer Ärztinnen. Gerade die Kolleginnen in der Weiterbildung können so hoffentlich ihre fachliche Expertise zuverlässiger erlangen.

Die Kammerversammlung appelliert an die Weiterbildungsstätten und die Weiterbildungsbefugten, sich jetzt mit den Positivlisten auseinander zu setzen und Abläufe in den Kliniken oder Praxen zeitnah anzupassen. Weiterhin geht der Appell auch an die anderen Fachgesellschaften und Berufsverbände, weitere Positivlisten zeitnah zu erstellen, zu prüfen und zu veröffentlichen, um allen schwangeren Kolleginnen die Unterstützung anzubieten, die sie verdienen. Ebenso ist dies eine Aufforderungen, an der geplanten S2k-Leitlinie „Mutterschutz“ (Registernummer 187 - 066 ) unter dem Dach der AWMF mitzuarbeiten.

Anerkennung von Weiterbildungszeiten

Die Kammerversammlung beauftragt die zuständigen Gremien, folgende Änderung der Weiterbildungsordnung zu prüfen:

In § 4 (5) "Die Weiterbildung ist grundsätzlich ganztägig und in hauptberuflicher Stellung durchzuführen. Sie setzt die Beteiligung an sämtlichen ärztlichen Tätigkeiten in dem Bereich voraus, in dem die Weiterbildung erfolgt. Eine berufsbegleitende Weiterbildung ist bei Zusatz-Weiterbildungen zulässig, sofern dies in Abschnitt C vorgesehen ist." ist nach Satz 1 folgender Satz einzufügen:

Äquivalenz dazu besteht auch, wenn bei mehreren Weiterbildungsbefugten eine Teilzeittätigkeit parallel betrieben wird, die zusammen der Vollzeittätigkeit entspricht.

In § 4 (6) "Eine Weiterbildung in Teilzeit muss hinsichtlich Gesamtdauer, Niveau und Qualität den Anforderungen eines geregelten Kompetenzerwerbs einer ganztägigen Weiterbildung entsprechen. Dies ist in der Regel gewährleistet, wenn die Teilzeittätigkeit mindestens die Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit beträgt. Die Weiterbildungszeit verlängert sich entsprechend. Die Entscheidung trifft die Kammer unter besonderer Berücksichtigung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf." ist nach Satz 3 folgender Satz zu ergänzen:

Bei parallelen Weiterbildungsstellen entsprechend § 4 (5) Satz 2 können einzelne Teilzeittätigkeiten auch angerechnet werden, wenn diese nicht den Voraussetzungen nach Satz 2 entsprechen, solange die Summe Satz 2 entspricht.

Widerspruchslösung bei der Organspende

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein begrüßt den neuerlichen Versuch, eine Widerspruchslösung für die Organspende einzuführen. Auch durch das nun eingeführte Online-Register wird sich die Zahl der Spender nicht signifikant erhöhen, was beim derzeitigen Bedarf aber dringlich geschehen muss. Die Hoffnung auf neue Verfahren, wie bspw. die Xeno-Transplantation, soll nicht vom aktuell bestehenden immensen Bedarf ablenken. Den vielen Patientinnen und Patienten auf Wartelisten kann akut und mittelfristig nur durch eine Steigerung der angebotenen Organspenden begegnet werden.