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Mail aus Bonn

18.02.2021 Seite 10
RAE Ausgabe 3/2021

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 3/2021

Seite 10

Marie Noëlle Engels © privat

Seit das Praktische Jahr (PJ) mich im November aus den eigenen vier Wänden geholt hat, fühlt sich mein Alltag wieder relativ normal an. Dabei kann man der Pandemie wohl kaum näher sein als in einem Krankenhaus. Von den Impfungen, die zum Jahreswechsel in Deutschland begonnen haben, erhofft man sich hier viel. Doch Ende Januar ist in dem Bonner Krankenhaus, in dem ich arbeite, noch niemand geimpft. Wie kommt das? In NRW entschied man sich, zunächst ausschließlich in den Alten- und Pflegeheimen zu impfen. Bereits darüber lässt sich streiten. Nun wären Mitte Januar endlich die Krankenhäuser an der Reihe gewesen. Die für die erste Lieferung zugesagten Mengen hätten ausgereicht, um das feste Personal besonders exponierter Bereiche zu impfen. Doch nur einen Tag vor dem geplanten Impfbeginn kam die große Enttäuschung: Wegen Lieferproblemen des Herstellers stoppte das Land die Impfungen wieder, noch bevor sie begonnen hatten. In den Medien war schon eine Woche zuvor über Engpässe bei Pfizer/BioNTech berichtet worden. Das wirft kein gutes Licht auf die kurzfristige Informationspolitik gegenüber den Krankenhäusern. Wir PJ-ler hätten im Rahmen einer zweiten Lieferung drei Wochen später geimpft werden sollen. Diese verschiebt sich damit gleichermaßen. Derweil konnten die Unikliniken wie geplant mit dem Impfen beginnen. Mit Moderna werden sie von einem anderen Hersteller beliefert. Allerdings erhielt die Bonner Uniklinik deutlich weniger Dosen als angekündigt. In der Folge konnte nur ein Teil der ersten Gruppe geimpft werden. Über den Erhalt der Impfung entschied dabei die Schnelligkeit der Anmeldung. Die Problematik besteht also nicht allein in zu knappen Bestellungen und Lieferungen, sondern ebenso in der Verteilung der verfügbaren Mengen. Wo man arbeitet, oder wen man kennt, sollte nicht darüber entscheiden, wie schnell man geimpft wird. Solidarität mit denen, die seit Monaten die COVID-Stationen betreuen, bedeutet, sie als erste zu schützen. Das ist aktuell nicht überall der Fall. Die Forderung aus Teilen der Politik nach einer Impfpflicht für Pflegekräfte wirkt vor diesem Hintergrund geradezu zynisch.

Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin? Schreibt mir an medizinstudium(at)aekno.de.