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Begrüßung neuer Kammermitglieder im November 2017


Bei der 15. Begrüßungsveranstaltung der Ärztekammer Nordrhein sprach Professor Dr. Michael Seidel über die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung aus ethischer Perspektive.

Die ärztliche Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung - was wir dabei lernen können (1017,84 KB)  

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von Jocelyne Naujoks

Bringen Sie Ihre eigenen Interessen und Vorstellungen ein und gestalten Sie die Zukunft der Ärzteschaft mit. Sorgen Sie mit dafür, dass niemand Ihnen die Freude am Arztberuf verdirbt. Die ärztliche Selbstverwaltung braucht Ihre Sicht auf die Dinge, um auf Dauer zu funktionieren.“ Mit dieser Einladung, sich auch ehrenamtlich in den Kammergremien für den Arztberuf zu engagieren, hieß Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, die jungen Ärztinnen und Ärzte bei der 15. Begrüßungsveranstaltung Ende November im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft willkommen.

Als öffentlich-rechtliche Körperschaft entscheidet die Ärztekammer auf der Basis des Heilberufsgesetzes NRW über wichtige Fragen der Berufsausübung. Die Kammerversammlung, das gewählte „Parlament“ der nordrheinischen Ärzteschaft, verabschiedet die Berufs- und Weiterbildungsordnung und gibt die berufspolitische Richtung der Kammer vor.

Neben den rund 300 ehrenamtlich tätigen Mitgliedern, die in zahlreichen Ausschüssen und Kommissionen die Aktivitäten der Kammer mitgestalten, nehmen auch die fast 61.000 Mitglieder der Ärztekammer Nordrhein bei den Wahlen zur Kammerversammlung alle fünf Jahre mit ihrer Stimme Einfluss auf die Entscheidungen der Kammer. Aus den 121 gewählten Vertreterinnen und Vertretern der Kammerversammlung wird der 18-köpfige Vorstand, einschließlich Präsident und Vizepräsident, gewählt.

Verantwortung für eine ethisch fundierte Berufsausübung

In Selbstverwaltung nimmt die nordrheinische Ärztekammer fast alle beruflichen Belange der nordrheinischen Ärzteschaft wahr, etwa durch Kontakte mit der Landesregierung, dem Landtag und den Medien. Neben der ärztlichen Fortbildung gehört auch die Qualitätssicherung zu den wesentlichen Aufgaben der Selbstverwaltung. Tragendes Element ist zudem die Berufsaufsicht. Die Berufsordnung definiert die ethischen Anforderungen an das ärztliche Handeln und sanktioniert Verstöße gegen das Berufsrecht. Henke: „Die Ärztekammer sieht sich in der Verantwortung, eine ethisch fundierte Berufsausübung zu kontrollieren und das kollegiale Verhältnis der Ärztinnen und Ärzte untereinander sowie einen respekt- und verantwortungsvollen Umgang mit den Patientinnen und Patienten und Mitbürgern zu befördern.“

Die Patientenberatung und die Kooperationsstelle für Selbsthilfegruppen und Ärzte stehen Bürgern und Ärzten mit Auskünften zur Verfügung. Mit ihren rund 250 hauptamtlichen Mitarbeitern versteht sich die Ärztekammer als eine Service-Institution.

„Menschen mit geistiger Behinderung dürfen nicht auf eine Diagnose reduziert werden. Sie sind in erster Linie Menschen. Die Diagnose beschreibt nur einen Aspekt dieser Menschen“, sagte Professor Dr. Michael Seidel. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychiatrie und Psychotherapie verknüpfte in seinem Festvortrag für die neuen Kammermitglieder zum Thema „Die ärztliche Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung – Was wir dabei lernen können“, praktische, rechtliche und berufsethische Fragen. Seiner Meinung nach muss die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung dringend verbessert werden. Dabei sei es aber mit „gutem Willen“ allein nicht getan, sondern Wissen, Kompetenzen und geeignete Rahmenbedingungen sind nötig, sagte Seidel.

Die „größte Stellschraube“ könne hier im Bereich der Fortbildungen sowie in der Weiterbildung gedreht werden. Die Regelversorgung im ambulanten und stationären Sektor müsse für die Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung qualifiziert werden, so Seidel. „Die Regelversorgung muss erster Ansprechpartner bleiben. Gleichzeitig brauchen wir zusätzlich spezialisierte Angebote.“ Ärztinnen und Ärzte brauchen seiner Meinung nach spezielles Wissen, spezielle kommunikative Kompetenzen und Erfahrung sowie ein spezielles Setting. „Der Abbau der Barrieren in der Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderung beginnt im Kopf und im Herzen einer jeden Ärztin und eines jeden Arztes“.

„Jede Person mit geistiger Behinderung hat das Recht auf Selbstbestimmung – und damit auch das Recht, über Diagnose und Therapie aufgeklärt zu werden – auch wenn er nicht selbst rechtswirksam in die Behandlung einwilligen kann“, so Seidel. Ob der Patient in der Lage sei, die Tragweite einer medizinischen Entscheidung zu überblicken, könne allein der behandelnde Arzt entscheiden. „Nur Sie wissen, worüber entschieden wird“, so Seidel. Er forderte die jungen Ärztinnen und Ärzte auf, ihren Patientinnen und Patienten mit geistiger Behinderung beizustehen und sie, für sie verständlich, aufzuklären.

Seidel riet den jungen Ärztinnen und Ärzten, ein ruhiges und vertrauensförderndes Umfeld zu schaffen und stets ruhig, klar und in leichter oder sogar einfacher Sprache zu reden. „Sprechen Sie den Patienten persönlich an, stellen Sie sich vor und gehen Sie empathisch auf seine Emotionen ein.“

Gemeinsam sprechen die jungen Ärztinnen und Ärzte das ärztliche Gelöbnis. Der Berufsordnung vorangestellt, gilt es für alle Ärztinnen und Ärzte, die in Nordrhein tätig sind oder wohnen und damit Mitglied der Ärztekammer Nordrhein sind. Es leitet sich vom sogenannten „Genfer Gelöbnis“ des Weltärztebundes aus dem Jahr 1948 ab.

Gelöbnis

Für jede Ärztin und jeden Arzt gilt folgendes Gelöbnis:

„Bei meiner Aufnahme in den ärztlichen Berufsstand gelobe ich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen.

Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben.

Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit meiner Patientinnen und Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein.

Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod meiner Patientinnen und Patienten hinaus wahren.

Ich werde mit allen meinen Kräften die Ehre und die edle Überlieferung des ärztlichen Berufes aufrechterhalten und bei der Ausübung meiner ärztlichen Pflichten keinen Unterschied machen weder aufgrund eine etwaigen Behinderung, nach Geschlecht, Religion, Nationalität, Rasse, noch nach Parteizugehörigkeit oder sozialer Stellung.

Ich werde jedem Menschenleben von der Empfängnis an Ehrfurcht entgegenbringen und selbst unter Bedrohung meine ärztliche Kunst nicht in Widerspruch zu den Geboten der Menschlichkeit anwenden.

Ich werde allen, die mich den ärztlichen Beruf gelehrt haben sowie Kolleginnen und Kollegen die schuldige Achtung erweisen. Dies alles verspreche ich auf meine Ehre.“