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Meinung

Tabakwerbeverbot – ein überfälliger Schritt

16.07.2019 Seite 3
RAE Ausgabe 8/2019

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 8/2019

Seite 3

Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein © Jochen Rolfes

Täglich betreuen wir Ärztinnen und Ärzte Patientinnen und Patienten mit Lungen-, Herz-, Gefäß-, Tumor- und anderen tabakbedingten Krankheiten. Täglich führen wir in Klinik und Praxis Präventionsgespräche, um unsere Patienten zu einer Raucherentwöhnung zu motivieren. Fast täglich engagieren sich Ärztinnen und Ärzte in Schulen, um Kinder und Jugendliche über die Gefahren des Tabakkonsums aufzuklären. Und nachdem wir diese Arbeit getan haben, sehen wir uns auf unserem Heimweg am Bahnhof, an Bushaltestellen oder an Litfaßsäulen immer noch mit Werbeplakaten großer Tabakkonzerne konfrontiert. Und das konterkariert unsere tägliche Arbeit und macht unsere Präventionsbemühungen ungleich schwerer. Denn die Tabakindustrie mit einem 80 Millionen Euro schweren Werbeetat allein für Außenwerbung arbeitet mit ausgeklügelten und auf die junge Generation wirkenden Werbebotschaften nach dem Motto: Nur wer raucht, ist mitten im Leben. Dabei sehen wir in unserer täglichen Praxis, dass genau das Gegenteil der Botschaft auf längere Sicht zutrifft.

Und eigentlich hätte damit schon längst Schluss sein sollen. Denn bereits im April 2016 hatte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zum Verbot von Tabakwerbung beschlossen, als eines der letzten Länder in Europa – wahrlich kein Ruhmesblatt für Deutschland. Doch der Gesetzentwurf wurde leider nie im Bundestag beraten. Dabei liegen die Fakten längst auf dem Tisch. Das Tabakwerbeverbot ist nicht nur gesundheitspolitisch geboten – es rechnet sich auch für die Wirtschaft.

Nach Berechnungen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) aus dem Jahr 2015 betragen die direkten und indirekten Kosten durch Tabakkonsum jährlich rund 79 Milliarden Euro. Die direkten Kosten erfassen den Wert der Güter, die im Gesundheitswesen aufgrund von tabakbedingten Erkrankungen verbraucht werden. Die indirekten Kosten erfassen Verluste, die der Volkswirtschaft durch das tabakbedingte vorzeitige Ausscheiden aus der Berufswelt entstehen. Indirekte Kosten sind somit Produktivitätsausfälle einer Volkswirtschaft.

Nicht nur der frühzeitige Tod, sondern auch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Pflege und Rehabilitation sowie die unfreiwillige Arbeitslosigkeit verursachen Produktionsausfälle. Das DKFZ beziffert die indirekten Kosten des Rauchens auf jährlich rund 53,7 Milliarden Euro. Danach schlagen Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsminderung mit 12,1 Milliarden Euro zu Buche, Ausfälle durch kurz- und langfristige Arbeitslosigkeit, Pflegebedürftigkeit sowie Rehabilitation kosten die Wirtschaft jährlich 21,8 Milliarden Euro.

Wer das Tabakwerbeverbot weiter aufschiebt, der handelt nicht nur gegen die Gesundheit der Menschen, der tut auch der Wirtschaft in Deutschland keinen Gefallen. Gerade auch aus wirtschaftlicher Sicht ist der Schritt zu einem Tabakwerbeverbot im öffentlichen Raum klug und überfällig.
Auch unsere Ärztekammer hat auf zwei Kammerversammlungen Beschlüsse zum umfassenden Tabakwerbeverbot gefasst. Nun müssen wir erneut nachlegen und darauf hinwirken, dass der Bundestag so bald als möglich über das Tabakwerbeverbot entscheidet. Jährlich 120.000 vorzeitige Todesfälle mahnen uns dringend zum Handeln.