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Ärztekammer Nordrhein und das Interdisziplinäre Zentrum für Versorgungsforschung der Universität Witten/Herdecke legen Abschlussbericht zur medizinischen Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung vor

Menschen mit geistiger Behinderung brauchen begleiteten Zugang zu Krebsfrüherkennungsuntersuchungen und mehr Gesundheitsinformationen in Leichter Sprache

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Unser Foto zeigt von links nach rechts: Professor Dr. Max Geraedts, Leiter des Instituts für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie an der Philipps-Universität Marburg, Michael Etges, niedergelassener Allgemeinmediziner in Oberhausen, Professor Dr. Susanne Schwalen, Geschäftsführende Ärztin der Ärztekammer Nordrhein und Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Foto: Jocelyne Naujoks
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Düsseldorf, 15. Februar 2018. Menschen mit geistiger Behinderung und deren Angehörige müssen besser über vorhandene Vorsorgeuntersuchungen und Ansprüche zur Primärprävention aufgeklärt werden, fordert die Ärztekammer Nordrhein.

„Unsere Studie zeigt, dass die ambulante Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung wie auch von ihren Angehörigen und Betreuern in den Werkstätten allgemein als gut wahrgenommen wird“, sagt Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Dagegen nähmen Menschen mit geistiger Behinderung zum Beispiel Krebsfrüherkennungen deutlich seltener in Anspruch als der Durchschnitt der Bevölkerung. Henke: „Wir brauchen daher dringend Informationsmaterial in Leichter Sprache über Nutzen, Risiken und Grenzen von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. Die Informationen brauchen wir in unterschiedlichen Sprachen, damit wir auch Menschen mit geistiger Behinderung und Migrationshintergrund gut informieren können.“ Die Ärztekammer Nordrhein wird als eine Konsequenz aus der Studie ab Herbst 2018 Fortbildungsveranstaltungen zum Thema „Leichte Sprache in der Arzt-Patienten-Kommunikation“ anbieten.

Geistig behinderte Patienten müssen in der Regel zu Arztterminen begleitet werden. Daher sollte es berufstätigen Angehörigen möglich sein, zum Beispiel unbürokratisch auf Stundenkontingente für solche Anlässe zuzugreifen. Betreuer aus Wohneinrichtungen, die Menschen mit geistiger Behinderung zum Arzt begleiten, müssten durch Ersatzpersonal entlastet werden. „Bestehen Probleme, eine ärztliche Untersuchung überhaupt zu erreichen, sollten Angehörige oder Betreuer auf flexible und kostenfreie Transportmöglichkeiten zurückgreifen können. Wir können die Teilnahme an den Krebsfrüherkennungsuntersuchungen nur steigern, wenn wir die Barrieren, die die Inanspruchnahme verhindern, konsequent abbauen“, so Henke.

„Erfreulich ist, dass die Teilnahmeraten der Studienteilnehmer am Gesundheits-Check-up und an den Routineimpfungen höher sind als die der Allgemeinbevölkerung“, sagt Professor Dr. Max Geraedts, Leiter des Instituts für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie an der Philipps-Universität Marburg, der die Studie gemeinsam mit Professor Dr. Susanne Schwalen, Geschäftsführende Ärztin der Ärztekammer Nordrhein, geleitet hat. Dies gilt allerdings nicht für Menschen mit Migrationshintergrund. Menschen in den Wohnstätten nehmen die Regelangebote häufiger in Anspruch als Probanden, die bei Angehörigen oder alleine wohnten. Geraedts und Schwalen empfehlen Krebsfrüherkennungen so zu gestalten, dass sie auch von Menschen mit geistiger Behinderung weitestgehend angstfrei in Anspruch genommen werden können. Der ärztliche Mehraufwand müsse dementsprechend honoriert werden.

„Wir Hausärzte nehmen eine wichtige Funktion bei der Motivation zu Gesundheitsuntersuchungen ein“, sagt Michael Etges, niedergelassener Allgemein-mediziner in Oberhausen. Etges hat im Rahmen der Studie die Check-up-Untersuchungen in einer Oberhausener Werkstatt für Behinderte durchgeführt. „Dabei ist ein einfühlsamer Umgang erforderlich, man muss sich die nötige Zeit nehmen. Ein anderer wichtiger Aspekt ist eine verständliche Sprache. Auch das baut Misstrauen ab.“

 

Zum Hintergrund

Mehr als 34.000 Menschen im Landesteil Nordrhein haben eine geistige Behinderung oder Mehrfachbehinderung. Sie haben eine geringere Lebenserwartung als der Rest der Allgemeinbevölkerung, die sich nicht allein aus behinderungsspezifischen Faktoren erklären lässt. Als eine mögliche Ursache wird medizinische Unterversorgung diskutiert. Die Studie, die vom Landeszentrum für Gesundheit Nordrhein-Westfalen gefördert wurde, ist der Frage nachgegangen, ob diese Annahme auch für die Menschen mit geistiger Behinderung in NRW gilt. In drei Werkstätten in Witten, Oberhausen und Solingen wurden dazu insgesamt 181 Beschäftigte und deren Angehörige beziehungsweise Betreuer zur gesundheitlichen und präventiven Versorgung befragt. Ergänzend wurden die Menschen mit Behinderung körperlich untersucht, wobei diese Untersuchungen zur Hälfte in den Werkstätten für geistig Behinderte und zur Hälfte beim regulären Hausarzt erfolgten.

 

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Sabine Schindler-Marlow, stellv. Pressesprecherin der Ärztekammer Nordrhein,  0211 / 4302-2030

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